BERLINER MORGENPOST: Keine weißen Flecken / Kommentar von Carolin Brühl zu Straßenumbenennungen
(ots) - Man kann den Unmut der Linken schon verstehen, es
mutet doch mehr als merkwürdig an, was die Familie Hohenzollern da
von Bund, Berlin und Brandenburg verlangt. Der Ärger darüber
erstreckt sich über alle politischen Lager. Viele Familien haben in
Folge der beiden großen Kriege des 20. Jahrhunderts viel verloren,
Hab und Gut, Heimat oder auch Angehörige. Die meisten waren
unschuldiger an ihrem Schicksal als die Hohenzollern.
Die Nachfahren der Kaiser, Könige und Fürsten spielen heute keine
größere Rolle mehr, als Illustrierten Futter für bunte Geschichten zu
geben. Staat machen sie keinen mehr.
Die Hohenzollern haben einen Teil der deutschen Geschichte
geprägt. Ihnen haben wir es letztlich zu verdanken, dass Berlin aus
einem sumpfigen Provinznest in der Mark zur Metropole geworden ist.
Mit dieser und somit unserer Geschichte müssen wir uns beschäftigen,
sie immer wieder kommentieren. Schulbücher allein reichen da nicht,
es ist gut, durch Straßenschilder erinnert zu werden.
Straßennamen dürfen deshalb keinen Moden unterliegen, die eine
kürzere Halbwertszeit haben als ein Rüschenhemd. Nicht immer ist die
Ehre von heute morgen noch nachvollziehbar, wenn ein Fleck auf der
ehemals weißen Weste der oder des Geehrten auftaucht.
Geschichte ist kein Blatt Papier, auf dem sich beliebig
ausradieren lässt, was missfällt. Weiße Flecken werfen erst recht
Fragen auf. Wer Geschichte klittert, setzt sich gegenüber
nachfolgenden Generationen ins Unrecht. Das gilt für alle. Die
Hohenzollern fordern eine Deutungshoheit in öffentlichen Museen über
die Geschichte ihrer Familie. Wenn das bedeutet, dass sie die
Unheilsgeschichte ihrer Familie im Nachhinein korrigieren wollen,
liegen sie genauso falsch wie die, die nach ihrem Gusto Straßen
umbenennen wollen.
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Datum: 15.08.2019 - 21:25 Uhr
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