junge Welt:»Der Sex im Osten war keine Ware« / DDR-Sex-Expertin Jutta Resch-Treuwerth im Interview mit der jungen Welt: »Es schadet der Lust nicht, wenn nicht in Porno-Shops eingekauft« werden kann.
(ots) - Jutta Resch-Treuwerth, bis 1990 Redakteurin der
damaligen FDJ-Zeitung Junge Welt und 20 Jahre lang Autorin des
legendären wöchentlichen Ratgebers »Unter vier Augen«, spricht in der
Wochenendausgabe der jungen Welt über Liebe und Sex damals und heute,
über das, was an Rechten und Selbstverständlichkeiten verloren
gegangen ist und über die Schaffung von Bedürfnissen in der
Konsumgesellschaft. Das Verhältnis der Geschlechter sei in der DDR
»sehr entspannt« gewesen.
Dazu habe auch die Tatsache beigetragen, daß Sex keine Ware war.
Viele Rechte und liberale Regelungen, die es zu DDR-Zeiten schon
einmal gab, seien heute verloren. Resch-Treuwerth: »Anwaltspflicht
bei jeder Scheidung halte ich für Geldschneiderei. Ein Trennungsjahr
ist Willkür. Vor der Ehe fragt auch niemand wie lange das Paar schon
zusammen gelebt hat. Kostenfreie Verordnung von hormonellen
Schwangerschaftsverhütungsmitteln war eine konsequente Trennung von
Fortpflanzung und Lust und hat angstfreien Sex ermöglicht. Dass
Frauen in einem Beratungsgespräch erklären müssen, warum sie gerade
kein Kind möchten, ist für mich Diskriminierung.«
Die Journalistin, Buchautorin und Familienberaterin erzählt von
Liebesbriefen, die Alltagsgeschichte schreiben und schildert eine für
sie ganz neue Erfahrung mit Behinderung ihrer Arbeit nach dem
Mauerfall. Ministerialbeamte aus den alten Bundesländern hätten
gefunden, »dass man meine Sauereien den Eltern nicht zumuten könne.
Sie hatten keine Ahnung davon, wie offen und unverschnörkelt hier in
Familien Aufklärung erfolgte«.
Zur Rolle der Medien sagte Resch-Treuwerth, diese trügen
»erheblich dazu bei, daß das Sexuelle maßlos überschätzt wird«. Es
finde eine »Einmischung in intimste Angelegenheiten statt«. Die
»Produktion von Bedürfnissen« sei »Ziel der Konsumgesellschaft«, auch
beim Sex: »Wie wunderbar, dass alle Defizite behoben werden können.
Durch Pillen, Kosmetika, Operationen, Kurse, Diäten, Bücher, Filme.
Für jede Störung ein Produkt.«
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Datum: 15.03.2013 - 13:57 Uhr
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