Von Köln zurück nach Paris: Die Rückkehr nach Notre Dame
Die ganze Welt hielt den Atem an, als am 15. April 2019 die berühmte Kathedrale Notre-Dame in Paris in Flammen stand. Das Feuer zerstörte den bleigedeckten Dachstuhl des gotischen Bauwerks. Aber auch die Inneneinrichtung und zahlreiche Kunstwerke wurden beschädigt oder verschmutzt–darunter vier Obergardenfenster des Langhauses, die der französische Glasmaler Jacques Le Chavallier im Jahr 1965 gestaltet hat. Im Zuge einer internationalen Hilfsaktion wurden sie in der Kölner Dombauhütte restauriert. Mit dabei: Klebstoffe.
(IINews) - Unmittelbar nach dem verheerenden Brand der Notre-Dame begannen die umfangreichen Bergungs- und Sicherheitsmaßnahmen, die mehrere Monate in Anspruch nehmen sollten. Im Mai 2019 konnten die französischen Glaswerkstätten so gut wie alle Glasmalereien der Kathedrale ausbauen und stellten dabei fest, dass die Fenster bei weitem nicht so stark in Mitleidenschaft gezogen worden waren wie zunächst befürchtet.
Da der Brand international große Betroffenheit ausgelöst hatte, wurden vielerorts fachliche und personelle Hilfe angeboten. So kam es dazu, dass vier große Fenster aus dem Obergarden des südlichen Langhauses, zur Restaurierung nach Deutschland gingen – genauer gesagt zur Kölner Dombauhütte. Gemeinsam mit zwei Kooperationspartnern nahmen sie sich der Restaurierung der wertvollen Kunst an.
Die Fenster Jacques Le Chevalliers
Die vier Fenster sind moderne Glasmalereien und ein Teil von insgesamt zwölf Fenstern, die der renommierte Glasmaler, Grafiker und Kupferstecher Jacques Le Chevallier (1896-1987) gestaltet hat. Die jeweils zehn Meter hohen, zweibahnigen Fenster sind rein abstrakt aus mosaikartig zusammengesetzten, nuanciert aufeinander abgestimmten Farbflächen gestaltet. Neben hellen Gläsern dominieren rote, blaue und grüne Farbtöne. Dabei orientierte sich der Künstler bei der Auswahl bewusst an hochmittelalterlichen Glasmalereien, sodass sich die Fenster harmonisch in die gotische Kathedrale einfügten. Nach ihrem Einbau im Jahre 1965 blieben die Fenster 54 Jahre an ihrem Platz – bis zum verheerenden Brand 2019.
Die Restaurierungsarbeiten an den Fenstern
Die Restaurierungsarbeiten begannen im Frühjahr 2022 und wurden in mehreren sorgfältig geplanten Schritten durchgeführt. Bevor die Fenster nach Köln transportiert wurden, reisten Mitarbeitende der Kölner Dombauhütte nach Frankreich, um vor Ort den Zustand der vier Fenster vor dem Transport zu dokumentieren. Hierbei wurdeninsgesamt 316 Glasmalereifelder aus den Kisten, in denen sie gelagert waren, herausgehoben und auf Schäden kontrolliert – eine besonders herausfordernde Aufgabe. Durch den Brand des bleiernen Dachstuhls wurden die Glasoberflächen mit einer bleihaltigen und somit giftigen Staubschicht überzogen, sodass die Mitarbeitenden Vollschutzanzüge und Atemschutzmasken bei der Inspizierung tragen mussten.
Am 7. April 2022 war es so weit und vierzig Kisten mit den Glasmalereien sowie weitere extrem schwere Kisten mit rahmendem Eisenwerk wurden von einem Team der Dombauhütte entgegengenommen. Bevor die restauratorischen Arbeiten beginnen konnten, musste zuerst der giftige Bleistaub von den Glasflächen entfernt werden – was mehrere Wochen in Anspruch nahm. Kiste für Kiste, Feld für Feld wurden die Gläser mit Spezialsaugern und weichen Pinseln unter höchsten Schutzmaßnahmen vorsichtig und gründlich gereinigt. Anschließend folgte eine detaillierte Bestandsaufnahme der 316 Gläser, um den Zustand vor Beginn der praktischen Arbeiten zu dokumentieren. So wurden sie beispielsweise alle von der Innen- und Außenseite in unterschiedlichen Lichtverhältnissen fotografiert, um Aufschlüsse über den Zustand von Glas, Bemalung und Blei als auch der Art und Weise der Gestaltung zu erhalten. Diese Vorarbeiten waren die Grundlage für das große Planungsgespräch am 1. Juli 2022 in Köln, bei dem gemeinsam mit den Vertretern der Pariser Denkmalpflege, den betreuenden Architekten, der Bauleitung von Notre-Dame sowie den beiden Kooperationspartnern der Kölner Dombauhütte das Restaurierungskonzept festgelegt wurde. Die Arbeit an den vier Fenstern wurde aufgeteilt: drei der Fenster kamen zu den Kooperationspartnern und eines blieb in der Dombauhütte.
Ran ans Werk…
Im Wesentlichen fanden die Restaurationsarbeiten an der Verbleiung, am Glas sowie an der Verkittung statt. Die Verbleiung der Fenster wies durch den Brand zahlreiche Brüche auf, sodass einige Bleinetze komplett ersetzt werden mussten. Ebenso wurden die umlaufenden Randbleie ausnahmslos erneuert. Damit die frischen Lötstellen und das neu eingefügte Blei nicht durch silbrigen Glanz ins Auge fallen, wurden sie mit einem schwarz pigmentierten Wachs retuschiert.
Die Gläser hatten durch den Brand keine allzu großen Schäden genommen und waren mit der bereits erwähnten aufliegenden, bleihaltigen Staubschicht bedeckt. Die dichten, flächigen Rußablagerungen wurden mit Watte und einem Ethanol-Wasser-Gemisch entfernt. Etliche Gläser in den Randbereichen waren – manchmal auch mehrfach und mit komplizierten Sprungmustern – gebrochen. Von den Restaurierenden wurden alle Splitter genaustens ausgerichtet und geklebt. Dabei musste sehr sorgfältig und sauber gearbeitet werden und nur unmittelbar entlang der Sprungkante geklebt werden. Zum Einsatz kam hier ein einkomponentiger, farblos transparenter Silikonklebstoff. Silikon ist sehr widerstandsfähig gegenüber Temperaturen und Witterung. Er stellt sicher, dass die Klebungen auch bei direktem Regen dauerhaft halten und kein Wasser eindringen kann. Haben größere Bruchstücke gefehlt, wurden diese durch farblich exakt passende und entsprechend bemalte Glasstücke ersetzt. Dabei war die oberste Priorität immer, das originale Material – so gut es geht – zu erhalten.
Neben den Arbeiten an der Verbleiung und den Gläsern wurde zudem die Verkittung erneuert – auch wenn sie sich auf die Außenseite der Felder beschränkte. Sie dient der weiteren Stabilisierung und schützt vor eindringendem Regenwasser.
… und fristgerecht geliefert
Nach fast genau einem Jahr wurden die Fenster am 6. April 2023 in ihren stabilen Kisten zurück nach Paris transportiert. Genauer: Direkt auf die Baustelle, wo sie sicher bis zum Einbau am 19. Juli 2023 lagerten. An diesem Tag erfolgte im Beisein des Kölner Dombaumeisters Peter Füssenich die offizielle Abnahme der Arbeiten an den vier Fenstern, mit viel Lob und Anerkennung seitensder französischen Bauleitung. Am Wochenende des 7./8. Dezember 2024 wurde die Kathedrale feierlich wiedereröffnet.
Die Restaurierung der vier Notre-Dame Fenster ist ein Zeugnis für das Engagement und die handwerkliche Fähigkeit der Kölner Dombauhütte. Und noch viel mehr: Sie sind ein Beispiel für einen Akt der Solidarität, ein Zeichen der Hoffnung und ein Beweis dafür, dass selbst aus der Asche die Schönheit Notre-Dames neu entstehen kann.
Quelle:
Wittstadt, Katrin; Busse, Felix: Die Restaurierung von Fenstern aus Notre-Dame. Ein Werkbericht.
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Datum: 17.12.2024 - 14:30 Uhr
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