Impfmüdigkeit in Deutschland - Ein Weckruf von Tierärztin Dr. Ulrike Binding
In der Humanmedizin wird seit Jahren mit Sorge eine zunehmende Impfmüdigkeit beobachtet. Nun scheint diese bedenkliche Entwicklung auch in der Tiermedizin angekommen zu sein. Dabei stellt die Entwicklung von Vakzinen eine der größten Errungenschaften der modernen Medizin dar. Mit keiner anderen Möglichkeit lassen sich Infektionskrankheiten so sicher, einfach und kostengünstig vermeiden wie durch eine Schutzimpfung. Krankheiten wie Pocken, Tetanus oder Kinderlähmung, die früher ganze Bevölkerungsgruppen dahingerafft oder für das Leben gezeichnet haben, gehören zumindest in unseren medizinisch gut versorgten Ländern der Vergangenheit an.
(IINews) - Umso erstaunlicher ist die Tatsache, dass immer mehr Tierbesitzer auf Schutzimpfungen für ihre Tiere verzichten oder zumindest die Impfintervalle sehr locker sehen. Die Gründe dafür sind vielfältig. An vorderster Stelle aufzuführen sind sicherlich die Kosten. Impfungen kosten Geld – und das sitzt leider auch bei den Tierbesitzern schon lange nicht mehr so locker. Umso schwerer fällt es, dieses scheinbar sinnlos auszugeben. Wenn das geliebte Tier krank ist, wird die Notwendigkeit eines Tierarztbesuches von den meisten Tierbesitzern keineswegs angezweifelt. Anders ist dies in Zeiten, in denen das geliebte Tier gesund ist. Dank eines großen Impfteppichs sind Erkrankungen wie Tetanus, Tollwut oder Influenza weitgehend unbekannt geworden. Somit ist die Bedrohung in unserem Bewusstsein nicht mehr so präsent. Dies verführt zur Sorglosigkeit. Impfungen werden vergessen, heraus gezögert oder bewusst eingespart.
Manch einer sieht in den regelmäßigen Schutzimpfungen längst nur noch Geldmacherei von Industrie und Tiermedizinern. Dabei würden beide Berufsgruppen an der Therapierung erkrankter Tiere ein Vielfaches der Impfkosten verdienen. Als sehr bedenklich zu betrachten ist außerdem die zunehmende Panikmache vor den Impf-Nebenwirkungen, die in manchen Kreisen – allen voran in vielen Internet-Foren – stattfindet. Dabei zeigt sich häufig, dass nur sehr vage Vorstellungen darüber vorhanden sind, was eine Impfung im betreffenden Körper bewirkt. So kommt es zur Verbreitung von teilweise sehr obskuren Szenarien, die jeglicher wissenschaftlicher Grundlage entbehren. Umso wichtiger scheint es, über die Mechanismen und Wirkungsweise von Impfungen sowie des von ihnen beeinflussten Immunsystems aufzuklären.
Wie arbeitet das Immunsystem?
Das Immunsystem von Säugetieren, zu denen wir Menschen genauso wie unsere Pferde gehören, ist ein komplexes Wunderwerk der Natur. Es ermöglicht uns ein Überleben in einer von Keimen und Schadstoffen erfüllten Welt. Eingeteilt wird es in das unspezifische/angeborene und das spezifische/erworbene Immunsystem. Beide greifen jedoch bei ihrer Arbeit eng ineinander.
Von Geburt an im Körper vorhanden (also das unspezifische Immunsystem) sind Makrophagen und Killerzellen, die einen Teil der weißen Blutkörperchen darstellen. Sie patrouillieren ständig im Blut und an den gefährdeten Grenzen wie Haut und Schleimhäuten entlang durch den Körper. Treffen sie auf körperfremde Stoffe wie Bakterien, Viren oder auch auf Staub und Fremdkörper, so fressen sie diese sofort auf und rufen gleichzeitig über Botenstoffe andere Abwehrzellen zu Hilfe. Im Inneren dieser Fresszellen werden die Fremdstoffe zerlegt und unschädlich gemacht. Bruchstücke der gefressenen Eindringlinge werden in die Oberfläche der Fresszellen eingebaut und so den herbeieilenden Lymphozyten (ein Teil der weißen Blutkörperchen) präsentiert.
Hier beginnt nun die Arbeit des spezifischen Immunsystems. Ein Teil der Lymphozyten produziert nun spezifische Antikörper, die die Eindringlinge unschädlich machen. Ein anderer Teil der Lymphozyten entwickelt sich zu Gedächtniszellen, die bei einer erneuten Infektion eine noch schnellere Abwehrreaktion ermöglichen.
Wie wirkt eine Impfung?
Kurz gesagt, geschieht nach einer Impfung im Körper Folgendes: Das Immunsystem probt den Ernstfall, ohne dass dieser wirklich eintritt.
Der gesunde, kräftige Organismus lernt dabei einen unschädlich gemachten Gegner kennen und kann so in Ruhe sein Verteidigungssystem aufbauen, um dann bei einem echten Angriff durch den nun bereits bekannten Gegner schneller und stärker reagieren zu können. Sozusagen werden in Friedenszeiten genügend spezifische Waffen produziert und für den Angriffsfall bereit gehalten. In regelmäßigen Abständen (Auffrischimpfungen) muss dem Immunsystem dann klar gemacht werden, dass die Bedrohung weiterhin besteht und nicht abgerüstet werden kann.
Dafür stehen der Pharmaindustrie heute verschiedene Technologien zur Verfügung. Beispielsweise wird bei dem Tetanusimpfstoff ein unschädlich gemachtes, vom Erreger produziertes Exotoxin, genutzt. Bei anderen Impfstoffen werden die abgetöteten oder vermehrungsunfähigen Erreger verwendet, die keine Krankheiten mehr verursachen können.
In der Tiermedizin werden den Impfstoffen meist noch Adjuvantien, die sogenannten Wirkungsverstärker, zugesetzt. Diese ermöglichen es, dass selbst ein 1000 Kilogramm wiegendes Kaltblut mit einem Milliliter Impfstoff auskommt und diesen nicht als Peanuts ohne Immunantwort abtut. Diese Adjuvantien sind allerdings auch für die meisten Impfnebenwirkungen verantwortlich. So kann zum Beispiel der Muskel an der Injektionsstelle gereizt werden und mit Schwellung reagieren. Gewöhnlich schwillt diese Stelle aber ohne weitere Behandlung nach kurzer Zeit wieder ab.
Neben diesen lokalen, ungewollten Impffolgen kann es aber auch zu systemischen Nebenwirkungen kommen. Manche Pferde reagieren mit Fieber und/oder Abgeschlagenheit auf eine Impfung. Beides verschwindet normalerweise nach ein paar Tagen von allein und ist als Zeichen dafür zu werten, dass das Immunsystem auf Hochtouren arbeitet und genügend Antikörper bildet. Neben diesen geringfügigen Impfreaktionen kennt wahrscheinlich jeder von uns auch die Fälle, in denen Pferde nach einer Impfung ernstzunehmend erkrankt sind. In diesen Fällen sind aber nicht primär die Impfungen verantwortlich zu machen! Denn – um noch einmal auf das o. g. Bild Bezug zu nehmen – tote Krieger (Viren) oder deren Rüstungen (Virusteile) können keinem Gegner schaden. Jedoch ist es gut möglich, dass das Pferd zum Impfzeitpunkt bereits mit einem anderen Erreger infiziert war, es sich somit nur um einen ungünstigen zeitlichen Zufall handelt oder aber die Impfung den erkrankten Körper noch zusätzlich geschwächt hat. Deshalb sollten auch nur gesunde und kräftige Pferde geimpft werden.
Da der Körper täglich mit unzähligen Erregern konfrontiert wird, kann er nicht dauerhaft zu all diesen Bedrohungen die passenden Antikörper bereithalten. Folglich muss durch Wiederholungsimpfungen deutlich gemacht werden, dass die Gefahr durch den jeweiligen Erreger weiterhin aktuell ist. Da die „Lagerzeiten“ von Abwehrzellen sehr unterschiedlich sind, gibt es für jeden Impfstoff unterschiedliche Impfintervalle.
Welche Impfungen gibt es?
Tetanus (Wundstarrkrampf)
Die wohl bekannteste und am weitesten verbreitete Impfung ist die gegen Tetanus. Clostridium tetani ist ein überall im Boden vorkommendes Bakterium, das auch durch kleinste Verletzungen in den Körper eindringen kann. Dort vermehrt es sich und bildet dabei einen Giftstoff (Toxin), das zum Dauerkrampf der Muskulatur führt. Da zuletzt auch Atem- und Herzmuskulatur betroffen sind, kommt es in den meisten Fällen zum Tode. Erkrankte Tiere sind auch heutzutage trotz intensivster Behandlung meist nicht mehr zu retten. Je nach verwendetem Impfstoff sind Wiederholungsimpfungen alle 1 bis 3 Jahre nötig.
Influenza (Pferdegrippe, Hoppegartener Husten)
Allen Turnierreitern gut bekannt ist auch die Influenza-Impfung. Influenza ist eine hoch ansteckende Viruserkrankung, die mit hohem Fieber und Atemwegssymptomen wie Husten und Nasenausfluss einhergeht. Mit intensiver Behandlung ist diese Erkrankung heilbar. Gefürchtet sind allerdings die sekundären bakteriellen Infektionen, die Herz- und Lungenschäden zur Folge haben können. Je nach Infektionsdruck muss die Impfung gegen Influenza alle 6 bis 12 Monate aufgefrischt werden. Turnierpferde müssen laut FN nach erfolgter Grundimmunisierung alle 6 Monate +/-21 Tage gegen Pferdeinfluenza geimpft werden.
Equine Herpes-Virus-Infektion (Virusabort)
Equine Herpes 1- und 4-Infektionen können bei tragenden Stuten zum Verfohlen oder zur Geburt lebensschwacher Fohlen führen. Bei Pferden jeden Alters und Geschlechts kann eine Herpesinfektion zu hohem Fieber, Atemwegserkrankungen, zentralnervösen Ausfallerscheinungen und Festliegen bis hin zum Tode führen. Überleben die Pferde, so können Bewegungsstörungen und Ataxien zurückbleiben.
Herpesinfektionen können aber auch unbemerkt verlaufen. Die Pferde bleiben dann oft ein Leben lang Virusträger. Kommt es zu Stresssituationen oder Krankheiten, kann es ähnlich wie beim Lippenherpes des Menschen zum Wiederaufblühen der Herpesinfektion kommen. Durch eine Impfung kann diese Reaktivierung auch bei diesen persistent infizierten Pferden meist erfolgreich unterdrückt werden. Dennoch ist es natürlich sinnvoll, die Tiere schon im jungen Alter ab 6 Monaten zu impfen, damit so eine Dauerinfektion erfolgreich verhindert wird. Die Auffrischimpfung gegen Herpes ist alle 6 Monate nötig.
Tollwut
Tollwut ist eine stets tödlich verlaufende Erkrankung des zentralen Nervensystems. Hervorgerufen wird sie durch ein Virus, das durch Bisse von Tier zu Tier und auch auf den Menschen übertragen wird. Von der Bissstelle aus wandert das Virus die Nervenbahnen entlang zum Gehirn. Erkrankte Tiere sind nicht zu retten und dürfen laut Tierseuchengesetz auch nicht behandelt werden. Die bei uns zugelassenen Impfstoffe gewähren für 18 bis 24 Monate Impfschutz.
West-Nil-Fieber
Eine neuere und damit sicherlich auch noch unbekanntere Impfung ist die gegen das West-Nil-Virus. Dieses Virus lebt in Vögeln und wird von Mücken beim Blutsaugakt vom Vogel auf die Pferde übertragen. Erkrankte Tiere zeigen meist hohes Fieber und zentralnervöse Erscheinungen mit Ataxien und Schwanken in der Hinterhand. Innerhalb von wenigen Tagen kommt es dann zum Festliegen und zum Tod. Ca 40 % der erkrankten Tiere sind trotz tiermedizinischer Intensivbehandlung nicht mehr zu retten.
Bis jetzt ist Deutschland von dieser schwerwiegenden Krankheit noch verschont geblieben. Fälle gab es bisher schon in vielen europäischen Ländern (zum Beispiel Österreich, Italien, Ungarn oder Frankreich). Da das Virus aber die Zugvögel als Transportvehikel nutzt, ist es sicherlich nur eine Frage der Zeit, wann es auch bei uns ankommen wird. Der Seuchenzug in den USA Anfang dieses Jahrtausends, bei dem bis zu 15.000 Pferde erkrankten, zeigt deutlich die möglichen Ausmaße eines Infektionsausbruchs.
Diese Impfung gewährt nach der Grundimmunisierung ausreichend Schutz für ein Jahr.
Dermatophyten (Hautpilze)
Hautpilzinfektionen führen zu den bekannten schuppigen, krustigen, manchmal kreisrunden oder über den ganzen Körper ziehenden Hautveränderungen. Hautpilze verbreiten sich nicht nur durch den direkten Kontakt von Tier zu Tier, sondern auch indirekt über Stalleinrichtung und Putzzeug. In Form von Sporen sind sie gegen Umwelteinflüsse und Reinigungsmaßnahmen besonders unempfindlich und langlebig.
Die Besonderheit der Impfung gegen Hautpilze ist, dass sie als einzige Impfung nicht nur prophylaktisch wirksam ist, sondern auch noch bei bereits erkrankten Pferden eingesetzt werden kann und dann zur völligen Abheilung der Hautveränderungen führt. Nach den zwei Impfungen der Grundimmunisierung im Abstand von zwei Wochen haben die geimpften Pferde für 12 Monate eine belastbare Immunität.
Nutzen Sie die Möglichkeiten der modernen Tiermedizin und schützen Sie Ihre Pferde vor hoch ansteckenden und zum Teil tödlich verlaufenden Infektionskrankheiten sicher durch Impfungen. Über die für Ihr Pferd sinnvollen Impfungen und Impfintervalle informiert Sie Ihr Haustierarzt sicherlich gerne.
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Datum: 02.08.2010 - 16:18 Uhr
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