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Lebensmittelkontrolleure fordern radikale Reformen / Martin Müller: "Zustände wie im vorigen Jahrhundert"

ID: 829896

(ots) - Deutschlands oberster
Lebensmittelkontrolleur Martin Müller geht nach der jüngsten
Skandalflut mit der Politik hart ins Gericht. Angekündigte Reaktionen
wie Herkunftsangaben für weiterverarbeitete Lebensmittel oder die
Veröffentlichung der Namen betroffener Betriebe, sobald ein
hinreichender Verdacht besteht, sind nach Auffassung des Vorsitzenden
des Bundesverbandes der Lebensmittelkontrolleure mehrheitlich nur
geeignet, um eine schöne Außenwirkung zu erzielen. Im Gespräch mit
der Lebensmittel Zeitung (Deutscher Fachverlag) sagte Müller: "Die
Länder und Kommunen, die für die Lebensmittelkontrolle verantwortlich
sind, haben leider kein Interesse an tiefgreifenden Veränderungen und
schützen lieber die heimische Wirtschaft. Nach wie vor liegen viele
Daten nur handschriftlich vor, einen bundesweiten Austausch gibt es
nicht. Das sind Zustände wie im vorigen Jahrhundert."

Stattdessen fordert Müller, der nach 37 Jahren im Geschäft noch
nie eine solche Häufung von Verfehlungen erlebt hat, ein wirksames
Frühwarnsystem aufzubauen. "Was nutzt es dem Verbraucher, wenn wir in
zwei Wochen herausfinden, dass die Erdbeeren, die er vor vier Wochen
gegessen hat, mit Keimen belastet waren? Wir können uns nicht neben
jedes Schnitzel stellen. Um zu wissen, wo und wonach man suchen muss,
muss man die Gefahren kennen." Dafür bräuchte Müller allerdings mehr
Personal. Derzeit fehlen in Deutschland jedoch rund 1.600
Lebensmittelkontrolleure.

Entsprechend geht Müllers Forderungskatalog weiter: Auf EU-Ebene
plädiert Müller für die Einrichtung einer zentralen Behörde mit
vergleichbaren Befugnissen, über die die europäische
Polizeiorganisation Europol verfügt. Auf Landesebene plädiert Müller
für die Schaffung eines Bundesamts für Lebensmittelkontrolle und
damit einen effektiven Austausch der Beamten. "Der Prüfer in Hamburg




muss endlich wissen, dass der Kollege in München Aurora Sonnenmehl in
diesem Monat schon hundert Mal getestet hat, um sich anderen Aufgaben
zu widmen." Auf Seiten der Justiz fordert Müller die Einrichtung von
Schwerpunktstaatsanwaltschaften und Fachgerichten. "Nur wenn wir dazu
kommen, bei Verfehlungen den unlauteren Gewinn der Unternehmen
abzuschöpfen, wird sich etwas ändern." Damit, so Müller in der
Lebensmittel Zeitung, ließen sich die Kosten für mehr und
aufwendigere Kontrollen zudem bereits zu einem großen Teil auffangen.
"Gute Unternehmen - und dazu zähle ich 95 Prozent der deutschen
Betriebe - würde dies kaum mehr belasten. Die erste Kontrolle ist
ohnehin kostenlos. Damit würde man die guten Unternehmen endlich
wirksam schützen."

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Datum: 07.03.2013 - 15:00 Uhr
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