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WESTERWELLE-Interview für die 'BILD am Sonntag'

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WESTERWELLE-Interview für die "BILD am Sonntag"


(pressrelations) - Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende und Bundesaußenminister DR. GUIDO WESTERWELLE gab der "Bild am Sonntag" (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte WALTER MAYER, MICHAEL BACKHAUS und MARTIN S. LAMBECK.

Frage: Ganz Deutschland hat nur noch ein Thema: Guido Westerwelle und seine Kritik am Sozialstaat. Genießen Sie es, die politische Agenda zu beherrschen?

WESTERWELLE: Wenn man so unflätig beschimpft wird, wie ich in den vergangenen Tagen, hat das mit Genuss wenig zu tun. Dieselben, die mir vorwerfen, ich hätte mich angeblich im Ton vergriffen, bezeichnen mich als Brandstifter und Esel. Das zeigt, dass ich meinen Finger in eine offene Wunde gelegt habe.

Frage: Sie haben die Reform des Sozialstaats zum Kernthema der geistig-politischen Wende gemacht. Ist das wirklich Deutschlands größtes Problem beim Weg aus der Krise?

WESTERWELLE: Für mich gehört die Reform des Sozialstaats zu den größten Problemen, die wir haben. Wir tun viel zu wenig für Forschung. Wir haben dekadente Entwicklungen in unserem Bildungssystem, wenn zum Beispiel in Berlin jetzt geplant ist, Plätze an Gymnasien zu verlosen. Und dass häufig diejenigen, die arbeiten, weniger haben als die, die nicht arbeiten, ist nicht nur ein ökonomisches Problem, sondern eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Ich habe dazu in den vergangenen Tagen zigtausende Zuschriften von Bürgern erhalten - die weitaus größte Zahl zustimmend. Darunter sind SPD-Mitglieder, die ihre Partei nicht mehr verstehen.

Frage: Lassen Sie uns konkret werden: Ein ausgebildeter Kellner mit sechs Jahren Berufserfahrung erhält in Mecklenburg-Vorpommern inklusive Kindergeld für zwei Kinder 1483 Euro. Ein Hartz-IV-Empfänger mit ansonsten gleichen Lebensumständen 1548 Euro, also 65 Euro mehr. Solche Beispiele gibt es viele. Wie wollen Sie das ändern?

WESTERWELLE: Wir müssen das deutsche Abgaben- und Steuersystem ändern, das bei niedrigen Einkommen zu früh zu kräftig zupackt. Das ist genau der Grund, warum wir Liberale in den Koalitionsverhandlungen eine Erhöhung des Kindergeldes und des steuerlichen Grundfreibetrages für Kinder durchgesetzt haben. Denn oft genug ist Familiengründung ein Armutsrisiko in diesem Land.





Frage: Tatsache ist auch: Ein allein stehender Kellner hat deutlich mehr als sein arbeitsloser Kollege. Das bedeutet: Nicht das eigentliche Arbeitslosengeld ist das Problem. Die Sozialhilfe für die Familien sorgt dafür, dass Arbeiten sich für viele kaum lohnt.

WESTERWELLE: Sie bringen das Problem auf den Punkt: Es geht besonders um die Familien und um Alleinerziehende mit kleinen und mittleren Einkommen. Die müssen Schwimmbadbesuche, Bustickets und Klassenfahrten allein bezahlen. Und wir müssen die Möglichkeiten des Hinzuverdienens für Hartz-IV-Empfänger deutlich verbessern und die von Minijobs ausweiten, damit der Weg zurück ins Berufsleben erleichtert wird.

Frage: Familienministerin von der Leyen will die Leistungen für Kinder vor allem durch Sachleistungen und Gutscheine verbessern. Der richtige Weg aus Ihrer Sicht?

WESTERWELLE: Die Ministerin übernimmt damit die Vorschläge der FDP, während weite Kreise der Konservativen für die Auszahlung der Leistungen in bar waren und bis heute sind. Die große Mehrheit der Eltern kümmert sich aufopferungsvoll um ihre Kinder. Aber es gibt zu viele Fälle, in denen die Leistungen, die eigentlich für die Kinder gedacht sind, in einen neuen Fernseher investiert werden. Deswegen müssen Bildungsgutscheine und Ganztagsschulangebote einschließlich geregelter, gesunder Mahlzeiten Priorität bekommen. Das gibt wieder einen Aufschrei, aber da müssen wir rangehen.

Frage: Sie fordern darüber hinaus einen neuen Sozialstaat. Wie ist das gemeint?

WESTERWELLE: Wenn wir die Entwicklung der letzten elf Jahre betrachten, dann stimmt da Wesentliches nicht. Wir haben heute im Vergleich zu 2004 1,5 Millionen Arbeitslose weniger. Trotzdem geben wir heute 6,5 Milliarden Euro mehr als damals für Hartz IV aus.

Frage: Was folgt daraus?

WESTERWELLE: Ganz klar: Die Treffsicherheit des deutschen Sozialstaats muss größer werden. Wir müssen die Hilfe auf die wirklich Bedürftigen konzentrieren und müssen sie den Findigen und Trickreichen kürzen oder notfalls streichen.

Frage: Wie soll das gehen?

WESTERWELLE: Jeder, der jung und gesund ist und keine Angehörigen zu betreuen hat, muss zumutbare Arbeiten annehmen ? sei es in Form von gemeinnütziger Arbeit, sei es im Berufsleben, sei es in Form von Weiterbildung. Wer sich dem verweigert, dem müssen die Mittel gekürzt werden. Umgekehrt erwarte ich von unserer Sozialstaatsverwaltung, dass sie jedem jungen Menschen auch ein Angebot macht.

Frage: Sie meinen auch: Schneeschippen?

WESTERWELLE: Warum denn nicht? Nehmen Sie Berlin, eine Stadt mit einem hohen Anteil von Sozialleistungsempfängern. Hier liegt seit Wochen Eis und Schnee auf den Bürgersteigen. Viele ältere Menschen trauen sich schon gar nicht mehr aus dem Haus, weil sie Angst haben müssen, zu stürzen und sich was zu brechen. Da könnte die Stadt doch junge Sozialempfänger zum Räumen der Bürgersteige einsetzen. So praktisch ist das Leben. Doch weite Teile der Politik haben sich davon entfernt.

Frage: Drückeberger und Schummler können sich ziemlich sicher fühlen, denn nur in 2,6 Prozent der Hartz-IV-Fälle gibt es Sanktionen. Experten schätzen den Missbrauchs-Anteil aber auf 20 Prozent und mehr. Was tun?

WESTERWELLE: Wir müssen die Schwachen schützen vor den Starken, aber auch vor den Faulen. Keine Leistung ohne Bereitschaft zur Gegenleistung. Das trennt die wirklich Bedürftigen von den Findigen.

Frage: Guido Westerwelle der einzige, der sich traut?

WESTERWELLE: Ich spreche aus, was die schweigende Mehrheit denkt. Ich will mir nicht ein paar schöne Jahre im Auswärtigen Amt machen und die Welt kennen lernen. Ich will, dass dieses Land sich ändert, einen neuen Aufbruch erlebt. Ansonsten werden wir in 20 Jahren der nächsten Generation erklären müssen, warum wir die letzten waren, die in einigermaßen sorgenfreiem Wohlstand leben konnten.

Frage: Demonstrativ lobte Angela Merkel am Aschermittwoch die große Koalition ("hat Wichtiges geleistet") und rüffelte Sie. Wie gut ist das Verhältnis von Kanzlerin und Vizekanzler derzeit?

WESTERWELLE: Das Verhältnis zu Angela Merkel ist ungetrübt. Aber: Sie ist in der Uckermark und ich bin im Rheinland aufgewachsen. Wir haben unterschiedliche Temperamente und wollen sie auch nicht verstecken müssen.

Frage: Haben Sie vor Veröffentlichung des Gastbeitrags in der "Welt"über Hartz IV die Kanzlerin informiert, welches Fass Sie da aufmachen wollen?

WESTERWELLE: Ich veröffentliche Gastbeiträge, ohne sie vorher zur Abzeichnung im Kanzleramt vorzulegen. Ich bin der Vorsitzende der FDP mit einer eigenen Meinung.

Frage: Man gewinnt den Eindruck, Angela Merkel ist regelrecht erschrocken über die Heftigkeit, mit der Sie das Thema Sozialstaat angepackt haben...

WESTERWELLE: Konrad Adenauer hat einst als Bundeskanzler gesagt: "Das Wichtigste ist der Mut!". Dieser Idee fühle ich mich verpflichtet. Denn ich will gestalten.

Frage: Wie sicher sind Sie, dass Schwarz-Gelb die volle Legislaturperiode hält?

WESTERWELLE: Da bin ich mir absolut sicher. In den letzten Tagen habe ich auch von Unionskollegen hinter vorgehaltener Hand viel Zustimmung erfahren. Und so nach einigem Abwarten kommen ja auch einige aus der Deckung.

Frage: Sie haben vergangenen Sonntag in BamS gesagt, dass Sie nichts zurück zu nehmen hätten. Bezog sich das auch auf die Formulierung von der "spätrömischen Dekadenz"?

WESTERWELLE: Die Formulierung lautete genau: "Der Kellner, der verheiratet ist und zwei Kinder hat, bekommt im Schnitt 109 Euro im Monat weniger, als wenn er oder sie Hartz IV bekommen würde. Diese Sorglosigkeit im Umgang mit dem Leistungsgedanken besorgt mich zutiefst. Die Missachtung der Mitte hat System, und sie ist brandgefährlich. Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein." Ich habe mit keiner Silbe einem einzigen Bezieher von Hartz IV irgendetwas vorgeworfen. Ich habe die Debatte nach dem Verfassungsgerichtsurteil kritisiert und die Fehlentwicklungen unseres Sozialstaates.

Frage: Offenkundig haben Sie die Gefühle vieler verletzt, die von Hartz IV leben. Tut Ihnen das leid?

WESTERWELLE: Ich finde, dass diejenigen von links, die solch üble Unterstellungen über mich verbreitet haben, sich dringend bei den Hartz-IV-Empfängern entschuldigen sollten, deren Gefühle sie verletzt haben, um parteipolitische Vorteile zu erzielen.

Frage: Meinen Sie damit auch den CSU-Generalsekretär Dobrindt, der Ihnen vorhält, sozial sei nicht Sozialismus...

WESTERWELLE: Ich lese seit einiger Zeit nicht mehr, was der CSU-Generalsekretär schreibt. Ich verlasse mich lieber auf meinen Freund Horst.

Frage: Der macht sich öffentlich über Sie lustig, sagt zu Ihren Forderungen nach radikalen Reformen: Da kommt kein Tsunami, sondern nur eine Westerwelle auf das Land zu.

WESTERWELLE: Ich gratuliere Horst Seehofer zu dieser gelungenen rhetorischen Pointe! Wir sehen uns nächstes Jahr beim Aschermittwoch wieder!

Frage: Die evangelische Bischöfin Käßmann urteilt: "Westerwelle gefährdet den sozialen Konsens" und bekundet Gesprächsbereitschaft. Können Sie sich eine Diskussion mit ihr über die Grenzen des Sozialstaats vorstellen?

WESTERWELLE: Ich freue mich auf ein Gespräch mit der Evangelischen Kirche und auch mit Frau Käßmann. Ich glaube aber, dass der soziale Konsens gefährdet wird von denen, die den Sozialstaat überfordern und dafür sorgen, dass mehr und mehr der ganz normale Steuerzahler zum Sozialfall wird.

Frage: Auf Granit beißen Sie bei CDU und CSU auch mit der Forderung nach einem neuen Steuer- und Gesundheitssystem. Haben Sie sich übernommen, Herr Westerwelle?

WESTERWELLE: Keine Sorge, meine Zähne sind immer noch gut. Von den Liberalen, die ich in der deutschen Nachkriegsgeschichte bewundere, habe ich gelernt, dass man Ausdauer haben muss, dass man sich vor Angriffen und Diffamierungen nicht fürchten darf, dass es nicht darum geht, beliebt zu werden, sondern darum, das Richtige zu tun.


URL: http://www.liberale.de

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Datum: 22.02.2010 - 15:47 Uhr
Sprache: Deutsch
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