WAZ: Neues vom obersten Wutdichter
- Kommentar von Jens Dirksen
(ots) - Es war selbstverständlich doch nicht "mit letzter
Tinte", mit der sich Günter Grass da kurz vor Ostern zu Wort gemeldet
hat. Der weltweite Wirbel, den er mit seinem als Gedicht verkleideten
Leitartikel auslöste, ließ ihn womöglich glauben, er sei damit
tatsächlich den Israelis beim vermeintlichen atomaren Erstschlag
gegen den Iran in den Arm gefallen. Tatsächlich aber dürfte
Deutschlands prominentester Wutdichter vor allem die
Einflussmöglichkeiten deutscher Politiker in Israel beschnitten
haben. Nun folgt also, kurz vor Pfingsten, der zweite Streich. Als
Gedicht, als rhythmische Kunstform ist "Europas Schande" mit seinen
anapästischen Vierhebern wesentlich besser gelungen als der Vorgänger
"Was gesagt werden muss". Es kratzt alle historischen und moralischen
Argumente dafür zusammen, dass Europa Griechenland nicht im Stich
lassen darf. Mit Anspielungen auf Goethes Humanitätsdrama
"Iphigenie", auf deutsche Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg
ausgerechnet mit Gedichten des Griechenverehrers Hölderlin im
Tornister Griechenland unterwarfen. Dass das den Griechen geliehene
Geld den Banken dieser Welt die Tresore füllt - Grass hat ja recht.
Aber er vergisst, wieder einmal, die andere Seite: Die Tatsache, dass
es sich etliche Griechen mit dem geliehenen, in den Ritzen eines
schlecht organisierten Staates versickernden Geld gut gehen ließen,
das verschweigt er.
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Datum: 25.05.2012 - 19:27 Uhr
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