Interne Dokumente zeigen: Gastro-Lobbyverband DEHOGA wollte "Topf Secret" von Bundesernährungsministerium verbieten lassen - Ernährungsministerium "begrüßt" jedoch die Plattform
(ots) - Der Lobbyverband der Hotels und Gaststätten
(DEHOGA) hat Ernährungsministerin Julia Klöckner in einem Schreiben
aufgefordert, die Online-Plattform "Topf Secret" "kurzfristig zu
prüfen" und zu "unterbinden". Das lehnte das Ministerium jedoch ab.
In einer internen Stellungnahme zum Schriftwechsel bewertet das
Ministerium die Online-Plattform nicht nur als "rechtlich zulässig" -
es sei sogar zu "begrüßen", dass "Verbraucher und Verbraucherinnen
von ihrem Auskunftsanspruch infolge der Aktion verstärkt Gebrauch
machen". Den Schriftwechsel und die interne Stellungnahme des
Ernährungsministeriums hatte die Verbraucherorganisation foodwatch
und die Transparenz-Initiative FragDenStaat über das
Informationsfreiheitsgesetz (IFG) beantragt und am Dienstag
veröffentlicht.
"Das ist eine schallende Ohrfeige für die Gastro-Lobby: Klöckners
Ministerium lässt die Lobbyisten nicht nur abblitzen, sondern begrüßt
ausdrücklich unsere Online-Plattform. Ob es der Lobby gefällt oder
nicht: Bürgerinnen und Bürger haben Informationsrechte - auch wenn es
um die Ergebnisse von Lebensmittelkontrollen geht", erklärte Arne
Semsrott, Projektleiter bei FragDenStaat.
"Im Kampf gegen ''Topf Secret'' ist der Gastro-Lobby offenbar jedes
Mittel recht: Wenn es nach dem Verband geht, soll die Bundesregierung
eine Initiative der Zivilgesellschaft verbieten. Das lässt tief
blicken und offenbart das fragwürdige Demokratieverständnis der
deutschen Spitzen-Hoteliers", ergänzte Oliver Huizinga, Leiter
Recherche und Kampagnen bei foodwatch Deutschland.
Derzeit wird in Deutschland nur ein Bruchteil der Ergebnisse der
amtlichen Lebensmittelkontrollen aktiv durch die Behörden
veröffentlicht. Unter www.topf-secret.foodwatch.de ist es für
Bürgerinnen und Bürger jedoch seit Anfang des Jahres möglich, über
das bundesweit gültige Verbraucherinformationsgesetz (VIG) an
amtliche Kontrollergebnisse zu gelangen - auch an solche, die die
Behörden bislang geheim halten. Zudem können Verbraucherinnen und
Verbraucher die Ergebnisse auf der Plattform veröffentlichen. Seit
Januar wurden etwa 29.000 solcher VIG-Anfragen verschickt, weit mehr
als je zuvor. Der Großteil der etwa 400 in Deutschland zuständigen
Behörden gewährt den Bürgerinnen und Bürgern die beantragten
Informationen.
Der DEHOGA ermutigt seine Mitglieder jedoch, Klagen gegen
auskunftsbereite Behörden anzustrengen und hat dazu ein
"Argumentationspapier" bereitgestellt. Darin behauptet der Verband,
die Herausgabe der Kontrollberichte sei "rechtswidrig". Die Auskunft
könne "nicht aufgrund der Regelungen des
Verbraucherinformationsgesetzes gewährt werden". Mittlerweile laufen
hunderte Verfahren bei deutschen Verwaltungsgerichten. Bisher haben
zwei Gerichte im sogenannten Hauptsacheverfahren ein Urteil gefällt:
Das VG Augsburg hat Klagen zweier Lebensmittelbetriebe abgewiesen.
Das VG Ansbach entschied hingegen zugunsten eines Hotelbetriebs, der
die Herausgabe der Informationen verhindern wollte. Fünf weitere
Verwaltungsgerichte haben den Informationsanspruch der Bürgerinnen
und Bürger schon im sogenannten Eilverfahren bestätigt - und folgen
somit der Auffassung des VG Augsburg. In zahlreichen weiteren
Verfahren stehen die Entscheidungen noch aus.
foodwatch und FragDenStaat fordern für Deutschland ein
Transparenz-System nach dänischem Vorbild. In Dänemark erfahren
Verbraucherinnen und Verbraucher direkt an der Ladentür und im
Internet anhand von Smiley-Symbolen, wie es um die Sauberkeit in den
Lebensmittelbetrieben bestellt ist. Wenige Jahre nach Einführung des
Smiley-Systems im Jahr 2002 hat sich die Quote der beanstandeten
Betriebe halbiert - von 30 auf rund 15 Prozent. In Deutschland bleibt
die Beanstandungsquote seit Jahren konstant bei etwa 25 Prozent.
"Für die Mehrheit der sauber arbeitenden Lebensmittelbetriebe ist
es die beste Werbung, wenn die amtliche Bestätigung über den
einwandfreien Hygienezustand öffentlich wird", erklärte Oliver
Huizinga von foodwatch. "Für Lebensmittelbetriebe, bei denen es
Beanstandungen gab, ist es ein Anreiz, in Hygiene zu investieren. Man
fragt sich, warum der DEHOGA ausgerechnet die notorischen
Schmuddelbetriebe schützen will."
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Datum: 09.07.2019 - 10:19 Uhr
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