Mittelbayerische Zeitung: Mittelbayerische Zeitung (Regensburg)zu Entscheidungen der Fifa und der Uefa
(ots) - Katar ja, Winter nein
von Jürgen Scharf, MZ
Die Legende besagt, dass der ehemalige deutsche
Fußball-Bundestrainer Berti Vogts in der Halbzeitpause eines Spiels
bei der EM 1992 eine knallige Ansprache in der Kabine gehalten hat.
Unzufrieden mit dem Einsatz seiner Spieler, habe er diese daran
erinnert, "dass das hier kein Jugendturnier ist" - sondern eine
Europameisterschaft. Vielleicht sollte Vogts diese Ansprache in
diversen Gremien von Fifa und Uefa wiederholen. Die Entscheidungen
der hohen Herren der beiden Fußball-Verbände lassen den Verdacht
aufkommen, dass sie ihre Großereignisse in der Tat wie kleine
Kirmesturniere für Juniorenteams verschachern. Das sind sie aber
nicht. Etwa eine Milliarde Menschen, so wird geschätzt, sehen bei
einem WM-Finale rund um den Globus am Fernseher zu. Bei einem
EM-Finale ist die Begeisterung ähnlich groß. Beide Turniere sind
Sportereignisse, die Menschen auf der ganzen Welt miteinander
verbinden. Dass dabei auch viel Geld umgesetzt wird, versteht sich
von selbst. Fußball ist aber nicht nur Emotion, Event und Erlös.
Fußball ist auch Tradition. Es ist ganz und gar nicht egal, ob ein
Spiel in Hinterduxdorf oder in symbolträchtigen Orten der
Fußball-Geschichte wie Madrid, Rom oder Mexico City stattfindet. Das
beste Beispiel dafür ist die Weltmeisterschaft 2014, auf die sich so
viele Menschen freuen: ganz einfach, weil sie im fußballverrückten
Brasilien stattfindet. Ob sich die Menschen auf die Weltmeisterschaft
2022 in Katar genauso freuen werden? Bis zum Jahr 1990 verfuhr der
Weltverband Fifa nach einem einfachen Prinzip: In Europa und
Südamerika leben die meisten Fußball-Fans, deswegen wechseln sich
beide als WM-Veranstalter alle vier Jahre ab. 1994 wurde dies zum
ersten Mal unterbrochen, als die USA den Zuschlag erhielten. Und das
war nicht die schlechteste Entscheidung. Auf ewig konnte nicht an der
Fußball-Erbmonarchie festgehalten werden. Die Fifa wollte neue Wege
gehen. Das war legitim. 2002 gab es dann erstmals eine WM in Asien
und 2010 eine in Afrika. Vor beiden Turnieren wurde viel geunkt -
aber Fußball gespielt wurde dann doch ganz normal. Derzeit
übertreiben es Fifa wie Uefa mit dem Pioniergeist aber. Katar erhielt
den Zuschlag für die WM 2022. Natürlich ist es auch der arabischen
Welt zu gönnen, einmal dieses Großereignis vor der Haustür zu haben.
Allerdings ranken sich bis heute böse Mauscheleigerüchte um die
Vergabe. Und geradezu grotesk ist das Geschachere, das seit Monaten
um den Zeitpunkt des Turniers abläuft und die Frage aufwirft, ob die
Fifa-Offiziellen ihre Entscheidung im Halbschlaf getroffen haben.
Scheinbar fiel einigen Jury-Mitgliedern erst nach dem Votum auf, dass
50 Grad im Schatten, wie sie im Sommer in Katar herrschen, nicht so
toll für Leistungssport sind. Und an klimatisierte Stadien, wie sie
das Emirat in seiner Bewerbung vorgestellt hatte, will plötzlich
keiner mehr so Recht glauben. Hinz und Kunz fordert nun, dass die WM
auf die Wintermonate vorgezogen wird. Dafür müsste nichts weniger als
der internationale Spielkalender umgestellt werden. Ähnlich kuriose
Blüten treiben die Innovationen der europäischen Uefa. 2020 wird die
Kontinentalmeisterschaft statt in einem Land in ganz Europa
ausgetragen. Dies wurde harsch kritisiert. Angeblich gehe durch die
Ortswechsel das Flair verloren. Hier sollte man abwarten: Der Gedanke
eines bei einem Fußball-Turnier vereinten Europas hat durchaus
Charme. Die andere Entscheidung der Uefa, das Teilnehmerfeld von 16
auf 24 Mannschaften anzuheben, lässt einen dagegen ratlos zurück.
Knapp die Hälfte aller Mitgliedsländer der Uefa darf nun in der
Endrunde mitspielen. Warum nicht gleich alle? Beiden Fußballverbänden
ist zu wünschen, dass sie bei ihren nächsten Ideen mit etwas
ruhigerer Hand agieren. Und der Firlefanz um eine Winter-WM 2022
sollte schleunigst beendet werden. Große Fußball-Turniere gehören in
die Jahresmitte! Punkt. Letztlich finanzieren die Fans das Spektakel
und die haben ein Recht auf Tradition. Auch wenn die Fußballer auf
dem Rasen schwitzen müssen.
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Datum: 01.04.2013 - 21:27 Uhr
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