DER STANDARD-Kommentar "Das Essen mit dem Pferdefuß" von Conrad Seidl
(ots) - Die gute Nachricht zuerst: Seit bekannt geworden ist,
dass in Fertiggerichten Pferdefleisch gefunden wurde, obwohl
eigentlich Rindfleisch drinnen sein sollte, haben die
Pferdefleischhauer Umsatzzuwächse zu verzeichnen. Offenbar haben die
Skandalnachrichten einigen Feinschmeckern in Erinnerung gerufen, wie
schmackhaft Fohlen- und Pferdefleisch bei richtiger Zubereitung sein
kann.
Die schlechte Nachricht: Es gibt immer mehr Belege für falschen
Einsatz von Pferdefleisch - in Rezepten, in denen es nichts verloren
hat, in Speisen, die in krimineller Weise falsch deklariert sind. Am
Freitag wurden solche Produkte auch in österreichischen
Supermarktregalen entdeckt und eiligst entfernt. Nicht, weil sie
gefährlich wären, sondern weil Konsumenten ein Recht darauf haben,
das auf den Teller zu bekommen, was sie bestellt haben.
Und nichts anderes: Ein frommer Muslim muss die Gewissheit haben,
dass in seinen Speisen kein Alkohol versteckt ist. Wer auf Nüsse
allergisch ist, muss sicher sein können, dass eben keine Nüsse in
seinem Kuchen sind. Und wer Abneigung gegen Pferdefleisch hat, soll
es auch nicht ungewollt als Fülle von Tortelloni zu sich nehmen
müssen.
Um das zu gewährleisten, ist ein hoch kompliziertes
Deklarationssystem eingeführt worden - das Kleingedruckte auf den
Lebensmittelverpackungen ist längst eine Selbstverständlichkeit
geworden. Dabei ist aus dem Blickfeld geraten, dass dieses System
einen schwachen Ersatz für das Vertrauen darstellt, das Generationen
vor uns den Lebensmittelhändlern, den Lebensmittelherstellern und den
Bauern entgegengebracht haben.
Vertrauen ist gut - aber Kontrolle ist besser. Auf Massenmärkten, zu
denen die Lebensmittelmärkte geworden sind, ist sie unverzichtbar.
Die strengen Vorschriften, die da kontrolliert werden, können kleine
Produzenten kaum einhalten - und preislich mithalten können sie erst
recht nicht.
Das ist ja das Elend mit dem Essen: Konsumenten (und erst recht
Konsumentenschützer) erwarten, dass man um immer weniger Geld mit
hygienisch unbedenklichen und in jeder Hinsicht standardisierten
Lebensmitteln gesättigt wird. Dabei sollen diese wohlschmeckend und
womöglich in freier Natur produziert sein.
Man weiß ja, dass das nicht wirklich unter einen Hut zu bringen ist -
aber das wird routiniert verdrängt: Vor Massentierhaltung
verschließen die Konsumenten ebenso die Augen wie vor dem
flächendeckenden Einsatz von Tierarznei oder dem systematischen
Transport von Fleisch und Gemüse, Getreide und Obst um die halbe
Welt, bevor die Sachen dann oft als Instantprodukt erst in der
Mikrowelle und dann in unserem Magen landen.
Dass dieses System gewissenlose Manager dazu einlädt, bei der einen
oder anderen Zutat zu schummeln, weiß man nicht erst seit dem
jüngsten Skandal. Und die Reaktion darauf lautet wie bei allen
anderen Skandalen davor: mehr Kontrolle (diesmal allerdings mit
Gentests, um den Pferdefuß auch ganz sicher zu finden), und ansonsten
weitermachen wie bisher.
Am System unserer Versorgung mit billigem Essen soll sich dabei
möglichst wenig ändern: Es ist ja effizient und hat darüber hinaus
den Vorteil, dass es trotz allem eine relativ hohe Sicherheit gegen
durch Lebensmittel übertragene Vergiftungen aufweist. Appetitlich ist
es dennoch nicht.
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Datum: 15.02.2013 - 19:25 Uhr
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"Auch Skandale ändern nichts an dem System, wie wir uns versorgen" - Ausgabe 16.2.2013 wien
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