Außenminister Guido Westerwelle zu ATALANTA vor dem Deutschen Bundestag
Außenminister Guido Westerwelle zu ATALANTA vor dem Deutschen Bundestag
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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Ich habe beim Hineinkommen gehört, dass Herr Kollege Oppermann mich vermisst hat. Jetzt vermisse ich Sie. Ich würde mich enorm freuen, wenn Sie der Debatte weiter folgen möchten.
Es ist allgemein bekannt, dass die Bundesregierung ein Gespräch mit den Ministerpräsidenten der Länder hatte, das schon vor einem Jahr vereinbart worden ist. Viele von Ihnen sind dabei gewesen.
- Weniger als früher, aber immerhin. - Ich bitte um Ihr Verständnis. Ich bin, nachdem ich ein Telefonat geführt und eine unvertretbare Handlung vorgenommen habe, direkt zu Ihnen gekommen.
- Eine persönlich unvertretbare Handlung.
Vor einem Jahr hat der Bundestag den Einsatz der deutschen Marine im Rahmen der EU-Operation "Atalanta" mandatiert. Seither hat die deutsche Marine mit substanziellen Kräften an der europäischen Operation teilgenommen. Wir Deutsche, unsere Bundeswehr, haben den Auftrag erfüllt. Der Einsatz der europäischen und deutschen Seestreitkräfte ist nach Auffassung der Bundesregierung sinnvoll; er ist kurzfristig die einzige Möglichkeit, die internationale Schifffahrt vor Piraterie zu schützen. Deswegen bittet die Bundesregierung das Hohe Haus, den Deutschen Bundestag, eine Fortsetzung des im Wesentlichen unveränderten "Atalanta"-Mandats zu ermöglichen.
Piraterie ist eine ernsthafte Bedrohung für unsere Handelsschiffe. Zugleich ist sie aber auch eine ernsthafte Bedrohung der humanitären Hilfe für Somalia. Hier kann man wieder einmal erkennen: Wer jeden Einsatz von Soldaten fundamental ablehnt, sorgt auch dafür, dass humanitäre Hilfe zugunsten von Hungernden, die es auch zu schützen gilt, unmöglich gemacht wird.
Das ist insbesondere in Somalia von großer Bedeutung.
Im ersten Jahr des Einsatzes ist es gelungen, dass alle Schiffe des Welternährungsprogrammes, die mit Hilfsgütern für Somalia beladen waren, sicher in somalische Zielhäfen einfahren konnten. Das ist ein bemerkenswerter Erfolg. Deswegen möchte ich zu Beginn, vielleicht auch in Ihrer aller Namen, den Frauen und Männern der Bundeswehr sehr herzlich danken, die diese Leistungen unter großen Entbehrungen vollbracht haben.
Es wurden zahlreiche Angriffe auf Handelsschiffe abgewehrt. Denjenigen, die vielleicht nur die Zahl von 190 Vorfällen sehen, möchte ich kurz vor Augen führen, dass sich in dieser Region etwa 20 000 Schiffe pro Jahr bewegen. Wir wissen, dass wir nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht haben, unsere Schiffe, unsere Bürgerinnen und Bürger vor Piraterie zu schützen.
Darüber hinaus haben wir Piraten festgenommen. Sie wurden von "Atalanta" an die Behörden zur Strafverfolgung übergeben. Kenia hat dabei Verantwortung übernommen, und auch die Seychellen haben sich dazu bereit erklärt. Die Zusammenarbeit mit Staaten dieser Region ist wichtig für den Erfolg der Pirateriebekämpfung; denn Straflosigkeit schreckt keinen potenziellen Piraten ab.
Es ist ohne Zweifel, dass man auch über die Ursachen reden muss.
Es besteht auch kein Zweifel daran, dass es zivile Aufgaben gibt. Aber die einfache Erklärung, die Piraterie sei entstanden, weil dort eine Überfischung stattgefunden habe, ist, mit Verlaub gesagt, zu simpel, und sie ist falsch. In Wahrheit ist es so, dass der rechtsfreie Raum in Somalia zu viel Raum für organisierte Kriminalität gelassen hat. Jemand, der sein Auskommen als Fischer nicht mehr bestreiten kann, wird deswegen nicht zu einem mordenden Piraten. Das muss man festhalten. Das ist eine Verkehrung der Tatsachen.
Deutschland und Europa sind unmittelbar vom Staatszerfall in Somalia betroffen. Über die Anschläge wird gelegentlich, wenn sie besonders traurig und dramatisch waren, in den deutschen Medien berichtet. Am 3. Dezember beispielsweise hat es einen furchtbaren Anschlag mit zahlreichen Opfern, unter anderem mehrere Minister, gegeben.
Wir wollen den Wiederaufbau des Staates unterstützen. Die somalische Übergangsregierung wird von der internationalen Gemeinschaft anerkannt und bei ihrem Bemühen um Frieden unterstützt. Deswegen finden Sie entgegen anderslautenden Bemerkungen entsprechende Hinweise in der Begründung des Mandates. Die Regierung ist fortwährenden Angriffen islamistischer Extremisten ausgesetzt. Deswegen ist Staatsaufbau und Entwicklung eine Aufgabe in unserem gemeinsamen Interesse, die wir für unsere eigene Sicherheit, aber auch für die Verhältnisse vor Ort unterstützen wollen.
Um das Ziel zu erreichen, plant die Europäische Union gemeinsam mit afrikanischen Partnern die Ausbildung von somalischen Soldaten in Uganda. Auch politisch bleiben wir engagiert, unter anderem als Mitglied der internationalen Somalia-Kontaktgruppe. Wir unterstützen außerdem die Erarbeitung einer neuen somalischen Verfassung, in der die berechtigten Interessen aller Beteiligten berücksichtigt werden sollen und berücksichtigt werden müssen. "Atalanta" ist also fest in ein politisches Konzept für Somalia eingebettet. Jeder, der behauptet, es sei eine ausschließlich militärische Lösung, die die Bundesregierung verfolgt, liegt falsch. Wir wissen, dass beides unbedingt notwendig ist.
Ich möchte nachdrücklich unterstreichen: Es geht um unseren Schutz, um den Schutz unserer Schiffe und unserer Handelsrouten, aber es geht auch um den Schutz der Menschen in Somalia und die Gewährleistung, dass humanitäre Hilfsleistungen sie erreichen können. Das Mandat ist aus unserer Sicht nicht nur politisch geboten, sondern auch moralisch und ethisch richtig, und ich hoffe, dass der Bundestag dem Antrag der Regierung mit großer Mehrheit folgt.
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Datum: 17.12.2009 - 20:35 Uhr
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