50 Jahre deutsche Digitalisierung: Zwischen gebrochenen Versprechen und genutzten Chancen
Von Dominik Mohilo und Jan Bernecke, Redakteure der Münchner PR- und Kommunikationsagentur PR-COM
(IINews) - Am 8. April 1981 beschließt das Bundeskabinett unter Kanzler Helmut Schmidt den Bau eines flächendeckenden Glasfasernetzes – der erste zaghafte Schritt in Richtung Netzmodernisierung. Bis 2015, so das ambitionierte Ziel, soll in jedem Gebäude Deutschlands – vom Plattenbau in Westberlin bis zum Reihenhausim Saarland – ein Glasfaserzugang liegen. 40 Jahre nach Schmidt, also 2021, erneuerte die Ampel das Versprechen im Koalitionsvertrag: „Unser Ziel für ein modernes Deutschland ist klar: Bis zum Jahr 2030 wollen wir Glasfaser bis ins Haus.“ Ob sich zum 50-jährigen Jubiläum desSchmidt’schen Versprechens – und der zwischenzeitlich zahlreichen Beteuerungen aller Folgeregierungen – wirklich jede und jeder Deutsche via Glasfaseranschluss ins Internet begeben kann, ist zum aktuellen Zeitpunkt doch eher fragwürdig: Im Zieljahr 2015 hatten gerade einmal 1,5 Prozent der Haushalte entsprechende Zugänge. Aktuell sind es laut Bundesnetzagentur immerhin rund 37 Prozent (www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2024/20241205_Giga.html). Das mag formal stimmen, jedoch geht Ralf Pütz, Berater im Glasfaserausschuss der Bundesregierung, davonaus, dass maximal 10 Prozent aktiv am Glasfasernetz angeschlossen sind: Das komme daher, dass zwar die Voraussetzungen für einen Anschluss erfüllt sind, aber eben selten der Endausbau abgeschlossen ist (www.zdf.de/politik/frontal/frontal-vom-14-januar-2025-100.html).
Sämtliche Regierungen haben es in den letzten Jahrzehnten verschlafen, den Glasfaserausbau voranzutreiben. Allerdings ist die Glasfasersituation nur ein kleines Mosaiksteinchen im deutschen Digitalisierungsdilemma. Ein ebenfalls wenig rühmliches Beispiel für das flächendeckende Hinterherhinken der deutschen Digitalisierungsinitiativen ist der Themenkomplex E-Governance. Spätestens seit 2014 war die Abschaffung analoger Prozesse eines der Ziele jeder einzelnen Regierung. Allein die Umsetzung läuft – streng nach dem bekannten Verzögerungsmuster der zahlreich artikulierten Glasfaserziele – schleppend. Daran änderte auch das Online-Zugangsgesetz der letzten GroKo nichts. Laut Bitkom sind aktuell in keinem Bundesland mehr als die Hälfte der Verwaltungsdienstleistungen digital verfügbar (www.bitkom.org/sites/main/files/2024-04/240416bitkomlaenderindexchartsfinal.pdf). Der Branchenverband hat unterdessen auch einen komplexeren Leistungsindex für die Länder erstellt, nach dem es allerdings auch nicht rosiger aussieht: bei 100 möglichen Indexpunkten kommt kein Land über 65, der Schnitt liegt bei 50 Punkten (www.bitkom.org/Laenderindex).
Ein wenig rosiger, aber keinesfalls befriedigend sieht es in Sachen Digitalisierung der Schulen aus: Laut dem Deutschen Schulbarometer (https://deutsches-schulportal.de/bildungswesen/was-hat-der-digitalpakt-schule-bislang-gebracht/) waren noch im Juni 2023 rund die Hälfte der Lehrkräfte mit der technischen Ausstattung ihrer Institute unzufrieden und sahen dringend Nachholbedarf. Grund dafür sind offenbar kaum zu überwindende Verwaltungshürden bei der Beschaffung und der Nutzung der Gelder aus dem DigitalPakt Schule. Zu einem gleichen Verdikt kamen 56 Prozent der kurz darauf durch den Bitkom befragten Schülerinnen und Schüler. Zudem bemängelten Letztere das schlechte oder fehlende W-LAN (www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Schueler-wollen-digitaler-lernen).
Die Liste lässt sich beliebig erweitern. Wie weit, das zeigt die vom PR-COM Research Lab erstellte Übersicht zu den Digitalversprechen der letzten Jahrzehnte. Die extensive Recherche hat eine Reihe von Missständen zutage gefördert, doch die Gründe sind – wie das im politischen Kontext immer so ist– nur schwer fassbar. Ein gewaltiges wie grundsätzliches Problem ist allerdings, dass die Digitalisierung, trotz ihrer immensen Wichtigkeit, noch immer stiefmütterlich, ja geradezu lächerlich zweitrangig behandelt und die Verantwortung konsequent weitergereicht wird: Vom Postminister anno 1981 wanderte sie schließlich über viele Umwege und Ministerien ins Verkehrsministerium. Allein dieses Hin und Her zeigt, dass keine Regierung den Themenkomplex „Digitales“ und die Digitalisierung so richtig verstanden und mit der entsprechend dringend nötigen Ernsthaftigkeitbetrachtet hat. Während Kohls Verwechslung der Autobahn mit der Datenautobahn uns 1994 noch zum Schmunzeln brachte, konnte man sich für Merkels ikonische Aussage „Das Internet ist für uns alle Neuland“ knapp 20 Jahre später nur noch fremdschämen. Die Digitalisierung ist längst von einer so zentralen Bedeutung für die Wirtschaft und den Fortschritt, die Sicherheit und die Zukunftsfähigkeit eines Landes, dass der Umgang bis dato als zumindest unverantwortlich zu bezeichnen ist: Sie quasi als Addendum des Verkehrsministeriums zu belassen, sorgt effektiv dafür,dass der Themenkomplex „Digitales“ für immer Neuland bleibt. Digitalisierung darf jedoch kein nachgeordneter Gedanke mehr sein und muss dementsprechend – wie es auch Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst fordert (www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Bitkom-zu-Abschlussbericht-Digitalstrategie) – endlich ein eigenes Bundesministerium erhalten, in dem sämtliche Aspekte von der Cybersicherheit bis zum Netzausbau zusammenlaufen.
Das Digitale kann schon allein deswegen nicht im Bundesministerium für Verkehr verbleiben, da sämtliche Bereiche unseres Lebens mittlerweile untrennbar mit digitalen Technologien verwoben sind. Entsprechend muss auch ein alleinstehendes Bundesministerium mit allen anderen Ministerien interagieren können.
Was Deutschland nun braucht, ist ein wirklicher digitaler Wandel– und endlich verbindliche Versprechen, die die Regierung dann auch einhält. Dass Digitalisierungsziele erreichbar sind, zeigen Vorreiter wie Island und Südkorea in Sachen Glasfaserausbau (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/415799/umfrage/anteil-von-glasfaseranschluessen-an-allen-breitbandanschluessen-in-oecd-staaten/) oder Malta und Estland im Bereich E-Governance (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1275562/umfrage/bewertung-von-egovernment-services-nach-laendern-in-europa/). Da wir bereits den Anschluss im internationalen und europäischen Vergleich verpasst haben, muss es nun zumindest eine ernstgemeinte Aufholjagd geben. Ein eigenes Bundesministerium für Digitales zu schaffen, ist dafür der erste Schritt. Positiv ist zu berichten, dass (fast) alle Parteien genau das auf ihrer Agenda für die unmittelbar bevorstehende Wahl am 23. Februar haben.
Eine detaillierte grafische Aufschlüsselung der Digitalversprechen der deutschen Regierungen kann hier abgerufen werden: https://pr-com.de/wp-content/uploads/2025/01/Digitalversprechen.pdf
Dieser Kommentar und Bildmaterial können unter https://pr-com.de/insights abgerufen werden.
Weitere Infos zum Research Lab finden sich hier: https://pr-com.de/research
PR-COM in München ist Experte für PR, Social Media und Kommunikation und fokussiert auf die High-tech- und IT-Industrie im B2B-Umfeld. Bedingungslos hohe Qualität steht für alle 45 Kolleginnen und Kollegen an erster Stelle. So begeistern unsere Berater ihre Kunden mit dem Erfolg, den sie Monat für Monat in den Medien erzielen, und dem Vertrauen, das die Zusammenarbeit so wertvoll macht. Unser 9-köpfiges Redaktionsteam besticht durch langjährige IT-Fachexpertise gepaart mit journalistischem Können. Weil wir nichts langweiliger finden als herkömmliche Kommunikation, gehen wir stets die Extrameile und arbeiten mit viel Herzblut an neuen Strategien und Ideen für unsere 50 Kunden. Wir wissen: Hinter jeder starken Agentur steht ein starkes Team. Wir tun deshalb alles dafür, dass sich unsere Mitarbeiter wohlfühlen und weiterentwickeln können. Stillstand ist für uns keine Option. Mehr unter www.pr-com.de
PR-COM GmbH
Katrin Link
Tel. +49-89-59997-814
katrin.link(at)pr-com.de
www.pr-com.de
Datum: 28.01.2025 - 17:53 Uhr
Sprache: Deutsch
News-ID 2148752
Anzahl Zeichen: 0
Kontakt-Informationen:
Ansprechpartner: Katrin Link
Stadt:
München
Telefon: +49-89-59997-814
Kategorie:
Internet
Meldungsart: Unternehmensinfos
Versandart: Veröffentlichung
Freigabedatum: 28.01.2025
Dieser Fachartikel wurde bisher 8 mal aufgerufen.
Der Fachartikel mit dem Titel:
"50 Jahre deutsche Digitalisierung: Zwischen gebrochenen Versprechen und genutzten Chancen"
steht unter der journalistisch-redaktionellen Verantwortung von
PR-COM (Nachricht senden)
Beachten Sie bitte die weiteren Informationen zum Haftungsauschluß (gemäß TMG - TeleMedianGesetz) und dem Datenschutz (gemäß der DSGVO).