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Tischlein deck dich: Eine Köstlichkeit aus Shrimps, King-Prawns und einem Cocktail aus Pestiziden, S

ID: 797926

Wie Hunderttausende Tonnen dieser Schalentiere aus Thailand
auf die europäischen Gourmet-Tische gelangen.


(IINews) - Nachdem es in den 30er Jahren erstmals gelang, Shrimp-
Larven in einem US-amerikanischen Labor unter
Laborbedingungen zu einer beachtlichen und wirtschaftlich
interessanten Größe heranzuzüchten, entwickelte sich daraus
kurze Zeit später ein neuer Industriezweig, die sogenannte
Shrimp-Aquakultur.

Einige Zahlenwerke zur Einleitung

Aufgrund der Nachfrage in den Ländern wie Japan, den USA
und Europa schossen ab den 80er Jahren neben
Lateinamerika auch in Asien Shrimp-Farmen wie Pilze aus
dem Boden, um den immer weiter wachsenden Bedarf zu
decken. 1985 wurden 75% der weltweiten Shrimps aus
Aquakulturen in Asien, insbesondere Thailand und Laos sowie
Indien, produziert. 1985 wurden 200.000 Tonnen produziert,
1986 waren es schon 300.000 Tonnen, 1988 wurden 450.000
Tonnen produziert und im vergangenen Jahr (2011) wurden
allein in Thailand 720.000 Tonnen dieser “Köstlichkeit“ nur
alleine als “Exportschlager“ nach Europa exportiert. Ein
immenses Wachstum mit Folgen für die Natur der
Exportländer und auf dem Teller der Konsumenten. Shrimps
sind bereits im “Standard-Supermarkt“ vieler europäischer
Länder nicht mehr wegzudenken. “Mercadona“, der
Supermarktriese Nr. 1 in Spanien, verkauft im Jahr etwa
22.000 Tonnen Shrimps aus Importländern. 70% dieser
Importware stammt aus Asien. Thailand bietet etwa 80% der
Asienimporte. D.h. mathematisch betrachtet gelangten mehr
als jede zweite dieser verführerischen Köstlichkeiten aus
Thailand auf den “Tapa“.

Immer mehr Investoren (ausländisch bzw. inländisch)
siedelten an den flachen Küsten tropischer Regionen diesen
Geschäftszweig an, ohne Rücksicht auf die lokale Bevölkerung
und ihrer traditionellen Gebiete - immer nur den kurzzeitigen
Profit im Visier. Durch ihr skrupelloses Vorgehen wird auf
lange Zeit sowohl das Ökosystem “Mangrove“ sowie auch der




Küstenstreifen und somit die Nahrungsgrundlage der
Menschen vor Ort geschädigt. Folge dieser immensen
industriellen Massenzucht von Shrimps war, dass es Ende der
90er Jahre bereits zu einem ersten Zusammenbruch der
Population kam. Die Produktion fiel in manchen Ländern
Asiens um ¾ der Produktionsmenge. Das Wasser der Teiche
war derartig mit Fäkalien der Shrimps, Antibiotika zur
Lebenserhaltung der Tiere und anderer Chemikalien
kontaminiert, die dem Wasser zugesetzt worden sind, dass
sich am Grund der Teiche eine giftige Schlammschicht bildete.
Diese wurde von den Farmern in illegaler - aber in Thailand
auch legaler Weise - abgetragen und einfach auf die Teiche
umgebenen Dämme verfrachtet.

Der Schlamm wird hier zu einer Brutstätte von
Krankheitserregern und Seuchen. Dengfever, Thai-Fey-Fever,
bislang nur in Grenzregionen Thailand-Laos bekannt,
diagnostizieren Ärzte nunmehr auch in touristischen Regionen
an der Küste Thailands, übertragen durch die ständig
anwesenden ”Moskitos”, die sich ihre Brutstätten in den
offenen, kontaminierten Teichen als Brutstätte für ihre
Nachkommen organisieren.

Da die Teiche nach 3 bis spätestens 7 Jahren aus diesen
Gründen nicht mehr zu nutzen sind, werden sie einfach offen
gelassen. Die Farmbetreiber ziehen einfach ein Stück weiter in
den Mangrovenwald, roden wieder eine riesige Fläche, die sie
für ihre Anlagen brauchen und beginnen mit dem
zerstörerischen Kreislauf von vorne.

Anfang der 70er Jahre gab es weltweit noch 160.000 km2
Mangrovenwälder. Dieser Anteil ist mittlerweile, Stand heute
(Ende 2012), auf einen Drittel zusammengeschrumpft - zu
einem wesentlichen Teil aufgrund der Shrimp-Aquakultur-
Industrie. Auf den Philippinen beispielsweise werden ca. 39
km2 pro Tag vernichtet, in Thailand sind es 0,76 km2 pro
Tag. Für die Philippinen bedeutet das, dass bereits zwischen
den Jahren 1968 und 1990 70% der Mangrovenwälder zerstört
worden sind, in Thailand zwischen 1961 und 2010 mehr als
80%. Zwischen 1975 und 1985 hat es einen Anstieg der
Shrimp-Produktion um 30% gegeben und in den Jahren 1990
bis 2010 nochmals 420%. Bedingt durch den enormen
Konsum in den ehemaligen GUS-Staaten und dem
aufstrebenden China sind Shrimps als wesentlich größere
King-Prawns gefragt und Schätzungen gehen heute (Januar
2013) davon aus, dass es bis 2020 zu einem Anstieg um
nochmals 260% kommen wird. Das würde bedeuten, dass zu
diesem Zeitpunkt auf der Welt, vornehmlich in Asien,
insbesondere Thailand, etwa 4 Mio. Tonnen Shrimps
“geerntet“ werden, wovon etwa 2,5 Mio. Tonnen, also über die
Hälfte, aus Shrimp-Aquakulturen stammen. Die kleinen
Schalentiere verbringen ihr kurzes Dasein in freien
Teichanlagen oder im überdachten Betonpool. Und anders als
in der freien Meeresnatur müssen sie hier mit den
Artgenossen auf engstem Raum zusammensein.

Der schmackhafte Meeresgenuss - ein Cocktail aus
Schwermetallbelastung und Antibiotika

Das Leben auf engstem Raum hat zwei negative Folgen. Zum
einen stehen die Tiere unter Dauerstress. Die Folge: Das
Immunsystem leidet. Andererseits stellt die extreme
räumliche Nähe zwischen den Tieren eine Idealbedingung für
Erreger dar - Infektionen verbreiten sich im Nu. Fataler
Ausweg aus dem Dilemma: Die Shrimp-Züchter schütten
Antibiotika und Medikamente buchstäblich ins Wasser.
Dadurch landen die Stoffe nicht nur in der Nahrungskette. Sie
sorgen auch für eine stetig ansteigende Resistenz der Erreger
gegen diese Mittel. Irgendwann sind Wasser und Böden so
verseucht, dass den Züchtern nichts anderes übrig bleibt, als
abzuziehen. So “krabbelt“ die Shrimp-Industrie der tropischen
Küste entlang. In Asien sind ganze Reisfelder mit
Medikamenten und Viren verseucht.

Und wie reagieren die Landesregierungen?

Die Regierungen scheinen über die fatale Geldgier der
Shrimp-Industrie hinwegzusehen.

Alle? Nein, nicht ganz. Licht am Horizont scheint das jüngste
Gerichtsurteil einer Klage der Bewohner des kleinen Dorfes
“Kanchanaburi“ in Thailand zu geben. In dem Fischerdorf hat
ein industrieller Thaibetrieb seine 3.000 Tonnen “Giftmüll“,
bestehend aus Schwermetallbelastungen, Antibiotika- und
Medikamentenkontamination aus den Teichanlagen
abbaggern lassen und mit “freundlicher Genehmigung der
Anwohner“ - so der angeklagte Unternehmer - auf die Felder
und Grundstücke der Dorfanwohner verteilen lassen.

Zu erwartende Folge: „Ein großer Teil der Dorfbewohner erlitt
schwerste Vergiftungen, Folgekrankheiten oder starben“, so
Surachai Trong-Ngam, Anwalt der Dorfbewohner. Die Zeitung
“The Nation“ berichtet am 11. Januar 2013, dass die
Dorfbevölkerung nunmehr den jahrelang andauernden
Gerichtsprozess gewonnen hat und ein Shrimp-Züchter in einer
solchen Strafsache, erstmals in der Geschichte Thailands, zu
einer Geldstrafe in Höhe 3,8 Mio. Baht (100.000 Euro / Stand
Januar 2013) verurteilt wurde. Die Tageszeitung widmet
diesem Ereignis eine ausführliche Berichterstattung auf der
Titelseite. Sie veröffentlicht u. a. die Untersuchungsergebnisse
der Kontaminationskonzentration der Bewohner des Dorfes.
So wurden bei Kindern unter 6 Jahren 23,56 mcg/db, bei
Menschen im Alter zwischen 7 und 15 Jahren 28,30 mcg/db
und bei Personen über 16 Jahren 26,31 mcg/db
Gesamtbelastung im Blut gemessen. Das sind Werte, die über
dem 150- bis 210-fachen des thailändischen “Safe Standard“
sind, so die Zeitung.

Laut einer wissenschaftlich-statistischen Reportage des
thailändischen “Polution Control Department“ (PCD) aus dem
Jahre 2012 wurden gemäß eines
Jahresuntersuchungsberichtes 2011 in Krebsfleisch eine
Kontamination zwischen 10,98 und 28,2 mg/kg und bei
Krabbenfleisch 3,16 bis 26,15 mg/kg nachgewiesen.

Neben diversen Schwermetallbelastungen, wie Kadmium, Blei
und sogar Arsen stellte man das Antibiotikum
Chloramphenicol in exorbitant hoher Konzentration fest.

Das Medikament Chloramphenicol kann zur Folge haben,
dass der Körper keine roten Blutkörperchen mehr bildet,
sprich: Blutarmut. Chloramphenicol ist ein
Breitbandantibiotikum, das erstmals 1947 aus Streptomyces
venezuelae gewonnen wurde. Aufgrund als Nebenwirkung
auftretenden, potentiell lebensbedrohlichen aplastischen
Anämie sollte Chloramphenicol heute nur noch nach
sorgfältiger Abwägung als Reserveantibiotikum angewendet
werden. Hauptbehandlungsgebiete sind schwere, sonst nicht
zu beherrschende Infektionskrankheiten wie Typhus,
Paratyphus, Pest, Fleckfieber, Ruhr, Diphtherie und Malaria.
Zudem wirkt Chloramphenicol gegen Chytridiomykose, eine
für Amphibien tödliche und hoch ansteckende
Hautpilzerkrankung, die weltweit Amphibienpopulationen
dezimiert.

Chloramphenicol wird heute ausschließlich vollsynthetisch
produziert.

Der Einsatz von Chloramphenicol ist in der Humanmedizin
stark eingeschränkt. Hohe Dosen bewirken, dass das
Knochenmark weniger Blutzellen bilden kann - eine
Nebenwirkung, die einige Wochen nach Absetzen des
Medikamentes verschwindet. Unabhängig von der Dosierung
kann Chloramphenicol aber dazu führen, dass keine roten
Blutkörperchen mehr gebildet werden. Eine solche aplastische
Anämie verläuft in über 50% der Fälle tödlich.

“Zudem besitzt Chloramphenicol die Eigenschaft, schon in
äußerst geringen Dosen toxisch wirken zu können“, sagt
Ingrid Mai, klinische Pharmakologin vom Universitätsklinikum
Charité in Berlin.

In extrem hohen Dosen kann das Medikament sogar
schädigenden Einfluss auf das Erbgut haben. “Das zumindest
hat man experimentell nachgewiesen, bei Dosen, die um das
25-fache über der normalen Verabreichungsmenge lagen“,
sagt Christof Schäfer, Leiter der Beratungsstelle für
Embryonal-Toxikologie in Berlin. In seltenen Fällen, etwa bei
komplizierten Hirnhautentzündungen, werden auch in
Deutschland Patienten mit Chloramphenicol behandelt. Für die
Nahrungsmittelindustrie allerdings ist das Antibiotikum
hierzulande strikt verboten.

Für die Nahrungsmittel in den europäischen Staaten ist
Chloramphenicol zwar tabu, doch rund die Hälfte der
deutschen Importware stammt aus Thailand und Indien.
Spitzenreiter der Importware dieser kleinen Krustentiere ist
Spanien mit etwa 70% Importquote aus Thailand und Indien.
Da die Shrimps geradezu in einer Bakterien-Sauce
schwimmen, setzen die Züchter Chloramphenicol ein, um
diese Keime zu unterdrücken und Krankheiten zu verhindern.
Daneben sollen die Shrimps durch das Antibiotikum auch
schneller wachsen.

Aber das Problem beschränkt sich in Wirklichkeit nicht auf die
fernen Tropen. Gerade in Europa finden die Produkte regen
Absatz. Ass der Europäer vor gut 20 Jahren im Durchschnitt
400 g Shrimps jährlich, so verspeist er heute im Schnitt das
Dreifache - über 1,2 kg.

Infektionsfachleute klagen über Keime, die gegen nahezu
alle Antibiotika immun sind. Wie kann es dazu kommen?

Solche Antibiotikaresistenzen werden ohne Zweifel auch über
die Nahrung - also in diesem Fall über Shrimps - auf den
Menschen übertragen. Dann hilft womöglich im Notfall bei
lebensgefährlichen Infektionen kein Antibiotika mehr, und der
Mensch stirbt an einer eigentlich heilbaren Krankheit. Solche
Fälle häufen sich weltweit. (WHO, 1026/AB, 2010)

Wie reagieren die örtlichen Shrimp-Züchter auf das aktuelle
Gerichtsurteil und die Veröffentlichung ihrer Shrimp-
Industrialisierung?

Ich war in Khao Lak an der Westküste Thailands bei einem
der größten Aqua-Anlagenbetreiber. Leider war dort niemand
zu einem Interview bereit. Man hat mir jedoch, nachdem ich
mit den Fotoarbeiten begonnen hatte, drei seiner scharfen
Hunde „als Antwort“ geschickt. Glücklicherweise konnte ich mit
meinem Motorrad rechtzeitig die Flucht ergreifen.

Thailand-Shrimps können also zweimal eine Gefahr für die
Gesundheit sein. Einmal, wenn man sie verspeist und ein
anderes Mal, wenn man sie besichtigen will. Bei der
letztgenannten Gefahr nützt auch ein freundliches “Visitors
welcome“-Schild am Eingang der Industrieanlage nichts.

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Datum: 17.01.2013 - 12:24 Uhr
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Freigabedatum: 17.01.2013

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