SoVD zum Koalitionsvertrag: Viele gute Absichten, aber Manches zu unkonkret

(ots) - Er hat 144 Seiten und es steckt viel Gutes drin: der Koalitionsvertrag von Union und SPD. Die SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier sieht aber auch Lücken:"Gut, dass die Koalitionsverhandlungen jetzt abschlossen sind. Denn wir leben in Zeiten der Multikrisen: Putins Ukrainekrieg, Trumps Zollpolitik, eine drohende wirtschaftliche Abwärtsspirale und die Gefährdung der Demokratie. Union und SPD haben aus SoVD-Sicht viele gute Kompromisse gefunden, so bei der Rente, für Familien oder beim Wohnen. Aber gerade im sozialen Bereich - wie bei der Pflege oder der gesetzlichen Krankenversicherung - muss man genauer hinschauen."Das haben die Expertinnen und Experten des SoVD in einer Erstbewertung getan."Hier wird deutlich, dass auf einigen Feldern die Entscheidungen vertagt werden, andere nötige Reformen nicht angepackt werden oder dringend erforderliche Sofortmaßnahmen ausbleiben. Unklar bleibt an manchen Stellen, wie die milliardenschweren Projekte gegenfinanziert werden sollen oder ob überhaupt Geld da sein wird, um sie anzugehen. Hier hätten wir uns mehr Mut gewünscht", so Engelmeier.
Die SoVD-Bewertung im Einzelnen:
Rente und Arbeit
Ausdrücklich loben können wir, dass bei der Rente gute Kompromisse gefunden worden sind. Sehr zu begrüßen ist es, dass neue Selbstständige, die keinem obligatorischen Alterssicherungssystem zugeordnet sind, gründerfreundlich in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden. Damitwird ein erster Schritt in Richtung Erwerbstätigenversicherung vollzogen und Altersarmut bei Selbstständigen vorgebeugt. Das darf aber nicht alles sein, wir brauchen bei der Rente echte, nachhaltige Reformen. Es ist gut, dass das Rentenniveau bei 48 Prozent bis zum Jahr 2031 stabilisiert werden soll, auch wenn wir uns eine dauerhafte Stabilisierung mit Perspektive auf 53 Prozent gewünscht hätten. Auch die Mütterrente begrüßen wir - insbesondere, dass sie aus Steuermitteln finanziert werden soll.
Gleichzeitig begrüßen wir, dass beim Mindestlohn die 15 Euro Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden haben, auch wenn es sich hierbei lediglich um eine Perspektive und keine gesetzliche Vorgabe handelt. Es wird aber deutlich, wie wichtig ein angemessener Mindestlohn für die Menschen ist.
Gesundheit und Pflege
Die Beträge der gesetzlichen Krankenversicherung sind zuletzt enorm gestiegen, die Prognosen sind besorgniserregend. Die Beitragssatzstabilisierung bleibt aber im Koalitionsvertrag eine reine Absichtserklärung: Eine Kommission soll bis 2027 Maßnahmen vorschlagen. Keine Rede von konkreten, kurzfristigen Schritte zur Stabilisierung der Beitragssätze. Das ist schlicht zu wenig.
Positiv bewerten wir, dass der Bund künftig den bisher für die GKV vorgesehenen Anteil für den Transformationsfonds für Krankenhäuser übernimmt und dies aus dem Sondervermögen Infrastruktur finanziert. Damit folgt die kommende Bundesregierung dem SoVD, der eine Zweckentfremdung von Beitragsgeldern zur hälftigenFinanzierung des Transformationsfonds von bis zu 25 Milliarden Euro von Anfang an scharf kritisiert hat. Die Strukturreform der Krankenhausversorgung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die richtigerweise aus Steuermitteln zu finanzieren ist.
Eine große Pflegereform wird zwar angekündigt, aber es werden keine inhaltlichen Zusagen getroffen. Stattdessen werden nur Prüfaufträge an eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe formuliert, die die Grundlage der Reform erarbeiten soll. Insgesamt fallen die Ausführungen im Koalitionsvertrag zur pflegerischen Versorgung sehr dürftig aus und wird der dramatischen Situation in der Pflege nicht gerecht. Das ist eine sehr große Enttäuschung - hier muss dingend nachgebessert werden.
Verteilungsgerechtigkeit, Armutsbekämpfung und Wohnen
Bei der sozialen Sicherung darf nicht gespart werden. Die Wahltagsbefragungen haben gezeigt, dass für die Menschen die"Soziale Sicherheit"eines er beiden wichtigsten Themen für die Wahlentscheidung war. Das unterstreicht, wie bedeutend ein verlässlicher Sozialstaat in unsicheren Zeiten ist. Im Koalitionsvertrag wurde vereinbart, die soziale Sicherung zu reformieren und zugänglicher zu gestalten. Das ist gut, solange das Versprechen, das soziale Schutzniveau zubewahren, auch wirklich konsequent eingehalten wird.
Im Hinblick auf eine solide Finanzierung des Sozialstaates zeigen sich Lichtblicke, aber auch einige Schattenseiten. Die geplante Reform der Schuldenbremse kann dringend benötigte Zukunftsinvestitionen in soziale Infrastruktur wie Schulen und Krankenhäuser ermöglichen. Für einen Staatshaushalt, der dauerhaft solide und sozial ausgewogen ist, braucht es jedoch eine starke Einnahmenbasis. Positiv ist deshalb, dass Bestverdienende weiterhin den Solidaritätszuschlag bezahlen. Durch die Absenkung der Körperschaftssteuer gehen jedoch Steuereinnahmen verloren, die für die Haushaltsstabilität wichtig sind. Deshalb braucht es eine angemessenere Besteuerung von Reichtum, getreu dem Motto"Breite Schultern tragen mehr".
Im Bereich Wohnen geht vieles in die richtige Richtung. Wie der SoVD schon seit Jahren fordert, werden endlich Maßnahmen gegen rechtswidrige Mietpreisüberhöhungen ergriffen. Außerdem soll die Mietpreisbremse um vier Jahre verlängert und Kurzzeitvermietung sowie Indexklauseln besser reguliert werden. Positiv sind auch die geplanten Investitionen in den Bau von Sozialwohnungen, denn im Vergleich zu 2005 hat sich ihr Bestand mehr als halbiert. Für eine echte Trendwende braucht es aber solide Fördermittel, damit es nicht bei einem Lippenbekenntnis bleibt.
Familie, Frauen und Jugend
Familien werden in den Mittelpunkt gestellt, die Koalition will für ein gutes Aufwachsen von Kindern sorgen und die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen stärken. Die Weiterentwicklung des Elterngeldes entspricht dabei der Forderung des SoVD, sie trägt langfristig zu einer gerechteren Verteilung von Sorge- und Erwerbsarbeit bei. Für uns ist eine Erhöhung des Elterngeldes überfällig, denn es wurde seit 18 Jahren nicht verändert. Eine Dynamisierung und jährliche Anpassung ist notwendig, damit es den steigenden Lebenshaltungskosten nicht hinterherhinkt. Der SoVD spricht sich für die Erhöhung des Elterngeldes auf 80 Prozent desentgangenen Nettoeinkommens aus, wenn beide Eltern zu gleichen Teilen Elterngeld und Elternzeit in Anspruch nehmen. Parallel begrüßt der SoVD die Einführung des Elterngeldes auch für Pflegeeltern sowie die angestrebte Ende-zu-Ende-Digitalisierung.
Sehr gut bewerten wir die Weiterentwicklung der Sprach-Kitas und Startchancen-Kitas. Sprachliche Bildung ist von hoher Bedeutung in der Kindertagesbetreuung, vorwiegend für Kitas. Aber: Der Fachkräftemangel bei der Kinderbetreuung ist hoch und wird zunehmend zum Risikofaktor für die frühkindliche Bildung und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, daher sind Anwerbungen im Ausland sicher eine gute Möglichkeit. Der SoVD setzt sich hier eine für Gesamtstrategie zur Fachkräftegewinnung in Kita und Ganztag ein. Positiv bewerten wir, dass das kostenlose Mittagessen ins Bildungs- und Teilhabepaket aufgenommen worden ist.
Menschen mit Behinderungen, Barrierefreiheit und Inklusion
Leider wird Behindertenpolitik im Koalitionsvertrag eher oberflächlich behandelt. Es ist im Koalitionsvertrag nicht ersichtlich, dass Behindertenpolitik als Querschnittsthema betrachtet werden muss.
Wir begrüßen die Ankündigung, Barrierefreiheit voranzutreiben und die explizite Erwähnung des privaten Bereichs. Diese ist für gesellschaftliche Teilhabe für alte oder chronisch kranke Menschen oder Menschen mit Behinderungen unerlässlich. Wir begrüßen auch, dass eine Reform der Werkstätten für behinderte Menschen angepackt werden soll. Eine finanzielle Verbesserung für die Betroffenen ist unerlässlich. Vor allem die enge Verzahnung der Werkstätten mit dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist wichtig, um einen tatsächlichen inklusiven Arbeitsmarkt zu erreichen.
Mit Blick auf die Evaluierung des Bundesteilhabegesetzes und damit in Verbindung gebrachte Bürokratieabbau darf dieser Bürokratieabbau, der grundsätzlich begrüßt wird, nicht dazu führen, dass es zu Verschlechterungen für Menschen mit Behinderungen kommt - insbesondere darf dies nicht zulasten der Personenzentrierung gehen.
Die SoVD-Vorstandsvorsitzende fasst zusammen:"Ganz Deutschland wartet darauf, dass der sachpolitische Stillstand der letzten Wochen beendet wird und die vielen Probleme aus den letzten Jahrzehnten nun nachhaltig angepackt werden. Gerade das Soziale darf nicht aus den Augen verloren werden, um der Spaltung der Gesellschaft entgegenzuwirken. Vor der neuen Bundesregierung liegt viel Arbeit, der SoVD steht mit seiner Expertise in sozialen Fragen als verlässlicher Ansprechpartner bereit."
Pressekontakt:
SoVD
Sozialverband Deutschland e. V.
Pressestelle
Peter-Michael Zernechel
(V. i. S. d. P.)
Pressesprecher
Stralauer Straße 63
10179 Berlin
Tel. 030 72 62 22-333
E-Mail: pressestelle(at)sovd.de
Original-Content von: Sozialverband Deutschland (SoVD),übermittelt durch news aktuell
Themen in diesem Fachartikel:
Unternehmensinformation / Kurzprofil:
Bereitgestellt von Benutzer: ots
Datum: 10.04.2025 - 16:32 Uhr
Sprache: Deutsch
News-ID 2165440
Anzahl Zeichen: 0
Kontakt-Informationen:
Ansprechpartner: ots
Stadt:
Berlin
Kategorie:
Gesundheit & Medizin
Dieser Fachartikel wurde bisher 17 mal aufgerufen.
Der Fachartikel mit dem Titel:
"SoVD zum Koalitionsvertrag: Viele gute Absichten, aber Manches zu unkonkret"
steht unter der journalistisch-redaktionellen Verantwortung von
Sozialverband Deutschland (SoVD) (Nachricht senden)
Beachten Sie bitte die weiteren Informationen zum Haftungsauschluß (gemäß TMG - TeleMedianGesetz) und dem Datenschutz (gemäß der DSGVO).