Angewandte Forschung zur Effizienzsteigerung bei Virtuellen Internationalen Teams (VIT)
(IINews) - Hintergrund und Anlass der Untersuchung
Im heutigen Geschäftsleben werden viele Dinge virtuell erledigt. In
Call-Centern, Projekt- und Management-Teams, in Abteilungen und
Schnittstellen-Teams arbeiten die Menschen zusammen, ohne
/>
physisch an einem Ort zu sein, sehr oft auch ohne sich überhaupt zu
kennen. Gleichzeitig gehören in realen Teams Maßnahmen wie
/>
Teamentwicklungen fast schon zum Standard. Bei virtuellen Teams
auch? Und wenn nicht, funktioniert die Zusammenarbeit trotzdem?
Im Laufe unserer Beratungsarbeit stellten wir fest, dass virtuelle
/>
Teams, besonders aber virtuelle internationale Teams (VIT),
besonderen Herausforderungen gegenüber stehen. Zum Faktor der
zwangsläufig indirekten Kommunikation und den damit verbundenen
Gefahren kommt hier noch die Tatsache, dass sich die
Teammitglieder nicht nur nicht kennen oder sich nicht persönlich
/>
begegnen, sondern zum Teil aus völlig unterschiedlichen Kulturen
stammen und damit verbunden völlig andere Verhaltensstandards
und –weisen innehaben.
Durch eine umfassende qualitative Analyse wollten wir mehr über
diese Herausforderungen und deren Bewältigung erfahren. Konkret
waren die Ziele unserer Erhebung, die Erfolgsfaktoren und
Fehlerquellen bei VITs zu identifizieren, daraus
Maßnahmen zur Effizienzsteigerung in VITs abzuleiten und Schritte
zum Erfolg eines VIT zu konzeptionieren.
Forschungsgrundlage und Stichprobe
Befragt wurden 6 Teams à 12-23 Mitglieder, die in insgesamt 5
/>
Unternehmen aus verschiedenen Industriezweigen (Bankenwesen,
IT/Telekommunikation/Netzanbieter, Produktion, Chemische
Industrie, Vertrieb) arbeiteten. Kriterium für die Auswahl der
befragten Teams war, dass die Mitglieder in unterschiedlichen
/>
Ländern an der gleichen Aufgabe arbeiten sollten.
Mit jedem Teammitglied führten wir telefonische standardisierte
/>
Interviews anhand eines Fragebogens durch. Jedes Teammitglied
erhielt im Anschluss eine individuelle Rückspiegelung der Ergebnisse.
Diese wurden vertraulich behandelt. Aus den Interviews wurden
/>
Annahmen über Auffälligkeiten innerhalb des Teams abgeleitet. Aus
dem Gesamtergebnis wurden ebenfalls Hinweise und Muster der
/>
Zusammenarbeit abgeleitet.
Ergebnisse
Die Ergebnisse unserer Analyse gliederten wir grob in die
Themenbereiche
Ziele, Informationsfluss, Technologie, kulturelle Vielfalt, Vertrauen,
Feedback, Identität, Konflikt, Führung, Veränderung. Diese werden
im Folgenden vorgestellt.
1.Ziele
Ziele sind sehr wichtig im Hinblick auf die Zusammenarbeit in VITs.
Das ist eine zentrale Erkenntnis unserer VIT-Studie. In den meisten
Fällen waren die interviewten Teammitglieder in der Lage, ihre
/>
individuellen Ziele darzustellen. Die meisten Teams wussten, warum
sie existierten, wobei oft klare, messbare, “SMARTe” Teamziele
/>
fehlten. Dies führt zu einer höheren Identifikation mit ihren
individuellen Zielen und dem eigenen regionalen Hintergrund. Diese
Individualisierung und Regionalisierung schien jedoch nicht die
/>
Intention der Führungskräfte zu sein, sondern stellte sich als Ersatz
für fehlende Teamziele heraus.
2.Informationsfluss
Da in VITs der Informationsbedarf nicht in Meetings gedeckt werden
kann und auch der informelle Informationsaustausch zwischendurch
nicht möglich ist, sind diese sehr abhängig von gezielt und
strukturiert gegebenen Informationen. Die von uns befragten
Teammitglieder berichteten, dass in den meisten Fällen keine klare
Reglung für die Verteilung von Informationen bestand, weder
zwischen dem Management und den Teammitgliedern, noch zwischen
Teammitgliedern und deren lokalen Instanzen.
Die meisten Befragten fühlten sich nicht gut informiert und
berichteten außerdem, dass eine unüberschaubare
Informationsmenge über e-Mails und im cc an eine nicht näher
/>
definierte Adressatengruppe verschickt wurde. Politische Dynamiken
wurden durch den häufigen Gebrauch des bcc sichtbar.
3.Technologie
Erstaunlicherweise nutzten die wenigsten Teams Technologien auf
innovative Weise, um ihre Aufgaben besser lösen zu können.
Außerdem wurde häufig die schlechte technologische Infrastruktur
bemängelt, unter der gearbeitet wurde (schlechte Telefonleitungen,
veraltete Telefonkonferenz-Technologien, sehr selten Video-
Konferenzen etc).
4.Kulturelle Vielfalt
Die Arbeit in VITs ist häufig geprägt von unterschiedlichsten Kulturen
und Sprachgewohnheiten. Die Arbeit generell in einem virtuellen
/>
Team wurde von den meisten als sehr faszinierend erlebt, da man
sich als teil einer globalen Gemeinschaft fühlte. Die Mehrheit der
Teammitglieder wurde jedoch nicht auf die Arbeit im VIT
vorbereitet. So wurden sie beispielsweise nicht darin trainiert, wie
diese Teams effizient organisiert werden können oder was beim
/>
Umgang mit kultureller Vielfalt zu beachten ist. Der Mehrwert, der
theoretisch in kulturell vielfältigen Teams gefunden werden kann,
konnte in den interviewten Teams nicht benannt werden. Während
der Interviews stellte sich die Wichtigkeit von Interkulturalität eher
indirekt hinaus. Kulturelle Unterschiede wurden meist ignoriert,
/>
obwohl deutlich wurde, dass der Umgang mit
Zeit, Feedback oder Konflikten, sowie die Art zu kommunizieren und
die Erwartungen an die Führungskraft, unbewusst von der jeweiligen
Kultur geprägt waren. Dem Thema der kulturellen Vielfalt wurde oft
mit dem Schlagwort der Professionalität begegnet: Man sprach von
bestimmten allgemeingültigen Normen und Werten, bei denen sich
jedoch auf Nachfrage herausstellte, dass man sich auf diese nicht
explizit geeinigt hatte. Kultur schien in der Zahlen- und Fakten
/>
orientierten Geschäftswelt als ein Synonym für unkontrolliertes und
emotionales, also unprofessionelles, Verhalten zu stehen. Über den
angemessenen Umgang mit Emotionen bestand Unsicherheit. Auch
von Managern wurde das Thema kulturelle Vielfalt nur selten offen
angesprochen. Viele Führungskräfte berichteten auch, mit diesem
Thema überfordert zu sein.
5.Vertrauen
Eine der wichtigsten und zugleich schwierigsten Aufgaben war das
Schaffen und Erhalten einer Vertrauensbasis in den virtuellen Teams.
Die allgemeine Vertrauensbasis, auf der die von uns befragten
/>
Teams operierten, wurde als sehr niedrig angegeben. Vertrauen
/>
entwickelte sich eher und meistens in bilateralen,
zwischenmenschlichen Beziehungen, die durch eine vorangegangene
Zusammenarbeit, z.B. in On-site-Projekten etc., entstanden waren
und tendenziell schneller zwischen Menschen derselben Nationalität.
Grund hierfür sind möglicherweise die Gemeinsamkeiten in
kulturellem Hintergrund und der Sprache. Als Vertrauenfördernd
/>
wurden vor allem potentielle Verhaltenweisen der Führungskraft
/>
genannt, nämlich wenn diese Informationen angemessen verteilt,
also jedem Teammitglied die notwendigen Informationen zukommen
lässt, wenn sie Wort hält, auch das persönliche Vieraugengespräch
sucht, den kulturellen Hintergrund aller Teammitglieder akzeptiert
und mit kultureller Vielfalt umzugehen weiß.
6.Feedback
Gerade in VITs wird nach unserer Analyse selten bewusst Feedback
gegeben. Die Komplexität der Kommunikation wird durch die
kulturell unterschiedlichen Arten des direkten oder indirekten
Feedbacks noch erhöht. Dies steigert das vermeintliche Risiko,
/>
Feedback nicht im der Kultur des Gesprächspartners angemessenen
Stil und Ton zu kommunizieren. Aus diesem Grund wird sehr wenig
Feedback in virtuellen Situationen gegeben und je ausschließlicher
internationale Teams virtuell arbeiten, desto weniger fühlten sich die
Teammitglieder in der Lage, Feedback zu geben. Die seltenen Face-
to-Face-Meetings würden darüber hinaus so effizient organisiert,
/>
dass auch dort keine Zeit für Feedback bliebe. Dies wirke sich
/>
jedoch auf die Effizienz in der übrigen Zeit aus.
7.Identität
Ein VIT ist, wie ein reales Team auch, eine soziale Einheit und
/>
tendiert als solche dazu, eine eigene, gemeinsame Identität zu
/>
entwickeln. Für virtuelle Teams schien es jedoch sehr schwer zu
/>
sein, eine starke und bindende Identität herauszubilden. Distanz, der
Umstand, dass man sich nicht persönlich kennt und auch kulturelle
Unterschiede stehen einem regen Gedankenaustausch und der
/>
Identitätsbildung im Wege. Die Befragten berichteten, dass
gemeinsame Ziele, eine klar definierte Aufgabe, sowie das Wissen
um Zweck, Bedeutung und Einzigartigkeit des Teams, zum Prozess
der Identitäts- und Teambildung beitragen. Darüber hinaus gehören
viele VIT-Mitglieder zu mehreren VITs und On-site-Teams
gleichzeitig, was eine sehr gut ausgebildete
Selbstmanagementkompetenz voraussetzt. Klare Prioritäten werden
hier als hilfreich empfunden, aber oft nicht gesetzt.
Außerdem werden Teamgrenzen häufig nicht klar abgesteckt, sodass
für die Teammitglieder unklar bleibt, was zu Team gehört und was
der Beitrag des Einzelnen ist, wer nicht mehr zum Team gehört und
wer wann und warum an Telefonkonferenzen teilnimmt. Aufgrund
des geringen Vertrauens (s.o.) werden diese Fragen und
Unklarheiten selten offen gestellt und angesprochen, was es für das
Team schwierig macht, sich zu einer Einheit mit einer eigenen
/>
Identität zu entwickeln. VITs tendieren dazu, sehr durchlässige
/>
Grenzen zu haben und somit immer wieder in frühe Phasen der
/>
Teambildung (forming, storming) zurückzufallen.
8.Konflikt
In nahezu allen Teams ist es schwierig, Konflikte offen
anzusprechen, besonders aber in VITs. Wir fanden heraus, dass es
meist vermieden wurde, Konflikte zu thematisieren. Als Gründe
/>
hierfür wurden das Fehlen von persönlicher Kommunikation und
/>
Kontakt genannt. Verstärkt wird dies durch jene Teammitglieder, in
deren Kultur Konflikte nur indirekt angesprochen werden können. Als
weiteres Hindernis wurde von den meisten Teammitgliedern die
/>
Verwendung der englischen Sprache genannt, besonders wenn sie
sich in deren Gebrauch nicht sicher fühlten. Außerdem machte der
verbreitete Mythos, ein professioneller Umgang mit Problemen
/>
bedeute eine Reduzierung auf die Fakten und ein Ausblenden aller
Emotionen, einen konstruktiven Umgang mit Schwierigkeiten und
Konflikten nahezu unmöglich.
9.Führung
Führung ist unerlässlich für jedes Team. Je stärker ein Team in der
Phase der Formierung ist, desto wichtiger ist Führung. Die von uns
befragten Führungskräfte hatten eine Ahnung über den Mehrwert
/>
eines kulturell vielfältigen Teams, wussten jedoch nicht, wie sie die
Ressource Vielfalt am besten nutzen konnten. Genau wie die
Teammitglieder schienen die Führungskräfte nicht auf die Arbeit im
VIT vorbereitet worden zu sein. Es fehlte ein Wissen darüber, wie
wichtig die Entwicklung persönlicher Kontakte zwischen allen
Teammitgliedern bereits zum Beginn des Team-Lebenszyklus ist und
die Bedeutung gemeinsamer Team-Ziele wurde unterschätzt. Von
vielen Führungskräften wurde die bilaterale und auch isolierende
/>
Kommunikation mit den einzelnen Teammitgliedern während
Telefonaten und Besuchen vor Ort bevorzugt. Ähnlich einer Spinne in
ihrem Netz eilen sie von Knoten zu Knoten, also zwischen den
/>
einzelnen Teammitgliedern hin und her. Teamevents, sowie
Gelegenheiten, Erreichtes zu würdigen, wertzuschätzen oder auch zu
feiern, werden oft stark vernachlässigt oder gar nicht erst
geschaffen.
10.Veränderung
Die Einführung von virtuellen Teams und Strukturveränderungen in
Unternehmen sind Symptome und Folgen einer schnell
voranschreitenden Globalisierung. Aus unseren Interviews wurde
/>
deutlich, dass in der Arbeit mit virtuellen Teams grundlegende
/>
Probleme der Organisation deutlich werden können, wie z.B. unklare
Strukturen oder Probleme an Schnittstellen, sowie im
Informationsfluss. Auch Konfliktvermeidung oder das Fehlen
adäquater Führung können sich hier deutlich abbilden. Da oft das
Vertrauen fehlt, werden diese Themen meist nicht offen
angesprochen, was die Teameffizienz negativ beeinflusst.
Die Mitglieder von VITs berichteten ferner, oft um persönliche
/>
Treffen kämpfen zu müssen, da mit diesen häufig hohe Reisekosten
verbunden sind, während im Vergleich dazu in On-site-Teams
/>
Teamentwicklungsmaßnahmen häufig zum Standard gehören.
Fazit und weitere Schritte
Aus diesen hier dargestellten Ergebnissen leiteten wir Erfolgsfaktoren
für die Effizienz von virtuellen Teams ab. Diese bestehen unter
/>
anderem aus Fähigkeiten der Teammitglieder, wie z.B.
Interkulturelles Fingerspitzengefühl, ausgeprägte Fähigkeiten zum
Selbstmanagement, sehr gute Sprachkompetenz im Englischen, aber
auch und vor allem der Führungskraft, wie z.B. Fähigkeiten im
/>
Projektmanagement, sensible Integration neuer Mitarbeiter,
Sensibilität für kulturelle Unterschiede. Außerdem gibt es wichtige
Faktoren eines strukturierten Informationsflusses (z.B.
Verhaltensregeln, regelmäßiger Austausch,...), die zu einer
effizienten Zusammenarbeit im virtuellen Team beitragen oder diese
überhaupt erst ermöglichen. Als geeignete E-Tools für virtuelle
/>
Kommunikation sind Wissensplattformen, öffentliche Kalender und
Dokumente, sowie die Fähigkeiten, diese Werkzeuge angemessen zu
verwenden zu nennen.
Auf Basis der Ergebnisse und der abgeleiteten Erfolgsfaktoren
/>
entwickelten wir einen Teamentwicklungsprozess in 6 Schritten
/>
(virtuelle Konstituierung des Teams, Kick-off-Meeting, Etablieren
virtueller Kommunikation, Sicherung der Unterstützung durch das
Unternehmen, Prozessevaluation durch Stakeholder, Definition von
Entwicklungsschritten), der das Etablieren eines effizienten und
/>
erfolgreichen virtuellen Teams unterstützen soll, sowie ein
Leadership-Programm, das die Besonderheiten in der Führung eines
virtuellen internationalen Teams berücksichtigt. Näheres dazu unter
http://www.synetz-cc.de/synetz-vit/index.htm
Themen in diesem Fachartikel:
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Datum: 08.03.2011 - 12:11 Uhr
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