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Transparenz im Dienste des Verbrauchers oder Innovationshemmnis?

ID: 953947

(ots) -
Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben bringt
in jedem Fall viel Veränderung

Ist das gesund? Wird das Immunsystem gestärkt? Die Frage nach dem
gesundheitlichen Mehrwert eines Lebensmittels wurde bis vor kurzem
von den Herstellern vor allem selbst beantwortet und auf der
Verpackung ausgewiesen. Stärkt die Darmflora, stärkt Herz- und
Kreislauf, senkt das Cholesterin, hiess es zum Beispiel. Als Beweis
mussten die Hersteller den Nutzen in einer eigenen Studie nachweisen.
Seit 2006 aber besteht die Verordnung für nährwert- und
gesundheitsbezogene Angaben für Lebensmittel. Europaweit soll damit
einheitlich die Anforderung bei der Verwendung dieser Angaben
geregelt werden. Die Verordnung steht auch im Fokus vieler Aussteller
auf der Messe Food Ingredients Europe (Fi Europe), die vom 19. Bis
21. September in Frankfurt am Main stattfindet. Unternehmen im
Bereich Lebensmitteinhaltsstoffe und Verpackung arbeiten hier eng
zusammen um Lösungen vorzustellen, die der neuen Verordnung gerecht
werden und dabei sowohl das Aussehen des Produktes als auch den
Inhalt optimieren.

(Logo: http://photos.prnewswire.com/prnh/20130723/629764-a )

Der Verbraucher soll sich darauf verlassen können, "dass diese
Aussagen auch wahr und zutreffend sind und durch wissenschaftliche
Daten gestützt werden" heisst es auf der Seite des Bundesministeriums
für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. "Damit gilt das
Prinzip, dass grundsätzlich alle Aussagen bezüglich des
Gesundheitsnutzens von Inhaltsstoffen verboten sind, bis auf solche,
die ausdrücklich erlaubt wurden", weiss Peter Loosen Geschäftsführer
des BLL, dem Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e.V.
Bis Mai 2012 hat es gedauert, diese Liste zu erarbeiten und sie
erlaubt insgesamt 222 Aussagen. "Das hat die Branche überrascht",




weiss Loosen. "Wir hatten mit viel mehr gerechnet und vor allem in
einer grösseren Breite." Zugelassen sind nämlich überwiegend nur
Aussagen zu Vitaminen und Mineralstoffen. Bereiche wie Ballaststoffe
oder funktionelle Zutaten wie Probiotika oder das allgemein als
Gelenkschmiere bekannte Glucosamin werden nicht berücksichtigt.
"Inzwischen sind weitere sechs Angaben zugelassen, eine siebte ist
auf dem Weg und insgesamt sechs Angaben zu Koffein stehen noch in der
Diskussion, werden die Listen aber wohl bald ergänzen", weiss Loosen.

Risiko oder Chance?

Die Verordnung soll aber nicht nur dem Verbraucherschutz dienen.
Sie wurde auch ins Leben gerufen, um gleiche Vermarktungsbedingungen
in der EU zu schaffen. "Früher konnten etwa bestimmte Angaben in
Frankreich, aber nicht in Deutschland verwendet werden - und das
ungeachtet der Tatsache, dass die Gesetzeslage dieselbe war", erklärt
Loosen. Ein Produkt europaweit zu vertreiben sei nun viel einfacher.
Die Frage wäre, ob es sich für die Unternehmen noch lohnen würde,
bestimmte Angaben zur Zulassung zu beantragen. Unter anderem müssen
dafür klinische Humanstudien durchgeführt werden, die langwierig und
vor allem kostenintensiv sind. Allerdings: Wer dabei eine Erkenntnis
hat, die überraschend oder bisher unbekannt war, der hat das Recht,
diese fünf Jahre exklusiv zu nutzen.

Ob das ausreicht, bezweifelt der Experte. "Unternehmen haben schon
angekündigt, dass es für sie ein Innovationshemmnis ist. Die Hürden
sind für viele einfach zu hoch und kostenintensiv", so Loosen.
Entwicklung und Forschung stehen hier in keinem Verhältnis zu einem
Gewinn. Da denke der Markt einfach kostenbewusst. Dennoch wird es auf
der Fi Europe viele Innovationen und neue Produkte zu sehen geben.
Der Branche entwickelt sich stetig weiter und wird auch unter dem
Druck der Verordnung den Anforderungen des Marktes gerecht.

Mehr Transparenz für den Verbraucher

Hauptziel der Verordnung ist es, irreführende Werbeaussagen zu
verhindern und die Angaben für Lebensmittel für den Verbraucher so
transparent wie möglich zu machen. "Lebensmittelhersteller sind heute
so transparent wie nie" sagt Loosen über die Kennzeichnungspflicht.
Zutaten, Zusatzstoffe, wie viel von allem, für welchen Zweck und
demnächst auch die Pflicht der Nährwerttabelle geben dem Verbraucher
Aufschluss über die Inhalte des Produktes. Der Gesetzgeber stellt
grundsätzlich sicher, dass Konsumenten alle Lebensmittel auf dem
Markt völlig unbedenklich essen können. Durch die Verpflichtung zur
Information und Transparenz bleibt dem Verbraucher dann noch die Wahl
auszusuchen, welche Inhaltstoffe er bevorzugt. Loosen: "Letztendlich
sind die Informationen aber nur ein Seite. Sie müssen auch
wahrgenommen und verstanden werden." Bei der Stevia-Pflanze zum
Beispiel ist der Süssstoff zugelassen, bei den getrockneten Blätter
der Pflanze ist immer noch unsicher, ob sie verwendet werden dürfen."
Wo die Grenzen gezogen werden, ist selbst für Experten manchmal nicht
einfach. An dieser Stelle muss es noch mehr Aufklärung darüber geben,
was die Angaben bedeuten und der Verbraucher müsse auch aktiv.

Was bringt die Zukunft?

Viele Bereiche der Lebensmittelinhaltstoffe und deren
gesundheitsbezogenen Angaben sind noch gar nicht geklärt. So besteht
zum Beispiel immer noch eine grosse Lücke was die Pflanzenstoffe, die
sogenannten Botanicals, betrifft. Hier konnte man sich bisher nicht
auf eine Liste einigen, denn der Nachweis ist schwierig. Auch
Lebensmittel-Rechtsexperte Loosen sieht hier zwei kritische Punkte:
"Wenn man sich nicht einigen kann werden im schlimmsten Fall Health
Claims für Botanicals komplett verboten. Allgemein glaubt ein
Verbraucher aber daran, dass Pflanzenextrakte, eine positive Wirkung
haben. Wenn man Dingen aus der Natur das nicht offiziell zusprechen
kann, bedeutet das für Konsumenten nur noch mehr Verwirrung."
Einschränkungsmöglichkeiten und Legitimierungen stehen möglicherweise
auch noch in anderen Gebieten auf dem Plan. Die Verordnung für
neuartige Lebensmittel soll überarbeitet werden. Etwas Neuartiges aus
einem anderen Land mitzubringen und hier zu vertreiben funktioniert
schon seit 1997 nur mit grossem bürokratischem Aufwand. Zukünftig
könnte die Barriere, Lebensmittel, die in der ganzen Welt gegessen
oder getrunken werden, auch in der EU zu verkaufen, noch höher
werden. "Der Trend geht eindeutig zur weiteren Verschärfung der
Gesetzeslage", zieht Loosen sein Fazit. Dass dies Innovation
einbremst ist schon jetzt abzusehen. Ob es langfristig mehr Schutz
und Transparenz für den Verbraucher bringt, als dass es verwirrt und
verunsichert bleibt abzuwarten. Um mitzudiskutieren oder neue
Geschäftspartner kennen zu lernen, die optimale Lösungen haben, die
den aktuellen Verordnungen entsprechen, ist die Fi Europe genau der
richtige Ort. Hier trifft sich, wer nach Neuheiten sucht, mitreden
möchte oder auch den Markt für Lebensmittelinhaltsstoffe mitbestimmen
will.

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