AOK-Bundesverband: Wozu mehr Geld für Apotheken?
(ots) - Das Eckpunktepapier zur Apothekenreform sendet aus
Sicht des AOK-Bundesverbandes widersprüchliche Signale. "Es ist
richtig, die Not- und Nachtdienste der Apotheken aufzuwerten, denn
das stärkt das Engagement und die Versorgung in strukturschwachen
Gebieten", so Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des
AOK-Bundesverbandes. Dagegen bleibe völlig unklar, warum darüber
hinaus weitere 100 Millionen Euro für sogenannte zusätzliche
pharmazeutische Dienstleistungen an die Apotheker fließen sollten.
Litsch: "Für diesen zusätzlichen Vergütungstopf steht die Höhe
bereits fest. Auch, dass die Apotheker die Mittel selbst verteilen
dürfen. Dagegen muss das zu lösende Versorgungsproblem erst noch
erfunden werden." Zwar habe sich das Volumen der Extravergütung
gegenüber den ersten Eckpunkten aus dem Dezember 2018 deutlich
reduziert. "Aber es ist auch klar, dass sich die Koalition mit diesem
Klientelgeschenk vom Versprechen des Versandhandelsverbots
freikauft."
Litsch verweist auf viele AOK-Projekte zum Medikationsmanagement,
auch unter Einbeziehung der Apotheker. Ziel sei hier die bessere
Versorgung von Patienten. "In solchen, auf die regionalen Bedarfe
abgestimmten Vereinbarungen kann es sinnvoll sein, ergänzende
pharmazeutische Dienstleistungen festzulegen. Dagegen laufen die im
Eckpunktepapier vorgesehenen Verhandlungen auf Bundesebene auf eine
unspezifische und intransparente Gießkannenfinanzierung hinaus, mit
der die Versorgung nicht verbessert wird."
Fraglich sei zudem, ob die jetzt vorgesehene Preisgleichheit
zwischen dem Versandhandel und der Apotheke vor Ort rechtlich Bestand
habe. Schon der vorher für Versandhändler geplante Bonus-Deckel von
2,50 Euro je abgegebener Packung sei schwer vereinbar mit den
europarechtlichen Vorgaben gewesen, so Litsch: "Diese weitere
Verschärfung ist auf Druck der Apothekerlobby zustande gekommen und
aus europarechtlicher Perspektive noch anfälliger. Wir halten es für
hochwahrscheinlich, dass die Regelung weitere Klagen und damit eine
Neubefassung durch den Europäischen Gerichtshof provoziert. Durch die
trickreiche Einbindung von Regelungen der Arzneimittelpreisverordnung
ins Sozialgesetzbuch wird sich das kaum verhindern lassen."
Seit Jahrzehnten kämpfe die Apothekerschaft gegen den
Versandhandel, durch den sie ihr Geschäftsmodell bedroht sehe. Litsch
stellt klar: "Alle Analysen und Statistiken zeigen, dass die Rede vom
akuten Apothekensterben eine Chimäre ist. Und der Versandhandel ist
auch nicht die Ursache dafür, dass es einige Apotheken schwerer haben
als andere." Vielmehr gebe es ein Überangebot in der Stadt sowie
Fehlanreize bei der Honorierung. Das jüngste Apothekengutachten im
Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums habe deutlich gemacht, dass
die Beitragszahler genug Geld für die Apotheken zur Versorgung
stellten. "Demnach bestehen Einsparmöglichkeiten von über einer
Milliarde Euro."
Umfrage belegt Zufriedenheit mit Apotheken-Versorgung
Außerdem sind die Bürger in Deutschland mit der
Apothekenversorgung derzeit sehr zufrieden. Dies belegt eine von der
AOK beauftragte forsa-Umfrage aus dem Januar. Rund 2.000 Bundesbürger
waren dafür unter anderem zur Zufriedenheit mit verschiedenen
Infrastruktureinrichtungen befragt worden. Die Ergebnisse zeigen,
dass die Menschen mit der Apotheken-Versorgung am zufriedensten sind
- egal, ob sie auf dem Land oder in der Stadt wohnen. Danach befragt,
was ihnen am wichtigsten ist, rangieren Apotheken hinter Hausärzten,
Einkaufsmöglichkeiten, Internetversorgung, Bildungseinrichtungen und
Krankenhäusern.
Die Ergebnisse zu den Apotheken im Einzelnen:
Bei der Zufriedenheit belegt die Apotheken-Versorgung deutlich den
ersten Platz mit 93 Prozent (sehr zufrieden/zufrieden). Die
Zufriedenheitsraten mit den Einkaufsmöglichkeiten (83 Prozent) und
der hausärztlichen Versorgung (79 Prozent) sind zwar ebenfalls hoch,
erreichen aber nicht ganz das Niveau der Apotheken. Betrachtet man
die Zufriedenheitswerte für Apotheken abhängig von der Ortsgröße,
variieren sie lediglich zwischen 89 Prozent in kleinen Ortschaften
und 94 Prozent in Großstädten.
Bei der Bedeutung erreichen Apotheken mit 86 Prozent (sehr
wichtig/wichtig) immerhin den sechsten Platz, hinter Hausärzten (95
Prozent), Einkaufsmöglichkeiten vor Ort (93 Prozent),
Internetversorgung (90 Prozent), Schulen/Bildungseinrichtungen (87
Prozent) und Krankenhäusern (87 Prozent).
Gefragt wurde auch jeweils, ob sich die Versorgung in den letzten
Jahren verbessert oder verschlechtert habe. Bei den Apotheken sehen
18 Prozent der Befragten eine Verbesserung. Dabei erleben die
Bewohner kleinerer Gebietstypen sogar eine stärkere Verbesserung der
Apothekenversorgung als die Bewohner in Städten. Und nur 7 Prozent
sehen eine Verschlechterung. Die ärztliche Versorgung wird dagegen
kritischer eingeschätzt. So sehen 23 Prozent bei den Fachärzten und
20 Prozent bei den Hausärzten eine Verschlechterung.
Trotz Zufriedenheit gibt es Anpassungsbedarf
Gleichwohl gibt es aus Sicht des AOK-Bundesverbandes
Anpassungsbedarf. "Demographischer Wandel und Fachkräftemangel
erfordern auch in der Arzneimittelversorgung strukturelle
Veränderungen, damit die Zufriedenheit so hoch bleibt wie bisher",
betont der Verbands-Chef. Voraussetzung für die langfristige
Sicherung einer gut erreichbaren Versorgung mit Arzneimitteln sei
eine Weiterentwicklung und Flexibilisierung der Betriebsformen von
Apotheken. Hierzu gehörten auch mobile Angebote, Apotheken ohne
Vorhaltung eines eigenen Labors, Abgabeterminals für Arzneimittel mit
Teleberatung und größere Filialverbünde mit Arbeitsbedingungen, die
auch den Apothekernachwuchs ansprechen. Auch der Versandhandel zähle
dazu. Litsch weiter: "Die Apothekenlandschaft kann eine
Umstrukturierung vertragen. Es ist schade, dass die Koalition diese
Chance zur Weiterentwicklung ein weiteres Mal verstreichen lässt."
Die Umfrageergebnisse und weiterführende Informationen finden Sie
auf www.aok-bv.de.
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Datum: 03.04.2019 - 10:00 Uhr
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