Von Hightech-Soldaten und smarten Waffen
Nanotechnologie begegnet uns schon heute überall im Alltag und weckt für morgen zahlreiche Hoffnungen. Sie verändert unsere Art zu leben, zu arbeiten und zu denken. Aber sie könnte auch den Menschen selbst verändern – weit über sein natürliches Maß hinaus. Und wenn ein technisch aufgerüsteter „Mensch 2.0“ denkbar ist, gibt es dann bald auch einen Hightech-Soldaten?
(IINews) - Naturwissenschaftler, Philosophen und Theologen diskutierten ethische Herausforderungen, die sich aus dem Gebrauch oder Missbrauch von Hochtechnologien ergeben, durchaus kontrovers auf der Konferenz „SIZE MATTERS 2011 – Nanotechnologie: Verbesserung des Menschen?“. Die Konferenz wurde vom Saarbrücker Verein cc-NanoBioNet veranstaltet. Im Zentrum stand die Frage, ob Hochtechnologien ein sogenanntes „Human Enhancement“ ermöglichen und was das für unsere Gesellschaft bedeutet. Gemeint ist mit diesem Begriff die Steigerung der kognitiven und physischen Leistungsfähigkeit des Menschen über das natürliche Maß hinaus.
Nano-Militär: Realität, Visionen und Spekulationen
Keine Entwarnung, aber eine Klarstellung vorweg: Militärische Anwendungen der Nanotechnologie sind selten. In Deutschland beispielweise gibt es kein speziell militärisches Nano-Forschungsprogramm. Das ist in den USA anders. Der Rüstungskontrollexperte und Physiker Dr. Jürgen Altmann von der Technischen Universität Dortmund und Autor eines der wenigen Bücher zu diesem Thema, stellte auf der SIZE-MATTERS-Konferenz Zahlen vor: „Die US-Regierung gibt jährlich ca. 460 Millionen US-Dollar für die militärische Nano-Forschung aus. Das entspricht etwa einem Drittel bis einem Viertel des gesamten Nano-Forschungsbudgets in den USA.“ Und Altmann weiter: „Russland, China und Europa geben auf jeden Fall weniger aus als die Vereinigten Staaten, die Schwellenländer Indien, Brasilien und Südafrika sitzen in den Startlöchern.“
Konkrete Forschungs- und Entwicklungsprojekte seien beispielsweise energieabsorbierende Materialien für schusssichere und dabei leichte Kampfanzüge, Sensoren, die toxische Kampfmittel identifizieren, verbesserte Batterien für tragbare Kommunikationssysteme – alles in allem dienen diese Anwendungen dem Schutz des Soldaten und stellen keine ethische Herausforderung dar.
Müssen wir uns also doch nicht vor Hightech-Soldaten oder neuen Superwaffen fürchten? Gibt es keine reale ethische Fragestellung in Bezug auf Nano und Militär? In der Zukunft schon, so Altmann. Denkbar seien „… Soldaten, die durch „Human Enhancement“ sieben Tage nicht schlafen oder lange Zeit ohne Kalorien auskommen können.“ Und Altmann verweist auf die durch Nanotechnologie ermöglichte kostengünstige Miniaturisierung von Kampfmitteln sowie auf eine neue Generation von biochemischen Waffen, die Freund und Feind unterscheiden könnten, ihren Gegner gezielt erkennen und ausschalten. Ein ernstes Rüstungskontrollproblem sieht Altmann in 20 bis 30 Jahren, wenn die zivile Nanotechnologieforschung weiter fortgeschritten ist. Dann könne die bisherige Art der Rüstungsbegrenzung in Frage gestellt werden, so dass grundsätzliche Änderungen im internationalen System nötig würden. Dann aber sollte die Gesellschaft vorbereitet sein und deshalb müsse die Debatte darüber jetzt beginnen.
Zivilisierte Staaten und ziviler Terror
Kontroverse Ansichten vertrat Prof. Dr. Uwe Wiemken, Leiter des Fraunhofer Instituts für Naturwissenschaftlich-Technische Trendanalysen in Euskirchen. Er sieht die Gefahren militärischer Nanotechnologie-Anwendungen weniger von Staaten ausgehen, die in ein Geflecht aus Verträgen und Rüstungskontrollabkommen eingebunden sind. Auch sieht er aus rein finanziellen Gründen kurzfristig keinen „modifizierten und unverwundbaren Supersoldaten“. Das traditionelle Kriegsbild sei in den letzten Jahrzehnten immer unwahrscheinlicher geworden. Ein herkömmlicher Krieg, mit dem Ziel einer Besetzung, sei heute schlicht zu teuer und zu unkalkulierbar. Zwischen demokratischen Staaten gebe es Abkommen, Verträge und Regeln. Außerdem eine Opposition und Presse, unter deren Kontrollen eine jahrelange geheime Militärforschung kaum möglich sei. Die Konsequenzen, sollte eine solche Forschung entdeckt werden, seien für den gesamten Staat unkontrollierbar.
Der Wissenschaftler vermutet die wahren Gefahren eher im Hightech-Terrorismus: „Der eingeschlagene Weg wird weiter gehen. Die sich entwickelnden technischen Möglichkeiten fördern ein Auseinanderbrechen der globalen Gesellschaft in eine pluralistische Vielzahl neuer „sozialer Cluster“ mit einer eigenen Handlungsethik“. Mit anderen Worten: Kleine Gruppen, die sich an keine Norm gebunden fühlen, aber dennoch Zugang zu Hightech-Waffen erhalten und auch gewillt sind, diese einzusetzen.
Hier könnten schwer vorhersehbare Konfliktformen entstehen, deren Lösung mit Krieg und Gewalt erzwungen werden könnten. Ziel seien deshalb Transparenz und Diskussionen über den gesellschaftlichen Wandel, verbunden mit gemeinsam erarbeiteten Wertevorstellungen. Welche Rolle in diesen neuen Konfliktformen die militärische Gewaltanwendung spielen werde, sei kaum vorherzusagen. Frühzeitig müssten jedoch Regelwerke in Gesetzesform geschaffen werden, so Wiemken.
Von der Selbstbeschränkung zu internationalen Abkommen
Auch die Möglichkeiten, Risiken der Nanotechnologie speziell im Militärbereich zu vermeiden, wurden diskutiert: Alle Beteiligten gehen davon aus, dass die Entwicklung in der Nanotechnologie mit sehr großen wirtschaftlichen Erwartungen verbunden ist und dass in Zukunft mit einem starken Kreativschub und hoher Dynamik zu rechnen ist. Was gemacht werden kann, wird in der Regel gemacht. Die Wissenschaftler wissen aus Erfahrungen der Vergangenheit: Solange die langfristigen Folgen einer Technologie in Bezug auf Anwendungsoptionen nicht eindeutig absehbar sind, ist in erster Linie ein früher Diskurs erforderlich, mit dem Ziel, Problembewusstsein in der Gesellschaft zu erzeugen. In einigen Fällen kann es sinnvoll sein, sich selbst für solange Zurückhaltung in Forschung und Entwicklung aufzuerlegen, bis die Folgen des eigenen Tuns klarer abzuschätzen sind. Später müssen dann staatliche und internationale Regeln folgen.
In vielen Ländern gibt es heute ein Verbot für biologische und chemische Waffen. Das Verbot hält. Altmann weiß, dass heute bereits auch präventive Rüstungskontrollen existieren. Die Nanotechnologie sei einbezogen, sofern die dadurch ermöglichten Anwendungen unter solche Anwendungen fielen, also z. B. eine Nanotechnologie-basierte neuartige Waffe. Hier sei vor allem die Erweiterung des Übereinkommens durch ein Einhaltungs- und Überprüfungsprotokoll gefordert, so der Militärexperte. Für die durch die Nanotechnologie ermöglichten neuen Waffen hält Altmann vereinbarte, internationale Begrenzungen für nötig. „Es sollte ein Moratorium gegen Körperimplantate, die nicht medizinisch nötig sind, geben“. Auch miniaturisiertes Selbstbewegliches, wie beispielsweise Mikrodrohnen, muss seiner Meinung nach reglementiert werden.
Dass die gesellschaftliche Debatte über die ethischen Implikationen der Nanotechnologie geführt wird, dafür setzt sich der Verein cc-NanoBioNet e. V., Organisator der Saarbrücker Konferenz ein: Rechtzeitig will man auf mögliche Folgen und Auswirkungen der Nanotechnologie im Zusammenleben in der Gesellschaft hinweisen.
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Der cc-NanoBioNet e. V. ist ein führendes Nano- und Biotechnologie-Netzwerk in Deutschland. Das Netzwerk zählt ca. 120 Mitglieder, darunter Unternehmen, Institutionen, Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Kliniken. Ihr gemeinsames Interesse gilt der Förderung der Nano- und Biotechnologie in Forschung, Entwicklung, Bildung und Anwendung in allen Branchen. cc-NanoBioNet ist Dialogpartner für die breite Öffentlichkeit und Aufklärungsinstanz zu allen Fragen rund um die Nano- und Biotechnologie. Das cc-NanoBioNet ist Partner der Initiative „KompetenznetzeDeutschland“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Mehr über cc-NanoBioNet unter www.nanobionet.de
cc-NanoBioNet e. V.
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Datum: 03.11.2011 - 13:58 Uhr
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