"Junkfluencer": Werbung findet nicht im rechtsfreien Raum statt - das gilt auch für Influencer-Marketing (FOTO)
(ots) - Der heute veröffentliche Foodwatch-Report unter dem reißerischen Titel "Junkfluencer" wirft Lebensmittelherstellern vor, mit Hilfe von Influencern gezielt Werbung an Kinder zu richten, dabei Eltern wissentlich zu umgehen und damit einer unausgewogenen Ernährung Vorschub zu leisten.
Dazu stellt der Lebensmittverband Deutschland fest:
- Für Werbung in alle Medienkanälen gibt es in Deutschland Regeln - insbesondere, wenn sie sich an Kinder richtet.
- Social-Media-Kanäle unterliegen zusätzlichen Beschränkungen, auch durch die Plattformen selbst. So gilt etwa bei Instagram und Tiktok laut Nutzungsbedingungen das Mindestalter von 13 Jahren. Facebook hat strenge Werberichtlinien, nach denen keine Produkte gegenüber Minderjährigen beworben werden dürfen, die "unangemessen, illegal oder unsicher sind bzw. die die ausgewählten Altersgruppen ausnutzen, irreführen oder unzulässigen Druck auf sie ausüben." Die Nutzung von YouTube ist erst ab 16 Jahren gestattet, außer sie geschieht im Rahmen eines Familienkontos unter elterliche Aufsicht, dann ab 13 Jahren.
- Bei Ernährung und Medienkonsum von Kindern haben Eltern eine wichtige Vorbildfunktion und die zentrale erzieherische Verantwortung. Alle über die gesetzlichen und freiwilligen Auflagen hinausgehenden Einschränkungen obliegen in erster Linie ihnen. Dazu gehört auch, Kindern beizubringen, dass nicht jeder Wunsch oder jedes Bedürfnis sofort erfüllt werden kann.
- Der Social-Media-Konsum von Kinder und Jugendlichen fällt in den Verantwortungsbereich der Eltern. Daneben ist es auch Aufgabe der Schulen, dass Kinder und Jugendliche entsprechend ihrer Altersstufe Medienkompetenz entwickeln und lernen, auf dieser Grundlage eigenverantwortlich Entscheidungen zu treffen.
Der Foodwatch-Report ist methodisch unausgewogen, denn es wird nur ein kleiner Ausschnitt der gesamten Influencer-Kommunikation untersucht - jener Teil, den Foodwatch als kritikwürdig ansieht. Diese Produkte werden vorwiegend anhand von Markennamen identifiziert, aber Produkte ohne Markennamen wie Gemüse, Obst sowie selbst gekochte oder gebackene Speisen, die einen großen Teil der Influencer-Kommunikation darstellen, werden eben so wenig berücksichtigt, wie Marken, die für besonders abwechslungsreiche, kalorienarme Ernährungsstile stehen. Auch Werbung für nachhaltige Produkte sowie pflanzliche Alternativen wird ausgeklammert.
Damit im Zusammenhang steht ein weiterer Fehler, bei dem Korrelation und Kausalität verwechselt werden: Geworben wird vorwiegend für Markenprodukte, weil diese in der Regel eine höhere Gewinnmarge bieten. Für Obst oder Gemüse wird nicht weniger geworben, weil sie eine geringe Marge haben (wie Foodwatch behauptet), sondern weil sie in der Regel keine Markenprodukte sind.
Ein Großteil der Beiträge von Influencern im Zusammenhang mit Lebensmitteln entsteht häufig ohne Zutun der Unternehmen. Sie können es in diesen Fällen weder verhindern, noch beeinflussen, dass ihre Produkte - im guten, wie im schlechten Sinne - in Social Media aufgegriffen werden. Die Kooperation von Influencern und Unternehmen beruht oft auf langjährigen, vertrauensvollen Beziehungen. Influencer als kritiklose Werbemarionetten darzustellen, wird ihrer Arbeit nicht gerecht.
"Dass Influencer mit Werbung ihren Lebensunterhalt bestreiten ist ein zehn Jahre alter Hut, offenbar gehen Foodwatch die Themen aus", sagt Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer des Lebensmittelverbands Deutschland. "Es ist aufschlussreich, was für krude Feindbilder hier bemüht werden und das, obwohl Foodwatch selbst mit emotional aufgeladene Kampagnen im Social Web um Spender wirbt."
Werbung findet nicht im rechtsfreien, ungeregelten Raum statt
Werbung ist in Deutschland durch eine Vielzahl von Gesetzen und Verordnungen detailliert geregelt. So ist z. B. jede irreführende und unwahre Werbung verboten. Ebenso müssen Werbemaßnahmen als solche erkennbar sein. Schleichwerbung ist nicht erlaubt. Social-Media-Kanäle wie YouTube, Instagram oder Tiktok unterliegen in Deutschland - wie alle anderen Medien auch - unter anderem der Kontrolle durch die Landesmedienanstalten. Diese überwachen vor allem den Jugendschutz und die Einhaltung der Werberegelungen, insbesondere das Gebot der Trennung von redaktionellen Beiträgen und Werbung sowie die richtige Kennzeichnung. Bezahlte Kooperationen müssen als solche gekennzeichnet werden und werden dies auch.
Welche Regelungen gelten für die Lebensmittelwerbung?
Über die gesetzlichen Regelungen hinaus übernimmt die Lebensmittelwirtschaft aktiv Verantwortung. Im Jahr 2009 hat die Lebensmittelwirtschaft mit den im Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft e. V. (ZAW) zusammengeschlossenen Organisationen gemeinsame Verhaltensregeln für die kommerzielle Kommunikation für Lebensmittel aufgestellt (https://www.werberat.de/lebensmittel). Demnach ist in der Markt-Kommunikation der Lebensmittelwirtschaft alles zu unterlassen, was als Aufforderung zu einer übermäßigen und einseitigen Ernährung verstanden werden könnte. Dies betrifft jede Form von Werbung, online wie offline.
Außerdem haben Verbraucher durch den Deutschen Werberat die Möglichkeit, sich auch dann gegen Inhalte jeglicher Art von Werbung wehren zu können, wenn Anzeigen oder Spots nach dem Empfinden des Verbrauchers nicht akzeptabel sind. Wer eine Werbemaßnahme als anstößig empfindet, kann sich an den Werberat wenden.
Für an Kinder gerichtete Werbung gelten besondere Regeln
Bei der Gestaltung und Durchführung von Werbemaßnahmen gilt in Bezug auf die besonders schützenswerte Gruppe der Kinder und Jugendlichen ein noch strengerer Maßstab. So ist z. B. der direkte Kaufappell gegenüber Kindern unzulässig. Damit sind Aufforderungen an Kinder wie "Kauf dir das!" oder "Hol dir das!" und jede Form der Ausnutzung von geschäftlicher Unerfahrenheit und Leichtgläubigkeit untersagt.
Über das gesetzliche Verbot der direkten Kaufaufforderung hinaus, darf an Kinder gerichtete Werbung, gemäß der Regeln des Deutschen Werberates, auch keine direkten Aufforderungen zum Konsum enthalten wie z. B. "Probier'' doch mal!". Die Regelungen des Werberates besagen außerdem, dass Werbung auch keine direkte Aufforderung an Kinder enthalten darf, ihre Eltern, sonstige Erwachsene oder andere Kinder zum Kauf des beworbenen Produkts zu bewegen.
Darüber hinaus haben sich auf EU-Ebene eine Reihe von Unternehmen im Rahmen des sogenannten EU-Pledge weitergehende Werbebeschränkungen auferlegt. Die Hersteller haben sich im Rahmen dieser Initiative beispielsweise freiwillig verpflichtet, die Werbung an Kinder unter zwölf Jahren zu beschränken. Ein Produkt darf nur dann gegenüber Kindern unter zwölf Jahren beworben werden, wenn es alle Nährwertkriterien des EU-Pledge für die entsprechende Produktkategorie einhält. Einige Unternehmen verpflichten sich zudem, generell keine Werbung an Kinder unter sechs Jahren bzw. an Kinder unter zwölf Jahren zu richten.
Gemäß der AGBs von Instagram und TikTok ist diese Altersgruppe grundsätzlich von der Nutzung der Plattformen ausgeschlossen, eine Nutzung ist erst ab 13 Jahren gestattet. Sollten Kinder im Alter unter 13 dennoch die Plattformen nutzen, so liegt dies in der Verantwortung der Erziehungsberechtigten.
Werbung und Medien sind unverzichtbar
Werbung für Waren und Dienstleistungen ist ein unverzichtbares Element des Wettbewerbs, ohne das das System der sozialen Marktwirtschaft nicht funktionsfähig wäre. Es ist Zweck und Ziel aller Werbemaßnahmen, ein Produkt oder eine Marke gegenüber Wettbewerbern hervorzuheben und Kaufimpulse zu setzen. Werbung informiert dabei über vorhandene sowie neue Angebote und soll dem Verbraucher damit die Suche nach Produkten, Preisen und Bezugswegen erleichtern. Wer als Hersteller für seine Erzeugnisse wirbt, stützt und erweitert den Bekanntheitsgrad seiner Marken, definiert das Image seines Produkts und macht Kunden auf die Präsenz und die Vorteile eines Produkts aufmerksam. Verbraucher profitieren durch Werbung vom Wettbewerb, der für Produktvielfalt, Produktinnovation und für Preisregulierung durch den Markt sorgt.
Selbstverpflichtungen wirken
Dass Selbstverpflichtungen wirken, zeigt auch die Selbstverpflichtung der Wirtschaft im Rahmen der Nationalen Reduktions- und Innovationsstrategie. Diese hat bereits zu deutlich messbaren Veränderungen bei der Zusammensetzung von Produkten geführt, wie der erste Zwischenbericht des Max-Rubner-Instituts (MRI) belegt. Das MRI schlussfolgert in seinem Bericht, dass signifikante Verringerungen der Zucker- und Energiegehalte im Vergleich zu den Basiserhebungen in allen untersuchten Produktgruppen zu verzeichnen sind. Gerade bei den Produkten mit Kinderoptik sind in der Folgeerhebung 2019 deutliche Verringerungen bei den Zucker- und Energiegehalten zu beobachten, die sowohl statistisch signifikant als auch aus ernährungsphysiologischer Sicht relevant sind. Spezielle Auswertungen zeigen, dass Joghurtzubereitungen mit Kinderoptik den niedrigsten Zuckergehalt gegenüber fast allen anderen Untergruppen der Joghurtzubereitungen aufweisen. Dies ist auch für die marktrelevanten Produkte zu beobachten. Bei gesüßten Quarkzubereitungen sind deutliche Reduktionen in den Zucker- und Energiegehalten bei den Produkten mit Kinderoptik feststellbar
Der Prozess der Reformulierung ist keineswegs abgeschlossen, sondern läuft weiter. Die Reduktion ist aber mit der Reformulierung von Rezepturen, mit aufwändigen technisch-organisatorischen Umstellungen und einer Heranführung der Verbraucher an Veränderungen bei Geschmack, Aussehen und Textur verbunden. Nur wenn die veränderten Rezepturen von den Verbrauchern dauerhaft akzeptiert werden, kann die Strategie nachhaltig erfolgreich sein.
Lebensmittelverband Deutschland e. V.
Der Lebensmittelverband Deutschland e. V. ist der Spitzenverband der deutschen Lebensmittelwirtschaft. Ihm gehören Verbände und Unternehmen der gesamten Lebensmittelkette "von Acker bis Teller", aus Landwirtschaft, Handwerk, Industrie, Handel und Gastronomie an. Daneben gehören zu seinen Mitgliedern auch private Untersuchungslaboratorien, Anwaltskanzleien und Einzelpersonen.
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Datum: 17.02.2021 - 15:32 Uhr
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