Bericht zum Fehlverhalten im Gesundheitswesen: AOK-Gemeinschaft holt 42,8 Millionen Euro zurück
(ots) - Die elf AOKs konnten in den Jahren 2022 und 2023 Schäden in Höhe von 42,8 Millionen Euro erfolgreich zurückfordern, die zuvor durch Fehlverhalten im Gesundheitswesen verursacht worden waren. Damit ist die Höhe der gesicherten Forderungen im Vergleich zum letzten Bericht für die Jahre 2020 und 2021 um 7,4 Millionen gestiegen (plus 21 Prozent). Das zeigt der aktuelle Fehlverhaltensbericht, der heute auf der Website des AOK-Bundesverbandes veröffentlicht worden ist.
Laut Bericht erhielt die AOK-Gemeinschaft in den Jahren 2022 und 2023 knapp 11.000 Hinweise auf Abrechnungsbetrug, Bestechung, Fälschung von Unterlagen oder Missbrauch von Gesundheitskarten - etwa 14 Prozent mehr als im letzten Berichtszeitraum. Etwa 60 Prozent dieser Hinweise kamen von externen Hinweisgebern. Insgesamt wurden von den zuständigen Stellen bei den elf AOKs knapp 14.000 Fälle verfolgt, von denen etwa 55 Prozent neue Fälle und 45 Prozent Bestandsfälle waren. Knapp 7.500 Fälle konnten im Berichtszeitraum abgeschlossen werden, 1.100 Fälle wurden zur weiteren Strafverfolgung an die zuständigen Staatsanwaltschaften gemeldet.
"Die AOKs und die anderen gesetzlichen Krankenkassen sind immer erfolgreicher bei der Bekämpfung des Fehlverhaltens. So holen sie unrechtmäßig erlangte Beitragsmittel wieder für die Versicherten und ihre Arbeitgebenden zurück", kommentiert Knut Lambertin, alternierender Aufsichtsratsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes für die Versichertenseite, die aktuellen Zahlen. Zwar gelinge es - zum Beispiel wegen Insolvenzen der Schuldner - nicht in jedem Falle, die Forderungen durchzusetzen. In den vergangenen zwanzig Jahren seit Einführung der gesetzlichen Verpflichtung der Krankenkassen zur aktiven Verfolgung von Fehlverhalten seien die erfolgreich zurückgeforderten Schadenssummen aber deutlich gestiegen."Künftig wollen die Krankenkassen verstärkt auf technische Innovationen wie den Einsatz Künstlicher Intelligenz setzen, um Auffälligkeiten frühzeitig zu erkennen und die betrügerischen Aktivitäten einiger weniger Akteure im Gesundheitswesen noch effektiver zu verfolgen", sagt Susanne Wagenmann, Aufsichtsratsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes für die Arbeitgeberseite.
Pflege und Häusliche Krankenpflege bei Zahl der Betrugsfälle an der Spitze
Die meisten verfolgten Fälle kamen - wie schon in den beiden vorangegangenen Berichts-Zeiträumen - aus den Bereichen Pflege und Häusliche Krankenpflege. Hier waren 2022 und 2023 insgesamt 2.772 neue Fälle zu verzeichnen."Die breite Medienberichterstattungüber Betrugsfälle in der Pflege dürfte dazu beigetragen haben, dass Kassen, Angehörige, aber auch Beschäftigte aus der Pflege verstärkt auf Unregelmäßigkeiten achten", so Wagenmann."Zudem greifen jetzt wieder Abrechnungsprüfungen, die in der Pandemie zeitweise ausgesetzt worden waren."An zweiter Stelle rangierten neue Fälle aus dem Bereich der Arznei- und Verbandsmittel (1.139 Fälle), gefolgt von 927 versichertenbezogenen Betrugsfällen. Dazu gehören beispielsweise Falschangaben bei Leistungsanträgen oder das Einlösen gefälschter Arzneimittel-Rezepte.
Im Vergleich zum letzten Berichtszeitraum sanken die gesicherten Forderungen im Pflegebereich von 11,25 Millionen auf 9,63 Millionen Euro. Gleichzeitig stieg die Summe der Forderungen im Bereich Arznei- und Verbandsmittel von 5,23 Millionen Euro auf einen neuen Spitzenwert von 16,96 Millionen Euro - in erster Linie verursacht durch einen einzigen Fall. Dabei ging es um Abrechnungsbetrug durch einen Dienstleister für Wundversorgung aus Norddeutschland, mit dem im vergangenen Jahr eine Vereinbarung zur Schadensregulierung geschlossen werden konnte.
AOK fordert Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften in allen Bundesländern
Die AOK-Gemeinschaft bekräftigt in ihrem aktuellen Bericht ihre Forderung, dass in allen Bundesländern Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften zur Bekämpfung von Fehlverhalten mit landesweiter Zuständigkeit aufgebaut werden sollten."Aufgrund der Komplexität des Gesundheitswesens und des Sozialversicherungsrechts sind die Ermittlungsverfahren in diesem Bereich eine absolute Spezialmaterie", betont Knut Lambertin."Umso wichtiger ist eine Bündelung des Wissens in Staatsanwaltschaften, die sich langfristig und durchgängig mit diesem Thema beschäftigen. Denn die Krankenkassen sind keine Strafbehörden, und die Kriminalitätsbekämpfung ist Sache des Staates. Die Bürger haben ein Recht auf eine gute Ausstattung der Justizbehörden."
Empfehlungen für eine effektivere Fehlverhaltens-Bekämpfung
Der Fehlverhaltensbericht der AOK-Gemeinschaft macht das Thema an verschiedenen Beispielen anschaulich - vom Missbrauch der elektronischen Gesundheitskarte im Krankenhausüber gefälschte Berufsurkunden in der Intensivpflege bis zur Abrechnung nicht erbrachter Leistungen in einer Zahnarztpraxis. Außerdem empfiehlt der AOK-Bundesverband im Bericht verschiedene Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Fehlverhaltensbekämpfung.
Zu den Empfehlungen gehört die Einführung eines vom Pflegegrad abhängigen Pflegebasisbudgets, das von den Versicherten flexibel und je nach Bedarf in Anspruch genommen werden kann und alle bisherigen Leistungen wie beispielsweise die sogenannte Verhinderungspflege ersetzt."Eine solche Vereinfachung des Leistungsrechts würde die Betrugswahrscheinlichkeit senken und gleichzeitig weiter den niedrigschwelligen Zugang zu den Leistungen der Pflegeversicherung gewährleisten", sagt Susanne Wagenmann. Der Betrug mitüberteuerten Pflegehilfsmittelboxen, die Versicherten von unseriösen Anbietern telefonisch aufgedrängt werden, habe den Handlungsbedarf in diesem Bereich jüngst noch einmal deutlich gemacht. Auch die Klärung von Datenschutz-Fragen im Zusammenhang mit dem Einsatz Künstlicher Intelligenz zur Ermittlung von Betrugsfällen gehört zu den Empfehlungen im Fehlverhaltensbericht.
Hinweis für die Redaktionen: Der Fehlverhaltensbericht steht zum Download unter www.aok.de/pp/bv
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