Neue Studie: Produktinformationsblätter sind noch keine große Hilfe für Verbraucher
Ulm, Juli 2011 – Produktinformationsblätter für Finanzprodukte (PIBs) sollen Verbrauchern ab Juli 2011 das Leben erleichtern. Dass viele Beipackzettel für Finanzprodukte davon aber noch weit entfernt sind, zeigt eine aktuelle Studie der H&H Communication Lab GmbH aus Ulm.
(IINews) - Ulm, Juli 2011 – Produktinformationsblätter für Finanzprodukte (PIBs) sollen Verbrauchern ab Juli 2011 das Leben erleichtern. Dass viele Beipackzettel für Finanzprodukte davon aber noch weit entfernt sind, zeigt eine aktuelle Studie der H&H Communication Lab GmbH aus Ulm. In der Untersuchung wurden 67 Produktinformationsblätter verschiedener Finanzinstitute auf Verständlichkeit für den Verbraucher analysiert. Von sehr leicht verständlich bis zum Schwierigkeitsgrad einer Dissertation – die Ergebnisse verdeutlichen, dass die Branche von einem einheitlichen Standard noch weit entfernt ist.
„Die Studie zeigte, dass viele PIBs in Bezug auf Verständlichkeit noch deutlich Potential nach oben haben. Es wird oft zu viel Fachsprache eingesetzt, die für Laien schlicht und einfach zu schwer ist“ erklärt Studienleiter Dr. Anikar Haseloff.
Als Schlüssel-Indikator für die Verständlichkeit dient der Hohenheimer Verständlichkeits-Index (siehe Grafik). Dieser von der Universität Hohenheim entwickelte Index bewertet die Verständlichkeit von Texten auf einer Skala von 0 bis 20. Je höher der erreichte Wert, desto leichter ist der Text einzustufen.
Die PIBs erreichen bei der Bewertung des Hohenheimer Index einen durchschnittlichen Wert von 8,06 Punkten. Damit sind sie als eher schwer verständlich einzustufen. Interessant sind dabei die teils gravierenden Unterschiede in der Verständlichkeit der einzelnen Dokumente: Das schwerste Dokument im Test erreichte einen Wert von nur 4,67 Punkten. Es weist somit den Schwierigkeitsgrad einer Dissertation auf. Das beste Dokument im Test erreichte einen Wert von 17 Punkten. Das entspricht dem Verständlichkeitsgrad der Bild-Zeitung. Dieser Beipackzettel ist somit als sehr leicht verständlich zu bewerten.
Diese hohen Qualitätsunterschiede sind bezeichnend für die Ergebnisse der Studie. „Genau hier liegt das Problem“, erläutert Oliver Haug, Geschäftsführer der H&H Communication Lab GmbH. „Um den Verbrauchern eine Orientierung und Vergleichsgrundlage bieten zu können, sollte eine einheitliche Form gefunden werden. Die Dokumente sind häufig unterschiedlich aufgebaut und die Qualität der verwendeten Sprache ist inkonsistent.“
Für gleiche Sachverhalte (z. B. Fremdwährungsrisiko, Hinzuziehen eines steuerlichen Beraters etc.) wurden oft ganz unterschiedliche Formulierungen verwendet – von einfach bis hochkomplex. Hier empfiehlt die Forschergruppe, dass dringend Vorgaben gemacht werden sollten, ähnlich wie bei Beipackzetteln für Medikamente.
„Ein Ansatz zur Vereinfachung wäre die Vorgabe bestimmter Standardsätze. Da bestimmte Sachverhalte, wie z. B. das Fremdwährungsrisiko, bei allen Anbietern gleich ist, könnte hier eine Formulierung verwendet werden, die für alle Produkte genutzt wird. Diese könnten von der Behörde vorgegeben werden“, so Dr. Haseloff. Damit würde der Verbraucher von sehr kreativen Umschreibungen für recht einfache Sachverhalte verschont, wie ein Beispiel aus der Studie zeigt:
„Anlegern wird empfohlen, sich zusätzlich von einem Angehörigen der steuerberatenden Berufe über die steuerlichen Folgen des Erwerbs, des Haltens und der Veräußerung oder Ausübung bzw. Rückzahlung der Wertpapiere unter besonderer Beachtung der persönlichen Verhältnisse des Anlegers individuell beraten zu lassen.“
„An diesem Beispiel sieht man sehr schön, wie man recht einfache Sachverhalte auch sehr komplex umschreiben kann“, erläutert Dr. Haseloff. „Stattdessen könnte auch klar verständlich formuliert werden: Ziehen Sie bei Fragen zu steuerlichen Folgen bitte einen Steuerberater hinzu.“
Eine weitere häufige Barriere für die Verständlichkeit ist die Verwendung langer und verschachtelter Sätze. Insgesamt waren 20 Prozent der Sätze in den PIBs sogar länger als 20 Wörter. Dies bedeutet, jeder fünfte Satz ist schon auf Grund seiner Länge als schwer verständlich einzustufen. Interessant ist auch hier die Streuung: Während einige PIBs überhaupt keine langen Sätze verwendeten, schafften es manche, jeden dritten Satz als Bandwurmsatz zu formulieren.
Neben langen und verschachtelten Sätzen ist auch Fachsprache eine Barriere für Verständlichkeit. Obwohl PIBs leicht zu verstehen sein sollten, wurde oft unnötige Fachsprache identifiziert, die die Verständlichkeit deutlich verringert. Positiv ist aber, dass ein Teil der PIBs bewusst auf Fachsprache verzichten und versuchen, so weit wie möglich eine einfache Sprache zu verwenden. Diese Ansätze sind zwar durchaus erkennbar, allerdings nur bei einigen untersuchten PIBs.
Auch schienen viele PIBs mit Vorliebe Fremdwörter und komplexe, zusammengesetzte Wörter zu verwenden. So sorgen beispielsweise Begriffe wie „Vermögensbetreuungspflicht, “ „Direktkommanditisten“ oder „Auseinandersetzungsguthaben“ eher für Missverständnisse bei Verbrauchern.
Die Studie zeigt: PIBs sind definitiv ein Schritt in die richtige Richtung, es gibt aber noch viel Arbeit. Nicht nur auf Seiten der Banken, sondern auch auf Seiten der Behörden. Es fehlen klare Vorgaben und Formulierungen. Wichtig wäre zudem ein Prüfverfahren für Produktinformationsblätter, bevor diese veröffentlicht werden. Nur so kann letztlich sichergestellt werden, dass der Verbraucher auch tatsächlich Produktunterlagen erhält, die er versteht.
Die H&H Communication Lab GmbH ist ein inhabergeführtes Institut für Verständlichkeit. Das Unternehmen wurde 2006 mit Sitz in Ulm gegründet. Durch eine enge Anbindung an ein universitäres Umfeld und ein Team von wissenschaftlichen Spezialisten integriert das Unternehmen neueste Forschungserkenntnisse und wissenschaftliche Methoden in seine Produkte. Die Dienstleistungen umfassen Beratung, wissenschaftliche Analysen, Tests für Verständlichkeit und Nutzerfreundlichkeit sowie die Bereitstellung intelligenter Sprachsoftware.
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Datum: 04.07.2011 - 21:33 Uhr
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