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Der Einfluss der Darmbakterien auf den Stoffwechsel und das Risiko chronischer Krankheiten war Thema

ID: 463718

(ots) - Der Fläche nach ist der Darm das größte Organ des
Menschen. Die darin angesiedelten Darmbakterien machen etwa ein
Kilogramm des menschlichen Körpergewichtes aus. Sie neutralisieren
Toxine, verdrängen pathogene Keime, stellen Enzyme bereit und
unterstützen die Verdauung. Zirka im dritten Lebensjahr ist die
Darmflora voll ausgebildet. Sie geht mit dem Menschen durch alle
gesundheitlichen Höhen und Tiefen und wirkt sich so auch auf unser
Wohlbefinden aus. Das IDE griff mit dem diesjährigen
wissenschaftlichen Workshop "In uns: ein interaktiver Mikrokosmos" am
19./20. Mai 2011 in Potsdam-Rehbrücke ein Thema ganz am Puls der
internationalen Forschung auf.

Der Mikrokosmos im menschlichen Darm beeindruckt mit starken
Zahlen. Prof. Dr. Michael Blaut, Leiter der Abteilung
Gastrointestinale Mikrobiologie am Deutschen Institut für
Ernährungsforschung (DIFE) stellte einige davon vor: Mit ca. 100
Billionen Zellen hat die Darmflora zehnmal mehr Zellen als der Mensch
sonst noch besitzt. Sie hat außerdem 100 Mal mehr Gene. Über 400
Spezies gehören zu ihrem Artenspektrum und dennoch ist sie von Mensch
zu Mensch individuell. Diese Zusammensetzung wird maßgeblich von
Ernährungseinflüssen geprägt. Mit steigendem Alter erhöht sich die
Vielfalt der vorhandenen Bakterienstämme. Gleichzeitig reagiert die
Darmflora empfindlicher gegenüber Erkrankungen und Medikamenten.

Heute ist nachgewiesen, dass einige chronische Krankheiten mit
einer veränderten Zusammensetzung der Darmbakterien einhergehen.
Probiotika hingegen können diese positiv beeinflussen. Es gibt
mittlerweile so gute wissenschaftliche Nachweise, dass Probiotika vor
kurzem in die Leitlinien zum Reizdarmsyndrom (RDS) der Deutschen
Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten aufgenommen
wurden (1). Wie Prof. Dr. Remy Meier, Medizinische Universitätsklinik




Kantonsspital Liestal, in seinem Vortrag betonte, unterscheidet sich
die Ökologie der Darmflora von Reizdarmpatienten von der gesunder
Menschen. Gastrointestinale Infektionen, entzündliche Abläufe im Darm
und Antibiotikatherapien sind weitere Risikofaktoren für die
Verstärkung von RDS-Symptomen. "Probiotika stellen eine interessante
Therapieoption zur Verbesserung der Symptome dar: Abhängig von der
Art des eingesetzten Bakterienstammes erhöhen sie z.B. die Masse der
Stuhlbakterien, reduzieren die bakterielle Überwucherung im Dünndarm,
beschleunigen die Darmpassage oder reduzieren Blähungen und
Schmerzen", so Prof. Dr. Meier unter Bezugnahme auf eine Metaanalyse
mit 19 Studien zum Nutzen von Probiotika bei insgesamt 1.668
Reizdarmpatienten (2).

An der positiven Wirkung der Probiotika könnten folgende
Eigenschaften maßgeblich beteiligt sein: Sie modulieren die
entzündliche Antwort bei Reizdarmpatienten. Zudem verhindern sie das
Andocken pathogener Keime, verändern die Zusammensetzung der
Darmbakterien, kontrollieren die Bakterien durch selbstproduzierte
Eiweißverbindungen und haben Effekte auf die Signalübermittlung zum
Immunsystem. Zu beachten ist jedoch, dass probiotische
Bakterienstämme spezifisch wirken.

Ein ganz junges Forschungsfeld eröffnete Prof. Dr. Stephan C.
Bischoff, Universität Hohenheim in Stuttgart, auf dem Workshop: Neue
Studien bestätigen erstmals Zusammenhänge zwischen der Darmflora und
dem metabolischen Syndrom. So unterscheidet sich zum Beispiel die
Darmflora von Adipösen und Normalgewichtigen durch unterschiedliche
Bakteriengruppen und eine reduzierte Vielfalt der Bakterienstämme
(3). Die Verschiebung der Hauptstämme führte in einer Studie mit
zwölf Normalgewichtigen und neun Adipösen zu einer um 150 kcal
erhöhten Energieausbeute bei den Adipösen(4). Wie Probiotika in das
System der Energieausbeute, der Körperfettbildung oder auch der
gestörten Insulinsensitivität eingreifen, ist jedoch wegen fehlender
Humanstudien derzeit noch offen.

Weitere Referenten schilderten Aktuelles zu den
Kommunikationssignalen zwischen intestinaler Mikrobiota und
Immunsystem, zur Bedeutung der Darmflora bei der Entstehung und
Prävention von Allergien bzw. Darmkrebs sowie zu den Chancen der
Probiotika in der Kinderheilkunde. Prof. Dr. Günther Wolfram,
Präsident des IDE, dankte dem Kooperationspartner Deutsches Institut
für Ernährungsforschung, den Referenten und Journalisten für die
bereichernden fachlichen Diskussionen. "Uns als gemeinnütziges
Institut freut es außerordentlich, wenn unser Workshop zum
wiederholten Mal ein anerkanntes Forum zur Präsentation und
Diskussion von aktuellen wissenschaftlichen Informationen durch
Forscher ist." Ein Bericht mit wissenschaftlichen Kurzfassungen zu
allen Vorträgen kann kostenlos angefordert werden. Der ausführliche
Kongressbericht wird 2012 veröffentlicht.

Fakten und Mythen zur Darmflora

Fakten:

1. Der Darm ist der Fläche nach das größte Organ des Menschen. Mit
bis zu neun Meter Länge ist der Darm das größte Organ unseres
Körpers. Die Darmschleimhaut ist stark gefaltet und mit vielen
fingerförmigen Ausstülpungen, den Darmzotten, versehen. Dadurch
entsteht eine Oberfläche von über 200 Quadratmetern. Zum Vergleich:
200 Quadratmeter entsprechen etwa der Fläche eines Tennisplatzes.

2. Die Darmflora besteht aus über 500 verschiedenen
Bakterienspezies, mit ca. 100 Billionen Organismen und ca. 1 kg
Gewicht. Der Mensch hat 10 Mal mehr Bakterien im Darm hat als
Körperzellen.

3. Die Zusammensetzung der Darmflora variiert von Mensch zu
Mensch. Die Darmflora variiert in ihrer Bakterienzusammensetzung
sowohl in den verschiedenen Darmabschnitten als auch zwischen
einzelnen Individuen. Sie befindet sich außerdem zu ständig im Umbau,
d. h. Bakterien sterben und wiederum andere Bakterien vermehren sich
oder es kommen neue über die Ernährung hinzu. Darüber hinaus
verändert sich die Darmflora auch im Laufe des Alterns, in
Abhängigkeit von der Ernährung, unter Stresseinwirkung und bei
Verwendung bestimmter Medikamente wie z. B. Antibiotika.

4. Die Darmflora hilft bei der Abwehr von unerwünschten Bakterien.
Darmbakterien sind ein wichtiger Partner des Immunsystems. Die
Bakterien der Darmflora hemmen die Ansiedlung unerwünschter Bakterien
und produzieren z.B. Abwehrstoffe gegen schädliche Bakterien.
Außerdem stimulieren die Bakterien der Darmflora das darmassoziierte
Immunsystem und trainieren damit das gesamte Immunsystem.

5. Die Darmflora hilft die Nahrung zu verwerten und liefert dem
Körper dadurch wertvolle Substanzen. Die Darmbakterien helfen dabei,
bestimmte Bestandteile der Nahrung, wie z.B. Ballaststoffe, zu
verwerten. Außerdem übernehmen sie eine wichtige Rolle bei der
Herstellung von Vitaminen, die die für den Körper lebensnotwendig
sind.

Mythen:

1. Probiotika machen "abhängig".

Es gibt keine Gewöhnungseffekte für Probiotika, weil sich
probiotische Kulturen nicht dauerhaft im Darm ansiedeln können.

2. Der Darm ist steril.

Der Darm ist bis zur Geburt frei von Keimen. Bereits mit der
Geburt beginnt die Besiedlung durch Bakterien der mütterlichen Flora
im Geburtskanal. Bei Kindern, die per Kaiserschnitt zur Welt kommen,
etablieren sich vorwiegend Hautkeime der Mutter bzw. des
Klinkpersonals oder Umgebungskeime. Nach etwa drei Jahren ähnelt die
Darmflora des Kindes der von Erwachsenen.

3. Täglicher Stuhlgang ist Pflicht.

Diese Behauptung ist bereits lange überholt. Solange der Stuhlgang
regelmäßig und ohne Probleme erfolgt ist es auch normal, täglich oder
auch nur 2-3 mal pro Woche zu "müssen". Abhängig davon wie viel und
was gegessen wird, ob Mann oder Frau - die Verdauung kann individuell
variieren.

4. Antibiotika eliminieren nur schädliche Bakterien.

Die Wirkung von Antibiotika ist nicht nur auf die schädlichen
Bakterien beschränkt, sondern kann die Zusammensetzung der Darmflora
verändern. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass - je nach Art des
Antibiotikums - diese Veränderungen auch nach mehreren Monaten noch
nachweisbar sind.

5. Der Darm muss regelmäßig entgiftet werden, da sonst Schlacken
entstehen.

Im Stoffwechsel des Menschen fallen keine Schlacken an. So erklärt
die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) in einer
ernährungswissenschaftlichen Beurteilung, dass in einem gesunden
Körper keine Ansammlungen von Schlacken oder sonstigen Ablagerung von
Stoffwechselprodukten existieren(5). Vielmehr werden nichtverwertbare
Stoffe bei ausreichender Flüssigkeitszufuhr über den Darm und die
Nieren ausgeschieden.

Zitierte Literatur

1) S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom: Definition, Pathophysiologie,
Diagnostik und Therapie. Gemeinsame Leitlinie der Deutschen
Gesellschaft für Verdauung und Stoffwechselkrankheiten (DGVS)
und der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie und
Motilität (DGNM); publiziert in: DOI http://dx.doi.org/10.1055/
s-0029-1245976 Published online 1.2.2011; Z Gastroenterol 2011;
49: 237-293
2) Moayyedi P, Ford AC, Talley NJ, et al (2010) The efficacy of
probiotics in the treatment of irritable bowel syndrome: a
systematic review. Gut 2010; 59: 325-32.
3) Bäckhed, F (2010): Clin Exp Immunol 160: 80-84
4) Jumpertz R, Le DS, Turnbaugh PJ, Trinidad C. et al:
Energy-balance studies reveal associations between gut
microbes, caloric load, and nutrient absorption in humans. Am J
Clin Nutr. 2011 Jul; 94(1):58-65.
5) DGEInfo 02/2005
http://www.dge.de/modules.php?name=News&file=article&sid=468
(aufgerufen am 16.08.2011)

IDE - Workshop

Der IDE-Workshop wird jährlich in Kooperation mit einem
renommierten wissenschaftlichen Institut auf den Gebieten Ernährung
und Gesundheit für Fachjournalisten ausgerichtet. Den 13. Workshop
veranstaltete das IDE in Kooperation mit dem Deutschen Institut für
Ernährungsforschung (DIFE), Abteilung Gatsrointestinale
Mikrobiologie, in Potsdam-Rehbrücke.

Das Institut Danone Ernährung für Gesundheit e.V. Das 1992
gegründete Institut ist eine unabhängige Einrichtung, die ausgewählte
Forschungsprojekte im Bereich Ernährungswissenschaft und
Ernährungsmedizin fördert und für verschiedene Zielgruppen aktuelle
werbefreie Materialien für die Ernährungsaufklärung erstellt.
Eingebunden in ein internationales Netzwerk bietet das IDE
Wissenschaftlern, Ärzten, Pädagogen und allen Interessierten eine
Plattform für den Austausch sowie Zugriff auf aktuelle
ernährungswissenschaftliche, psychologische und medizinische
Erkenntnisse.



Pressekontakt:
Institut Danone für Ernährung e.V.
Richard-Reitzner-Allee 1
85540 Haar
Email: kontakt(at)institut-danone.de
www.institut-danone.de

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60314 Frankfurt am Main
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Tel.: 069/ 40 57 02 - 261
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Datum: 18.08.2011 - 10:26 Uhr
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