Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zum Doping-Skandal: Menschliche Leistung von Claus-Dieter Wotruba
(ots) - Dass bekannte Sprinter unter schwerem Verdacht
sind, ist eine gute Nachricht. Alle müssen etwas ändern.
Man sollte künftig vier Olympische Spiele veranstalten: für
gedopte Schwarze, für saubere Schwarze, für gedopte Weiße und für
saubere Weiße. Dieser Satz klingt frustriert und provokativ - und ist
vor allem aktuell. Dabei ist es 25 Jahre her, dass ein deutscher
100-Meter-Läufer sich so ausdrückte, weil er im Zwischenlauf der
Olympischen Sommerspiele von Seoul ausgeschieden war. Christian Haas
hieß der Bayer, der vor dem Mauerfall den Sprint im deutschen Westen
dominierte, international aber stets zum Mitläufer mutierte. 25 Jahre
danach sind die deutschen Sprinter nicht schneller als einst Haas.
Julian Reus lief als deutscher Meister dieser Tage in Ulm in etwa die
gleiche Zeit. Die Problematik ist unverändert: Sind Zeiten von 9,6,
9,7 oder 9,8 Sekunden menschlich oder sind sie es nicht? Kein Sieg
darf angezweifelt werden, ohne etwas in der Hand zu haben. Die
Beispiele Tyson Gay und Asafa Powell, beide positiv getestet, nähren
die Zweifel wieder. Dopen alle 100-Meter-Weltmeister? Kann nur ein
Doper 100-Meter-Weltmeister werden? Es gibt nicht wenige, die das
behaupten und sogar belegen. IOC-Präsident Jacques Rogge sagt, dass
er überrascht ist. Überrascht wären wir aber erst, wenn auch die
ganz, ganz große Nummer des Sprints namens Usain Bolt angekratzt
würde. Jahrelang haben die Jamaikaner gewitzelt, dass es an den
Süßkartoffeln läge, dass sie so schnell wären. Jetzt scheint es
immerhin, als wäre Schluss mit lustig und der Dopingkampf auch auf
der karibischen Insel angekommen. Natürlich beschädigen derlei
Schlagzeilen die Leichtathletik - erst einmal. Andererseits sind
derlei Nachrichten positiv, wenn es nicht nur kleine Fische sind,
sondern auch bekanntere Namen. Es forciert den Eindruck, dass die
Dopingjäger den Sündern nicht mehr hoffnungslos hinterher sind. Es
wertet auch die anstehende WM im August in Moskau nicht ab. Denn ist
es schön, wenn ein Betrüger gewinnt? Und natürlich sind die
manipulierten Leistungen nicht auf den Sprint zu begrenzen. Die
Leichtathletik ist verseucht, das müssen auch ehrliche Fans
eingestehen. Was diese Einordnung bedeutet, davon kann der Radsport
ein Lied singen. Moderne "Helden" wie Chris Froome werden deswegen
damit leben müssen, dass ihre Auftritte hinterfragt werden, und
sollten nicht beleidigt von dannen ziehen, wie es der Brite bei der
Tour de France gestern tat. Wenn jemand 40 Minuten vor den
schnellsten Marschtabellen im Ziel ankommt, muss er für Zweifel
Verständnis haben. Dem Sportler gebührt zwar prinzipiell Respekt
(sofern er ehrlich ist), doch der Sportler muss sich gewahr sein,
dass er in unseren Tagen eben der Vergangenheit Respekt zollen muss.
Hinterfragen ist ein gutes Stichwort. Die Verbände schrauben Normen
in die Höhe. Die Fans goutieren nur Bestzeiten, überhöhen Sportler
und heben sie oft auf Sockel. Genauso schnell stoßen sie sie wieder
hinunter. Erinnert sei nur an Aufstieg und Fall des Jan Ullrich.
Entwickeln wir doch alle ein feineres Gespür und bestimmen, was wir
sehen wollen. Packen wir uns an der Nase: Muss es immer Bestzeit
sein, immer Rekord? Ist langsamer automatisch weniger packend?
Gelogen und betrogen wurde von jeher und schon in der Antike, das
liegt wohl auch in der Natur des Menschen. Aber die Dimensionen sind
andere geworden, es werden regelrechte Betrugssysteme aufgebaut, weil
es inzwischen um reichlich, um zu viel Geld geht. Das vergällt die
Freude am Sport und wird zu einem schlimmeren Auswuchs, als es das
römische Gladiatorentum einst war. Insofern: Werten wir die
Nachrichten positiv, ändern etwas und denken daran: Nicht nur die
Sportler, alle haben es in der Hand.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten(at)mittelbayerische.de
Themen in diesem Fachartikel:
Unternehmensinformation / Kurzprofil:
Datum: 15.07.2013 - 21:26 Uhr
Sprache: Deutsch
News-ID 909854
Anzahl Zeichen: 0
Kontakt-Informationen:
Ansprechpartner:
Stadt:
Regensburg
Telefon:
Kategorie:
Sport
Anmerkungen:
Dieser Fachartikel wurde bisher 160 mal aufgerufen.
Der Fachartikel mit dem Titel:
"Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zum Doping-Skandal: Menschliche Leistung von Claus-Dieter Wotruba"
steht unter der journalistisch-redaktionellen Verantwortung von
Mittelbayerische Zeitung (Nachricht senden)
Beachten Sie bitte die weiteren Informationen zum Haftungsauschluß (gemäß TMG - TeleMedianGesetz) und dem Datenschutz (gemäß der DSGVO).