BERLINER MORGENPOST: Tokio 2020 bringt Berlin ins Spiel - Leitartikel von Jens Hungermann
(ots) - Tokio darf 2020 die Olympischen Spiele ausrichten.
Erstaunlich deutlich votierten die Mitglieder des Internationalen
Olympischen Komitees (IOC) auf ihrer Session in Buenos Aires für
Japans Kapitale. Auch wenn als Bonmot kursiert: "Auf hoher See und im
IOC ist alles möglich" - diese Entscheidung war nicht unbedingt zu
erwarten gewesen. Zuletzt galt Madrid als Favorit. Trotz hoher
Arbeitslosenquote und unübersehbarer ökonomischer Schwierigkeiten
schienen die Spanier sportpolitisch doch eine solide Lösung. Die
meisten Wettkampfstätten wären ohne enorme Investitionen startklar
gemacht worden.
Die boomende türkische Metropole Istanbul war zuvor lange Zeit
favorisiert gewesen. Die Spiele erstmals in ein muslimisches Land an
der Schwelle zwischen Europa und Asien zu vergeben wäre die mutigste,
wegweisendste, ja, die spannendste Wahl gewesen. Wiewohl die
innenpolitischen Proteste gegen die Regierung von Premier Erdogan und
die geografische Nähe zum Krieg in Syrien viel Kredit gekostet haben.
So aber haben sich die Herren der Ringe zu einer konservativen
Lösung entschlossen. Japan ist politisch wie ökonomisch ein stabiles
Land, Tokio war schon 1964 Gastgeber der Spiele. Effizient und
verlässlich in der Organisation und Finanzierung von Großereignissen,
schien Tokio den steinreichen Hütern der olympischen Bewegung
offenkundig die sicherste Variante. Zudem ist die Vergabe ein Hinweis
auf den wachsenden asiatischen Einfluss im Milliardenbusiness
Olympia. Dabei gewann Tokio die Wahl nicht wegen Fukushima - sondern
trotz Fukushima. Die jüngst abermals zugespitzte Lage im havarierten
Atomkraftwerk ist weltweit nicht nur medial ein Thema. Sondern auch
im IOC.
Indem die Olympier ihre Spiele nun zum zweiten Mal in Folge nach
2018 (Pyeongchang/Südkorea) nach Asien vergeben haben, eröffnen sich
Europa neue Möglichkeiten - und Deutschland ebenfalls. Das gilt für
eine neuerliche Bewerbung Münchens für die Winterspiele 2022, aber
auch für eine denkbare Kampagne pro Berlin. Flugs preschte der
Landessportbundpräsident und frühere Sportsenator Klaus Böger (SPD)
am Wochenende vor: Berlin stünde ab 2024 bereit - "wenn der deutsche
Sport es will". Nur steht das derzeit noch sehr infrage. Dabei ist
unzweifelhaft: Winterspiele in München wären der kleine Wurf -
Sommerspiele in Berlin der große. Welcher Katalysator die Spiele für
eine Region sein können, wird Tokio im Laufe der nächsten sieben
Jahre spüren können.
Tokios Wahl indes gereicht Deutschland auf anderem Felde zum
Nachteil. 2020 findet erstmals europaweit die Fußball-EM statt. Der
Deutsche Fußball-Bund erwog eine Bewerbung mit München als Finalstadt
zunächst nur für den Fall, dass Istanbul die Spiele erhält. Nun wird
er wohl auf eine Kampfkandidatur verzichten - und das Endspiel
wahrscheinlich Istanbul zugeteilt. Allerdings hält sich der DFB einen
Trumpf offen: Verzichtet er generös für 2020, hat er für eine EM 2024
in Deutschland ein gutes Argument geschaffen. Sportpolitik ist eben
ein Geben und Nehmen.
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Datum: 08.09.2013 - 19:07 Uhr
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