DER STANDARD-Kommentar: "Der Banker, dein Feind" von
Eric Frey
(ots) - Noch selten hat der Rücktritt eines Managers so viel
Aufsehen erregt wie Greg Smiths Abschied von Goldman Sachs. Smiths
Knaller war ein Gastkommentar in der New York Times, in dem er der
mächtigsten Investmentbank der Welt vorwarf, die Interessen ihrer
Kunden für den eigenen Profit zu opfern.
Wirklich neu ist diese Botschaft nicht. Spätestens seitdem vor zwei
Jahren bekannt wurde, dass Goldman kurz vor dem Platzen der
Immobilienblase einigen Kunden hochspekulative Wertpapiere verkauft
hat, gegen die die Bank dann gemeinsam mit einem Hedgefonds wettete,
ist bekannt, wie Goldman seine Geschäftspartner behandelt. Aber
gerade deshalb sind Smiths Enthüllungen so brisant: Ein Insider
bestätigt, was an der Wall Street längst geflüstert wird. Die
Betrugsvorwürfe der US-Börsenaufsicht konnte Goldman mit einer
Zahlung von 550 Millionen Dollar entschärfen. Der jüngste
Reputationsverlust könnte für die Bank noch teurer werden.
Smith macht das jetzige Goldman-Management unter Lloyd Blankfein für
den Verlust der Integrität verantwortlich und schwärmt von einer
Zeit, in der die Bank noch alles für die Zufriedenheit ihrer Kunden
tat. Doch der massive Interessenkonflikt zwischen Bank und Kunden ist
weder auf die Wall Street beschränkt noch ein Auswuchs eines
Jahrzehnts der Gier. Es liegt in der Natur der Finanzindustrie, dass
Anbieter selten das gleiche Ziel verfolgen wie Kunden, sondern sich
auf deren Kosten bereichern wollen.
Auch ein Autohändler strebt nach möglichst hohen Gewinnmargen. Aber
wenn der Wagen gut fährt, dann nimmt der Käufer das gerne hin. Bei
Finanzprodukten ist die Rendite der einzige Nutzen. Und die Gewinne
der Finanzindustrie - Produzenten wie Vermittler - entstehen vor
allem dadurch, dass sie vom Profit des Kunden möglichst viel
abschneiden.
Dass das so leicht geht, liegt auch daran, dass man meist nicht im
Vorhinein weiß, wie viel am Ende herausschauen wird. Durch das Risiko
lassen sich Provisionen und Gebühren pro-blemlos verstecken. Gerade
Produkte, die dem Kunden das Risiko abnehmen, sind dafür gut
geeignet.
Dazu kommt das Problem der asymmetrischen Information: Der Bankkunde
weiß über das angebotene Produkt stets weniger als sein Berater. Das
gilt auch für Patienten. Aber Ärzte schneiden zum Glück nicht bei
jeder Arznei oder Behandlung direkt mit; und oft gibt es bei der
Gesundheit objektive Kriterien für das, was verschrieben werden darf
und soll. Im Finanzmarkt fehlt dieser neutrale Katalog.
So wie Goldman-Kunden wurden auch Anleger in Österreich von Banken
und Geldberatern über den Tisch gezogen oder zumindest schlecht
bedient. Bei Goldman aber sind die Opfer selbst große Institutionen.
Diesen Interessenkonflikt aufzulösen ist vor allem die Aufgabe der
Gerichte, die auch in Österreich in den letzten Jahren eine Art
zivilrechtliche Produkthaftung eingeführt haben. Aber auch die EU
bemüht sich, mit neuen Regeln die Transparenz und Fairness bei
Finanzprodukten zu erhöhen - Stichwort Mifid II. Aber ganz kann das
nie gelingen.
Die Hauptverantwortung wird daher auch in Zukunft bei den Kunden
selbst liegen. Sie müssen auf der Hut sein und dürfen nicht aus Gier
den Versprechen der Banker glauben. Wer Smiths Philippika liest, dem
drängt sich nämlich eine Frage auf: Warum hat eine böse Bank wie
Goldman nicht längst alle ihre Kunden verloren?
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
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Datum: 15.03.2012 - 18:24 Uhr
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"Die harte Kritik an Goldman Sachs zielt auf ein Grundproblem der Finanzindustrie"; Ausgabe vom 16.0
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