AlixPartners Studie: German Machinery Industry 2012 Maschinenbau: Der schleichende Niedergang der deutschen Paradedisziplin
• Deutscher Maschinenbau verliert drastisch Weltmarktanteile
• Chinesische Maschinenbauunternehmen bauen ihre Position am Weltmarkt in rasantem Tempo aus
• Deutsche Ausgaben für Forschung und Entwicklung deutlich unter dem Niveau Chinas
• Chinesische Firmen vergrößern technologisches Know-how durch gezielte Übernahmen
• Deutsche Maschinenbauer müssen schnell reagieren, um Technologieführerschaft zu verteidigen und um Wachstumschancen zu sichern
(IINews) - Während sich die deutsche Maschinenbauindustrie nur langsam von der Krise des Jahres 2009 erholt, baut die Konkurrenz aus China in rasantem Tempo ihre Weltmarktführung aus. Laut einer aktuellen Studie von AlixPartners zur deutschen Maschinenbauindustrie rechnet das global tätige Beratungsunternehmen damit, dass die deutschen Maschinenbauer trotz eines weiterhin von Wachstum geprägten globalen Umfelds bis 2015 deutlich Marktanteile verlieren werden. China hingegen baut bei einem jährlichen Wachstum von durchschnittlich zwölf Prozent seinen Weltmarktanteil auf 38 Prozent aus. Zudem bedroht der Aufstieg der chinesischen Maschinenbauindustrie zunehmend die bislang unstrittige Technologieführerschaft der deutschen Hersteller: Durch Akquisitionen und hohe Forschungsmittel stößt China in das Premium-Hightech-Segment vor. Deutsche Maschinenbauer müssen durch eine erhöhte Präsenz in den Wachstumsmärkten, gezielte Forschung und Entwicklung sowie durch Akquisitionen reagieren.
Der Maschinenbausektor bleibt global gesehen auch in den kommenden Jahren ein Wachstumsmarkt. Bis 2015 wird der Sektor jährlich im Schnitt um drei Prozent auf ein Volumen von dann weltweit etwa 2,3 Billionen Euro wachsen. Von diesem Anstieg können die deutschen Maschinenbauer nicht profitieren. AlixPartners rechnet für den deutschen Maschinenbau mit einem kontinuierlichen Umsatzrückgang von jährlich durchschnittlich einem Prozent bis auf 221 Milliarden Euro 2015. Das entspricht einem Rückgang von neun Prozent gegenüber dem Höchststand im Jahr 2008.
In den vergangenen Jahren hatte der Maschinenbau als einer der wichtigsten Pfeiler der deutschen Wirtschaft noch maßgeblich zur wirtschaftlichen Erholung nach der Krise von 2009 beigetragen. 2011 lag der Gesamtumsatz mit 230 Milliarden Euro immer noch leicht unterhalb des Vorkrisenniveaus von 242 Milliarden Euro (2008) und 16 Prozent höher als 2010. Seit 2011 hat sich das Auftragswachstum in den meisten Maschinenbausegmenten allerdings wieder verlangsamt, in einigen Bereichen waren die Aufträge rückläufig. Für 2012 wird nur noch ein Wachstum von zwei Prozent erwartet. Damit ist die Aufholjagd zu Ende gegangen, ehe das Vorkrisenniveau wieder erreicht werden konnte.
Der „schlafende Riese“ ist aufgewacht
Ganz anders die Entwicklung in China: Die chinesische Maschinenbauindustrie verzeichnete in den vergangenen Jahren ein immenses Wachstum von jährlich durchschnittlich 29 Prozent. Die Umsätze chinesischer Maschinenbauer sind zwischen 2006 (160 Milliarden Euro) und 2011 (563 Milliarden Euro) um rund das dreieinhalbfache gewachsen. Für 2012 wird ein deutlicher Wachstumsschub von zwölf Prozent auf einen Umsatz von rund 631 Milliarden Euro erwartet – damit wäre der chinesische Maschinenbausektor knapp dreimal so groß wie der deutsche.
Bis 2015 dürfte die chinesische Maschinenbauindustrie mit einem jährlichen durchschnittlichen Wachstum von zwölf Prozent das Volumen auf etwa 890 Milliarden Euro ausbauen und ihren Anteil am Weltmarkt auf rund 38 Prozent erhöhen. Damit entspräche das Volumen des deutschen Maschinenbausektors nur noch etwa einem Viertel des chinesischen, während die beiden Konkurrenten 2007 noch in etwa auf demselben Niveau lagen.
„Der sinkende Anteil am Weltmarkt ist ein deutliches Zeichen dafür, dass sich der deutsche Maschinenbau in einer strategischen Krise befindet“, sagt Andy Beyer, Director bei AlixPartners. „Angesichts des rasanten Aufstiegs der chinesischen Konkurrenz neigen viele deutsche Hersteller zu einer vorsichtigen, fast schon ängstlichen Haltung und ziehen sich auf vermeintlich sicheres Terrain in den ihnen bekannten Märkten zurück. Das ist extrem gefährlich für die deutsche Technologieführerschaft in der Branche. Die Unternehmen müssen jetzt handeln.“
China erobert Marktsegmente und greift mit Akquisitionen nach technologischem Know-how
China konnte in den vergangenen Jahren seine Position als Exportland von Maschinenbauprodukten deutlich verbessern und ist in einigen Segmenten Weltmarktführer, unter anderem bei Lüftungstechnik, Bekleidungs- und Ledertechnik und bei Armaturen. Und auch in den anderen Bereichen holt China mit hohem Tempo auf: Erreichte das Land 2007 noch in zwölf von 32 Maschinenbausegmenten einen der ersten drei Plätze in der Exportstatistik, waren es 2011 schon 18 von 32 – ein Zuwachs um 50 Prozent. Besonders stark ist die Steigerung – noch – auf den Plätzen zwei und drei. Innerhalb der nächsten fünf Jahre ist davon auszugehen, dass chinesische Firmen in weiteren Segmenten die Führungsrolle übernehmen werden, zum Beispiel bei Bau- und Baustoffmaschinen, Holzbearbeitungsmaschinen und Fördertechnik.
Zwar kann Deutschland seine starke Position bislang noch halten – 2011 waren die deutschen Maschinenbauer in 29 von 32 Segmenten unter den Top drei (2007: 30), davon 16 Mal auf dem ersten Platz. Doch die starke Position bröckelt. Die chinesischen Maschinenbauer suchen gezielt nach Akquisitionen in Deutschland, um einerseits ihr Know-how zu stärken und andererseits Zugang zu den traditionellen Märkten in Europa und den USA zu bekommen. Bereits 2012 fand eine Rekordzahl von Transaktionen statt. Für die kommenden Jahre ist von einer weiter steigenden Zahl von Transaktionen auszugehen, insbesondere in den Segmenten Bau- und Baustoffmaschinen, verfahrenstechnische Maschinen und Werkzeugmaschinen.
Deutschland kann bei Forschungsinvestitionen nicht mithalten
Auch die Forschungs- und Entwicklungsleistung der deutschen Maschinenbauer wird mittelfristig nicht mit jener der Chinesen mithalten können. Allein die schiere Größe der chinesischen Volkswirtschaft und der Zugang zu Finanzmitteln in signifikanter Höhe wird die noch existierende technologische Lücke weiter schließen. Deutschland investiert zwar prozentual gesehen mehr Geld (circa drei Prozent des BIP) in Forschung und Entwicklung als China (rund zwei Prozent des BIP), in absoluten Zahlen wird China allerdings schon 2013 den doppelten Absolutbetrag investieren können wie Deutschland. Und dieser Abstand wird aufgrund der Dynamik des chinesischen Wirtschaftswachstums weiter wachsen. Noch gelten deutsche Firmen als globale Technologieführer in den meisten Segmenten und viele Unternehmen fokussieren sich auf das Premium-Hightech-Segment. Aufgrund ihrer Größe und den daraus resultierenden Skaleneffekten werden die chinesischen Firmen allerdings schnell dazulernen und in wenigen Jahren zu ihren deutschen Wettbewerbern aufschließen.
„Durch Akquisitionen deutscher und anderer europäischer Wettbewerber bauen die chinesischen Maschinenbauer gezielt ihr technologisches Know-how aus und verschaffen sich Zugang zum europäischen Markt“, erläutert Dr. Christian Axmann, Director bei AlixPartners. „Angesichts seiner Größe und den schier unendlichen Mitteln ist es nur eine Frage der Zeit, bis China nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ dominieren wird. Demgegenüber unternehmen die deutschen Maschinenbauer zu wenig, um von der massiv gestiegenen chinesischen Binnennachfrage optimal zu profitieren.“
Insgesamt stehen die deutschen Maschinenbauunternehmen angesichts des Aufstiegs der chinesischen Maschinenbauindustrie vor erheblichen Herausforderungen. Sie müssen schnell effektive Maßnahmen ergreifen, um die eigene Position zu sichern und auf den chinesischen Wettbewerbsdruck reagieren zu können.
Relevante Marktposition in China und anderen Wachstumsmärkten aufbauen
Die Präsenz in den Wachstumsmärkten ist die Grundvoraussetzung dafür, am globalen Wachstum teilzuhaben. China ist mit einem Marktvolumen von 508 Milliarden Euro (2010) der mit Abstand größte Markt für Maschinenbauprodukte – mehr als viermal so groß wie der deutsche und rund doppelt so groß wie der US-Markt. Die deutsche Maschinenbauindustrie ist aber noch immer primär ist China mit einem Exportanteil 2011 von 13,3 Prozent der größte Einzelabnehmer, insgesamt aber dominiert Europa mit einem Anteil am Export von 52,7 Prozent noch immer und liegt deutlich vor dem asiatischen Raum mit 29 Prozent. Nordamerika liegt bei den deutschen Exporten mit 9,3 Prozent auf dem dritten Platz, weitere Regionen machen neun Prozent aus. Damit bleibt Deutschland einer „alten“ Exportstruktur verhaftet, eine strategische Hinwendung zu den Wachstumsregionen findet nicht in ausreichendem Maße statt.
Zugleich ist Deutschland in den Premiumsegmenten besonders stark. Dort ist die Nachfrage aus den Schwellenländern beziehungsweise den größten Exportmärkten allerdings bei weitem nicht so hoch wie im mittleren Segment. Insofern ist von den deutschen Herstellern ein Paradigmenwechsel gefordert: weg vom reinen Fokus auf das Hightech-Segment. Für die Wachstumsmärkte sollten spezifische Produkte vor Ort erforscht und entwickelt werden, die den Bedürfnissen der lokalen Kunden entsprechen. Eine lokale Produktion in China und anderen Märkten haben zahlreiche deutsche Firmen schon aufgebaut, die Lokalisierung von Entwicklung, Produktionsbasis, Lieferketten und Vertrieb muss allerdings konsequent und mit mehr Einsatz fortgesetzt werden.
„Wenn die deutschen Maschinenbauunternehmen auch in Zukunft erfolgreich mit ihren chinesischen Wettbewerbern konkurrieren wollen, müssen sie in den Wachstumsmärkten präsent sein – nicht nur mit Produktionsstätten, sondern mit lokalisierter Entwicklung und lokalem Engineering. Nur so kann man maßgeschneiderte Lösungen für die dortigen Kunden bereitstellen“, mahnt Maschinenbauexperte Andy Beyer. „Um langfristige Kundenbeziehungen aufzubauen, müssen die deutschen Hersteller die Nachfrage nach Midtech-Produkten vor Ort erfüllen können. Die Midtech-Kunden von heute sind die Hightech-Kunden von morgen.“
Forschung und Entwicklung effizienter gestalten
Um mit den deutlich höheren Mitteln für Forschung und Entwicklung der Chinesen zu konkurrieren, müssen deutsche Abteilungen für Forschung und Entwicklung noch besser werden und die vorhandenen Mittel gezielt und zukunftsorientiert einsetzen. Dies bedeutet zum einen, die Forschung auf die wirklich relevanten und erfolgversprechendsten Gebiete zu konzentrieren – regelmäßiger Austausch der Ingenieure mit den Kollegen aus Marketing und Vertrieb ist dabei entscheidend. Zum anderen sollten die laufenden Forschungs- und Entwicklungsprojekte kontinuierlich durch das Management überwacht werden, um wenig aussichtsreiche Themen schnell zu stoppen. Organisation und Prozesse in der F&E-Abteilung sollten an die Erfordernisse angepasst werden.
Eigene Position durch globale Akquisitionen verbessern
Um in den globalen Rankings in den nächsten Jahren nicht nach hinten durchgereicht zu werden, sollten deutsche Maschinenbauer auch Akquisitionen in Erwägung ziehen. Die Formierung von nationalen oder europäischen Champions mag in einzelnen Maschinenbausegmenten eine Lösung sein. Die Übernahme von Wettbewerbern in Wachstumsmärkten scheint indes geeigneter, um globale Marktanteile zu verteidigen. Auch eine Übernahme von chinesischen Firmen sollte in Erwägung gezogen werden, insbesondere um im mittleren Marktsegment stärker präsent zu sein. Dabei müssen potenzielle Übernahmekandidaten genau analysiert, Risiken abgewogen und Szenarien für die Integration detailliert durchgespielt werden.
Profit- und Cash-Potenziale des Unternehmens optimal ausschöpfen
Das Unternehmen für die Zukunft optimal aufzustellen ist eine Grundvoraussetzung für die deutschen Maschinenbauer, um künftig im globalen Wettbewerb zu bestehen. Neben der reinen Ergebnisoptimierung kommt es für die Maschinenbauer vor allem darauf an, die Cash-Position durch Optimierung der Working Capital Struktur und weitere bilanzorientierte Maßnahmen zu verbessern. Wie in allen Krisenzeiten gilt auch hier: „Cash is King“.
„Die deutschen Maschinenbauer können nur mit einem Bündel an Maßnahmen angemessen auf die Herausforderung reagieren. Die richtige Zusammensetzung hängt nicht zuletzt vom jeweiligen Maschinenbausegment ab, da die einzelnen Segmente dem chinesischen Wettbewerb unterschiedlich ausgeliefert sein werden. Entscheidend ist, jetzt den geeigneten Mix zu definieren und zügig umzusetzen“, resümiert Dr. Christian Axmann.
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AlixPartners steht als global tätiges Beratungsunternehmen für die ergebnisorientierte Unterstützung namhafter Unternehmen in komplexen Restrukturierungs- und Turnaroundsituationen und für die Umsetzung anspruchsvoller Ertragssteigerungsprogramme. Branchenexpertise und weitreichende Erfahrung in Geschäftsprozessen in Verbindung mit tiefgreifendem Know-how der finanziellen und operativen Restrukturierung ermöglichen es AlixPartners, auf Herausforderungen in Konzernen, Großunternehmen sowie bei mittelständischen Unternehmen einzugehen. In zahlreichen Fällen haben erfahrene Manager von AlixPartners bei herausfordernden Unternehmenssanierungen interimistisch Führungsfunktionen übernommen.
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Datum: 29.11.2012 - 12:23 Uhr
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