Energieeffizienz – Auftrag für den öffentlichen Sektor
Klimaschutz wird nicht ausreichend in den Beschaffungsprozess der öffentlichen Hand integriert, obwohl er sich wirtschaftlich auszahlen kann und die dafür notwendigen Technologien bereits vorhanden sind. Damit bleibt der öffentliche Sektor bei Energieeffizienz und CO2-Einsparung hinter seinen Möglichkeiten zurück, schöpft zugleich die im Klimaschutz steckenden beachtlichen wirtschaftlichen Potenziale für die öffentlichen Haushalte nicht aus und erfüllt nicht hinreichend seine Vorbildwirkung für das allgemeine Konsumverhalten. Dr. Andreas Kulczak, Experte für Energieeffizienz im öffentlichen Sektor, beleuchtet im Detail die klimaschutzseitige Gesamtsituation und zieht eine erste Zwischenbilanz.
(IINews) - Energieeffizienz ist ein aus politischer wie aus wirtschaftlicher Sicht hochaktuelles und bedeutendes Thema: zum einen wegen ihres Potenzials, den Bedarf an Energie zu senken und somit Ressourcen schonen und CO2-Emissionen durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe reduzieren zu können, und zum anderen wegen ihres Beitrages zur Senkung der Energiekosten im Unternehmen. Ökologische und ökonomische Effekte werden also in gleichem Maße adressiert.
Energieeffizienz, also die intelligente Gewinnung, Umwandlung und Nutzung von Energie, wird immer wichtiger, nicht erst vor dem Hintergrund kontinuierlich steigender Energiepreise und damit zunehmender Energiekosten in den letzten Jahren: spätestens seit dem Kyoto-Protokoll (Zielstellung: Senkung der Treibhausgasemissionen von 2008 bis 2012 um durchschnittlich 5,2 % - für Deutschland 21 % - unter das Niveau von 1990) katapultieren ein gesteigertes öffentliches Bewusstsein und die Sensibilisierung für Umwelt- und Klimaschutz im Allgemeinen sowie die notwendige Reduzierung von Kohlendioxid (CO2) und ein schonender Umgang mit Ressourcen im Besonderen das Thema ganz nach oben auf die energie- und umweltpolitische Agenda von Unternehmen und Politik.
Interessant wird Energieeffizienz jedoch nicht nur wegen des Klimaschutzes und ihres energiespezifischen Potenzials. So rückt sie für Technologiebranchen als Unterscheidungskriterium im Wettbewerb mehr und mehr in den Vordergrund. Energieeffizienz wird künftig für Technologieanbieter eine viel größere Rolle spielen, wenn es darum geht, sich vom Wettbewerb abzugrenzen und Wettbewerbsvorteile zu realisieren. Die Steigerung der Energieeffizienz hat bei gewerblichen wie privaten Kunden im Vergleich zu den Vorjahren deutlich an Relevanz gewonnen und wird sich in 10 Jahren zu einem zentralen Differenzierungsfaktor für Unternehmen entwickeln. Ebenso steigt in Zukunft die Bedeutung von Life-Cycle-Costing massiv an: Immer häufiger werden Kunden bei ihrer Kaufentscheidung neben dem Anschaffungspreis auch sämtliche während der gesamten Nutzungszeit anfallenden Kosten, also auch jene für den Energieverbrauch, berücksichtigen. Schließlich wird sich das Thema Energieeffizienz zunehmend als wesentliche und nachhaltige Markteintrittsbarriere für potenzielle Wettbewerber etablieren.
Ergo: Klima ist Business – auch und gerade in der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise! Im Klimaschutz stecken nicht nur Kosten, sondern auch Potenziale, Klimaschutz wird sich wirtschaftlich auszahlen, in zweierlei Hinsicht: Zunächst durch das augenfällige Einsparpotential - und durch verbesserte Absatzchancen, so wenn Unternehmen den Markt mit energieeffizienten Produkten und Produktionsverfahren beliefern (sofern nicht einseitige Auflagen zu Wettbewerbsnachteilen für europäische Güter führen, weil andere Wirtschaftsregionen auf solche Hürden verzichten).
Wie wichtig Energieeffizienz bei Betrachtung durch die wirtschaftliche Brille ist, sollen folgende Zahlen verdeutlichen:
Nach aktuellen Berechnungen können deutsche Unternehmen und Haushalte im Jahr 2020 ein Einsparvolumen von 53 Milliarden Euro gegenüber dem heutigen Niveau erreichen, was etwa 25% der gesamten Energiekosten in Deutschland entspricht.
In Deutschland wurden im vergangenen Jahr 2,38 Billionen Euro oder 44% aller Umsätze in Branchen erwirtschaftet, in denen entweder die Energieeffizienz der Produkte oder in denen die Energieintensität der Produktion von strategischer Relevanz ist, dies ist mehr als in allen anderen westlichen Industrienationen. Zu diesen Branchen, in denen der Wettbewerbsfaktor Energie eine Schlüsselrolle spielt, zählen bspw. Transport und Verkehr, Gebäudetechnik, energieintensive Industrien, Maschinen- und Anlagenbau, Informationstechnologie und IT-Services sowie die Energiewirtschaft selbst.
Klimaschutz in der deutschen Wirtschaft
Sprechen wir über Klimaschutz, so sprechen wir primär über CO2-Emission. Eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen in Deutschland bis 2020 um bis zu 30 % gegenüber dem Niveau von 1990 ist anspruchsvoll, aber machbar, und zwar ohne Einbußen für das Wirtschaftswachstum und bei Beibehaltung des Ausstiegs aus der Kernkraft 2021. Die dafür notwendigen Technologien sind heute bereits vorhanden und weitgehend serienreif. Rund zwei Drittel der Maßnahmen wären über ihre jeweilige Nutzungsdauer wirtschaftlich, bei sehr hohen Ölpreisen würde sich ein noch größerer Anteil der Vermeidungstechnologien wirtschaftlich realisieren lassen.
Welche Handlungsfelder müssen für den Klimaschutz primär in den Fokus genommen werden und um welche Einspardimensionen geht es hierbei?
Die Energiewirtschaft ist mit 40 Prozent Anteil größter Emissionsemittent. Bis zum Jahr 2020 will die deutsche Energiewirtschaft ihre Emissionen von heute 382 Mt CO2 auf 303 Mt reduzieren. Zudem soll der Anteil erneuerbarer Energien auf 30 Prozent der Bruttostromerzeugung steigen. Für die Branchenvertreter ist dabei trotz geringerer Wachstumsraten die Windenergie klarer Favorit, während andere Branchen eher auf Solarenergie setzen (immerhin existieren in Deutschland bereits ca. 1,3 Millionen Anlagen zur Erzeugung von Solarstrom und Solarwärme, darunter zahlreiche private Haushalte). Auch der Stromerzeugung aus Biomasse und der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) sowie dem verstärkten Einsatz von Biokraftstoffen wird großes Zukunftspotenzial attestiert.
Daneben schlummern in so genannten Smart-Grid-Lösungen zur Steuerung von Stromnetzen nach Einschätzung von Fachleuten ganz erhebliche Einsparpotenziale – ganz abgesehen davon, dass eine sichere, zukunftsfähige und effiziente Stromversorgung allein mit der Aufrüstung konventioneller Netze langfristig ohnehin nicht zu bewältigen sein wird. Smart Grid bezeichnet die Verbindung des Stromnetzes mit moderner Elektronik und kann mittelfristig eine dezentrale Energieerzeugung in großem Maßstab ermöglichen. Intelligente Netze bilden somit einen entscheidenden Ansatzpunkt, um die Senkung des CO2-Ausstoßes oder die Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien, zu erreichen. Ferner helfen sie Energieversorgern, auf verändertes Verbraucherverhalten – etwa auf einen Trend zu Elektroautos – flexibel zu antworten. Endverbraucher können mittels intelligenter Stromzähler (Smart Meter) in Echtzeit ihren Verbrauch kontrollieren und dann gezielt anpassen. Allein die flächendeckende Nutzung von Smart Meters und eines effizienten Nachfragemanagements (Demand Response) kann zu Einsparungen von über 10 TerraWh führen.
Neben der Energiewirtschaft sind vor allem die Sektoren Industrie und Verkehr relevant für den Klimaschutz. In der Industrie sollen bis 2020 etwa 28 bis 32 Mt CO2 gegenüber 2008 eingespart werden. Zwei Drittel davon könnten nach Experteneinschätzung über KWK erreicht werden. Im Transport- und Fahrzeugsektor müssen sich die Anstrengungen, durch innovativen Technologieeinsatz Emissionsreduktion zu erreichen, in den nächsten Jahren vervielfachen, da die Nachfrage nach Verkehrsleistung stetig wächst. Auch können innerhalb der nächsten Jahrzehnte voraussichtlich maximal fünf Prozent des PKW-Verkehrs auf Bus oder Schiene umgelegt werden. Insgesamt ist die Emissionsvermeidung in diesem Bereich am teuersten: Bis zu 500 Euro pro eingesparter Tonne CO2 können anfallen. Dennoch wird geschätzt, dass im Verkehrssektor im Jahr 2020 ein Energie-Einsparvolumen gegenüber heute in Höhe von 22 Mrd. Euro realisierbar ist, im Bereich Industrie immerhin weitere 10 Mrd. Euro.
Die Gebäudewirtschaft, gleich ob Wohngebäude, gewerbliche oder öffentliche Immobilien, ist mit einem Anteil von 17 Prozent am gesamten CO2-Ausstoß der dritte Großemittent. Hier liegt der größte Hebel zur Vermeidung von Treibhausgasen, folglich wurde hier von allen Sektoren bislang die höchste Emissionsreduktion erreicht. Dennoch müssen jährlich noch weitere drei Prozent Emissionen eingespart werden, um die Klimaziele zu erreichen – etwa durch energieeffiziente Heiz-, Klimatisierungs- und Lüftungssysteme, intelligentes Energiemanagement, dezentrale Kraft-Wärme-Kopplung, bessere Gebäudeisolierung. Schwierig hierbei sind die hohen Investitionskosten und langen Amortisationszeiten, was sich bei Mietimmobilien auch im Vermieter-/Mieter-Dilemma widerspiegelt, denn die dem Mieter zugutekommenden energiesparenden Investitionen können zumeist nicht diesen umgelegt werden. Folge: Investitionsstau. Das geschätzte Einsparvolumen durch Energieeffizienz für 2020 im Vergleich zu dem heutigen Verbrauchsniveau wird auf 21 Mrd. Euro beziffert.
In der Summe beträgt das heute geschätzte Energie-Einsparpotential deutscher Unternehmen und Haushalte für 2020 über 50 Mrd. Euro im Vergleich zum heutigen Niveau, das bedeutet ein Viertel der gesamten heutigen Energiekosten in Deutschland.
Neben diesen Handlungsfeldern für die Steigerung der Energieeffizienz sind zwei weitere wichtige Aspekte des Klimaschutzes der Vollständigkeit halber zumindest kurz zu erwähnen: Die Bekämpfung der Entwaldung bzw. konsequente Wiederaufforstung und die Unterstützung ökologischen Landbaus einerseits, das Abscheiden und Einlagern von CO2, also Carbon Capture and Storage (CCS) andererseits. Würde CCS weiträumig möglich werden, so wären bis 2030 CO2-Reduktionen von bis zu 40 % nicht unrealistisch, doch zu voraussichtlich hohen Kosten, zudem fehlt heute noch die Technologie hierfür.
Energieeffizienz und Klimaschutz im öffentlichen Bereich
Wenige Wochen nach der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen und dem dortigen Minimalkonsens ist das Engagement öffentlicher Institutionen in allen Bereichen des Klimaschutzes mehr denn je gefragt. Unabhängig von der deutlichen Vorbildfunktion der öffentlichen Hand, insbesondere der Städte und Gemeinden, werden ohne deren intensives und pro-aktives Eintreten für den Klimaschutzziele die diesbezüglichen bundesweiten Ziele nicht erreichbar sein. Dabei muss das Hauptaugenmerk auf den Verbrauch von Strom und Heizenergie fallen, denn über 90 % der CO2-Emissionen öffentlicher Einrichtungen entfallen hierauf. Als „klassische“ Sektoren für energieeffiziente Maßnahmen der öffentlichen Hand seien 4 Handlungsfelder einer kurzen Nahbetrachtung unterzogen:
Green IT:
Überraschend, doch leider wahr: Die durch den Stromverbrauch der IT-Infrastruktur weltweit verursachten Kohlendioxid-Emissionen liegen über denen des Luftverkehrs. In Deutschland gehen rund zehn Prozent des verbrauchten Stroms auf das Konto „Produktion und Nutzung“ von IT, allein die kommunalen Rechenzentren haben hieran einen Anteil von etwa 86,7 Millionen Kilowattstunden, das entspricht der Produktion von 56.000 Tonnen Kohlendioxid. Was noch alarmierender ist: Bis 2013 soll der Energieverbrauch deutscher Rechenzentren um 50 Prozent ansteigen, nach anderen Zahlen auf dem heutigen Niveau verbleiben – aber auch nicht zurück gehen. Gleich welche Annahme Recht behält - aus diesen Zahlen ergibt in jedem Fall zugleich Handlungsbedarf wie Einsparpotential für energieeffiziente IT-Infrastrukturen.
1. Im Rechenzentrum lassen sich die größten Einspareffekte realisieren. Mit modernen Technologien kann der Stromverbrauch der Server um bis zu 40 % gesenkt werden, hinzu kommen Effekte durch administrative Maßnahmen wie Serverauslastung, Serverkonsolidierung oder deren Virtualisierung. Doch die Server schlucken ohnehin nur rund die Hälfte des Stromverbrauchs im Rechenzentrum, die andere Hälfte geht auf das Konto von Kühlung, Stromverteilung und sonstiger Infrastruktur. Folglich können insbesondere moderne Klimalösungen und unterbrechungsfreie Stromversorgungen mit hohem Wirkungsgrad dazu beitragen, den Energieverbrauch in Rechenzentren zu senken.
2. Ein energieeffizienter PC kann gegenüber einem ineffizienten 50 Prozent und mehr Strom einsparen. Voraussetzungen hierfür sind auf den wirklichen IT-Bedarf angepasste und optimal konfigurierte Geräte nach dem Stand der Technik, idealerweise Thin Client-Lösungen statt vollwertige PCs.
Beleuchtung und Klimatisierung:
Klima- und Lüftungsanlagen können bis zu 20 % des Stromverbrauchs von Bürogebäuden ausmachen, bei der Beleuchtung sind es sogar bis zu 50 % (etwa 11 % der elektrischen Energie werden in Deutschland für Beleuchtung verbraucht!). Folglich sind die Einsparpotenziale in diesen Bereichen enorm. So können mit modernen Beleuchtungssystemen, d.h. Leuchten/Lampen plus intelligente Steuerungen, leicht 50 % und mehr der bisherigen Stromkosten eingespart werden, so dass sich selbst weitreichende Investitionen in Energieeffizienzmaßnahmen zumeist schon nach wenigen Jahren amortisieren.
Straßenbeleuchtung:
Fast die Hälfte der kommunalen Straßenbeleuchtungssysteme in Deutschland befindet sich noch auf dem Stand der Technik der 1960er Jahre. Dabei können Städte und Gemeinden mithilfe einer energieeffizienten Straßenbeleuchtung, d.h. effizienter Leuchtmittel und bedarfsgerechter Beleuchtungssteuerung, Stromeinsparungen von 30 bis 50 % erzielen.
Gebäude:
Die Gebäudewirtschaft bietet auch im öffentlichen Sektor die herausragenden Möglichkeiten zur Senkung des CO2-Ausstoßes, insbesondere für den größten öffentlichen Gebäudebesitzer Deutschlands, die Kommunen. Durch umfassende Sanierung der Gebäudehülle ist eine Senkung des Heizenergieverbrauchs von wenigstens 60 %, in Einzelfällen bis zu 90 % möglich. Hinzu treten Einsparpotenziale von 30 % und mehr durch moderne Heizungstechnik sowie weitere Einspareffekte von 5-15 % durch optimierte Regelungstechnik und Gebäudeautomation.
Umweltfreundliche öffentliche Beschaffung - Green Public Procurement
Trotz aller greifbaren Einsparmöglichkeiten, der Vorbildwirkung und der Bekenntnisse für behördlich betriebenen Klimaschutz erstaunt es, dass deutsche Behörden ökologische bzw. energieeffiziente Aspekte bei der Beschaffung seltener als öffentliche Einrichtungen anderer europäischer Länder berücksichtigen (zum Vergleich: liegt der Anteil umweltfreundlicher Güter am öffentlichen Beschaffungsvolumen in Großbritannien bei 74 %, im europäischen Schnitt immerhin noch bei 45 %, erreicht er in Deutschland gerade mal 30 %, so eine Studie von PWC im Auftrag der Europäischen Kommission). Bedenkt man, dass auf Ausgaben des öffentlichen Sektors für Waren und Dienstleistungen in Deutschland ca. 260 Mrd. Euro, das sind etwa 11 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, entfallen, bekommt man eine ungefähre Vorstellung davon, welches Gewicht eine konsequent an ökologischen Kriterien ausgerichtete öffentliche Beschaffung für die Reduzierung der CO2-Emissionen hätte.
Heute bewirkt die öffentliche Hand in Deutschland mittels Green Public Procurement (so der übliche Begriff für ressourcenschonende Beschaffung) nur eine CO2-Verminderung von 9 % (gegenüber 20 % und mehr in anderen europäischen Ländern). Ergo wird in Deutschland derzeit nicht nur das enorme unmittelbare Einsparpotential, sondern auch das strategische Tool, durch staatliche Nachfrage die Markteinführung klimaschonender, energieeffizienter Produkte zu fördern, nicht optimal genutzt.
Freilich achten die meisten öffentlichen Institutionen bei der Beschaffung auch auf ökologische Kriterien, Umweltaspekte haben die Mehrzahl der öffentlichen Ein-richtungen in ihre Einkaufsrichtlinien aufgenommen, aber in nur 20 % Prozent der Verwaltungen existiert ein systematisches Umweltmanagement mit konkreten Zielvorgaben für die Be¬schaf¬fung umweltgerechter Waren und Dienstleistungen. In nicht wenigen öffentlichen Institutionen in Deutschland werden Umwelt- und Klimaschutzaspekte sogar praktisch gänzlich ignoriert. Strom aus erneuerbaren Energie¬quellen beispielsweise fließt noch längst nicht in jeder öffentlichen Einrichtung. In Deutschland hat nur jede vierte Behörde einen entsprechenden Liefer¬vertrag abgeschlossen (manche allerdings mit einer Deckungsquote von 100 %), in Österreich oder den Niederlanden sind es hingegen 80 % der Verwaltungen.
Was sind nun die Gründe für diese Zurückhaltung? Das Vergaberecht mag in der Vergangenheit die Verfolgung umweltrelevanter Belange im Rahmen von Beschaffungen nicht immer einfach gemacht haben, jedoch kann dies heute nicht mehr als Hindernis gelten, denn mit der Reform des Vergaberechts 2009 ist ausdrücklich klargestellt, dass soziale, umweltbezogene und innovative Aspekte bei der Vergabe öffentlicher Aufträge berücksichtigt werden können, also keine vergabefremden Aspekte darstellen.
Schwieriger sieht es oftmals mit dem nötigen Know-How auf Beschafferseite aus. Die technischen wie kostenseitigen Zusammenhänge höchstdifferenzierter Technologien können auch Experten in ihrer Komplexität überfordern, so dass selbst extern eingekaufter Sachverstand von Fachingenieuren längst nicht immer eine verlässliche Abhilfe bietet. Hier kann nur kontinuierliche Fortbildung, behördenübergreifende Kooperation und ständiger Austausch mit Fachinstitutionen wie Energieagentur, Umweltbundesamt usw. Abhilfe schaffen. Zudem kann trotzt zentraler Beschaffung die Verteilung relevanter Kompetenzen innerhalb ein und derselben Institution – von Finanzen über Umwelt bis Fachlichkeit –, verbunden mit einer mangelnden verursachergerechten Kostenzuordnung, der konsequenten Verfolgung ökologischer Zielstellungen im Wege stehen.
Kein generelles K.O.-Kriterium für ökologisch vorteilhafte Beschaffung kann bei Licht besehen der Preis sein. Entgegen einer weit verbreiteten Ansicht muss ökologisch nachhaltiger Einkauf für die öffentliche Hand gar nicht teurer sein, sondern stellt sich bei Gesamtkostenbetrachtung meist sogar günstiger als die Beschaffung konventioneller Waren dar. So zeigt die erwähnte PWC-Studie auf, dass Green Public Procurement im Vergleich zur herkömmlichen Beschaffung zu Kosteneinsparungen von durchschnittlich 1 % führt (bei Bauwerken sogar 10 % und im Transportsektor immer hin noch 3 %). Entscheidend hierfür ist, dass dem meist deutlich höheren Einkaufspreis für umweltfreundliche Güter in der Regel niedrigere Nutzungs- und Instandhaltungs- sowie Entsorgungskosten nachfolgen. Somit schützt umweltorientierte Beschaffung nicht nur das Klima, sondern auch den Etat – und dies gleich in zukunftsweisender Hinsicht. Denn die Umweltgesetzgebung wird in Europa immer strenger – umweltorientierte Beschaffung bietet entsprechend hohe Investitionssicherheit.
Nun sind Investitionen aus eigener Tasche dann schwierig, wenn diese Tasche leer ist, das ist bei der öffentlichen Hand inzwischen leider die Regel. Mag angesichts der Notwendigkeit einer Erneuerung technischer Einrichtungen Offenheit für eine Lebenszyklus-Gesamtkosten-Betrachtung bestehen, werden für den Austausch noch funktionsfähiger technischer Ausstattungen durch neue energiesparende Technik meist keine Finanzmittel bereitgestellt, wobei wirtschaftliches Entscheidungskriterium meist nur die nicht finanzierbaren Anschaffungskosten der energiesparenden Technologie sind.
Die Finanzmisere muss aber kein zwingender Grund für die öffentliche Hand sein, Chancen zum Energiesparen ungenutzt zu lassen. Betreiber- bzw. Contracting-modelle können einen gangbaren Weg in Richtung Energieeffizienz und damit Klimaschutz insbesondere in Bereichen wie Gebäude- und Straßenbeleuchtung, Regelungstechnik, Anlagentechnik und dezentrale Energiewirtschaft aufzeigen.
Es handelt sich hierbei um vielfach erprobte Modelle zur Energieeffizienzsteigerung und CO2-Reduzierung in öffentlichen Liegenschaften, die gerade auf der Bewertung der Total Costs of Ownership basieren und bei denen an die Stelle öffentlicher Eigeninvestitionen privatwirtschaftliches Kapital und Know-How treten. Ein Dienstleister mit längerem Anlagehorizont plant und unterhält die Energieeinsparmaßnahme, übernimmt die Finanzierung der Anfangsinvestition und erhält seinen Return über die Energieeinsparungen, zuweilen auch über zusätzliche Fördermittel, trägt aber auch das technische und wirtschaftliche Risiko. Der öffentliche Partner ist ab dem ersten Jahr an der Einsparung beteiligt, i.d.R. mit einer Einspargarantie in festgelegter %-Höhe. Da sich die Maßnahmen über die Vertragslaufzeit refinanzieren müssen, sind für den privaten Partner vor allem Maßnahmen mit besonders hoher Wirtschaftlichkeit attraktiv, etwa größere Liegenschaften oder Liegenschaftspools.
Im Ergebnis ist somit festzuhalten: Im Klimaschutz stecken für den öffentlichen Sektor nicht nur Kosten, sondern beachtliche Potenziale, Klimaschutz kann finanziellen Nutzen schaffen und sich wirtschaftlich auszahlen. Die dafür notwendigen Technologien sind bereits vorhanden und weitgehend serienreif. Ein Großteil der Maßnahmen sind über ihre jeweilige Nutzungsdauer schon heute wirtschaftlich. Die Möglichkeiten, Umweltbelange in den Beschaffungsprozess der öffentlichen Hand zu integrieren werden jedoch noch längst nicht ausgeschöpft. Damit bleibt ihr reichlich Entwicklungsraum für CO2-Einsparung.
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Der Autor, Dr. Andreas Kulczak, verfügt als Bürgermeister und Geschäftsführer verschiedener Großbehörden in Deutschland über umfängliche Expertise im Themenfeld Public Procurement. Neben seiner heutigen Tätigkeit als Strategieberater für private wie öffentliche Unternehmen befasst er sich mit Energie- und Ressourceneffizienz im öffentlichen Raum.
Redaktionsbüro Dörner
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Datum: 14.04.2010 - 11:13 Uhr
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