Brexit und die Folgen für deutsche Sektoren: Stark verbunden, aber im Rückwärtsgang (Brexit Briefing #14 von Deloitte)
(ots) -
- Seit dem Brexit-Votum hat der britische Markt für deutsche Firmen in vielen Sektoren an Bedeutung verloren - Export- und Umsatzrückgang v.a. in der Automobilindustrie, der Verkehr- und Logistikbranche, dem Finanz-und Versicherungswesen - Deutsche Automobilindustrie bleibt mit 48 Mrd. EUR umsatzstärkste Branche im Vereinigten Königreich, Tendenz stark rückläufig - Einzig der Groß-und Einzelhandel sowie die Informations- und Kommunikationsbranche haben ihre Umsätze seit 2015 steigern können - Absolute Export- und Umsatzrückgänge dürften vor allem am gefallenen Pfundkurs liegen - aber auch der relative Anteil an Umsätzen und Beschäftigung deutscher Großunternehmen sinkt
Rund 80 Tage vor dem Ablauf der Brexit-Übergangsfrist sind immer noch viele Fragen offen, vor allem wie die künftigen Handelsbeziehungen aussehen werden. Sicher ist einzig, dass über vier Jahre Unsicherheit über die künftigen Beziehungen die Exporte und Umsätze deutscher Firmen beeinträchtigt haben. Dennoch ist die wirtschaftliche Verbundenheit zwischen Deutschland und Großbritannien immer noch groß: Deutsche Großunternehmen beschäftigen 375.000 Arbeitnehmer in Großbritannien und verdienen jeden 14. Euro auf den britischen Inseln. Deloitte nimmt daher in seinem 14. Brexit Briefing "Die Verflechtung deutscher Sektoren mit dem Vereinigten Königreich" unter die Lupe und beleuchten zugleich die "Trends seit dem Brexit-Referendum".
"Großbritannien war immer ein sehr wichtiger Markt für deutsche Unternehmen. Er ist es auch jetzt noch, aber die Unsicherheit seit dem Referendum hat deutliche Spuren hinterlassen", sagt Dr. Alexander Börsch, Chefökonom bei Deloitte Deutschland. "Diese Spuren sind bereits jetzt sichtbar, unterscheiden sich aber je nach Sektor. In unserem aktuellen, immerhin schon 14. Brexit-Briefing wollten wir daher die Betroffenheit deutscher Sektoren durch den Brexit untersuchen. Die meisten Sektoren verzeichnen rückläufige Exporte und Umsätze im Vereinigten Königreich, nur sehr wenige konnten sie steigern. Ein No-Deal-Brexit bleibt ein Risikofaktor für die deutschen Unternehmen, vor allem in der derzeitigen Konjunktursituation"
Rückgang auf breiter Front
Kernfrage des aktuellen Briefings ist, welche deutschen Branchen am stärksten mit dem Vereinigten Königreich verbunden sind, und wie sich Umsätze, Exporte und Beschäftigung deutscher Unternehmen jenseits des Ärmelkanals seit 2015 entwickelt haben. Um die Umsatz- und die Beschäftigungstrends abbilden zu können, wurden deutsche Unternehmen mit Tochterunternehmen in Großbritannien untersucht, die dort mindestens 100 Arbeitnehmer beschäftigten. Die Antworten sind nicht ermutigend: So sanken die Umsätze deutscher Großunternehmen auf dem britischen Markt seit 2015 deutlich, und zwar um fast 24 Mrd. EUR auf 171 Mrd. EUR (minus 12 Prozent); die Exporte sanken im selben Zeitraum um knapp 7 Mrd. EUR (minus 6 Prozent) auf 111 Mrd. EUR, wobei der Rückgang in erster Linie Warenexporte betraf, die besonders stark zurückgingen (minus 10 Mrd. EUR; minus 12%). Die Dienstleistungsexporte sind dagegen um 2,5 Mrd. EUR (plus 10 %) gestiegen. Das Wachstum im Informations-und Kommunikationssektor wurde durch Zuwächse digitaler Dienstleistungen getrieben, hier stiegen die Exporte nach Großbritannien um 1,1 Mrd. EUR.
Unterschiedliche Betroffenheit der Sektoren
Die Automobilindustrie bleibt mit einem jährlichen Umsatz von 48 Mrd. EUR (2019) die umsatzstärkste deutsche Branche im Vereinigten Königreich. Nichtsdestotrotz sanken deutsche Exporte nach Großbritannien seit dem Referendum um mehr als ein Viertel und damit unter den betrachteten Branchen am stärksten. Die direkt im Vereinigten Königreich generierten Umsätze sanken dagegen "nur" um 2,6 Mrd. EUR. Absolut gesehen war der Umsatzrückgang im zweitgrößten Sektor bei den Finanz- und Versicherungsdienstleistern mächtiger - sie verzeichneten in den vergangen fünf Jahren sogar Umsatzeinbußen von 6,5 Mrd. EUR im Vereinigten Königreich. Auch die nächstgroße Branche, Verkehr- und Logistik musste mit einem Umsatzrückgang von 5,2 Mrd. EUR seit 2015 ordentlich Federn lassen. Einzig der Groß- und Einzelhandel konnte seine Umsätze im Vereinigten Königreich als einziger der gewichtigen Sektoren ausweiten (plus 2,8 Mrd. EUR), die Expansion deutscher Discounter und E-Commerce-Unternehmen spielt hierbei eine wichtige Rolle.
Noch bestehen starke Bande
Trotz allen Rückgangs: Die Verbundenheit mit dem Vereinigten Königreich bleibt groß - immerhin verdienen deutsche Unternehmen jeden 14. Euro im Vereinigten Königreich und beschäftigen dort 375.000 Mitarbeiter. Die absolute Beschäftigung ist seit 2015 sehr stabil geblieben, relativ gesehen ist aber sowohl der Anteil der im Vereinigten Königreich generierten Umsätze als auch der angestellten Mitarbeiter in fast allen Branchen rückläufig. Mit fast 100.000 in Großbritannien beschäftigten Mitarbeiter deutscher Firmen bleibt die Verkehr- und Logistik-Branche am stärksten mit dem Vereinigten Königreich verflochten und beschäftigt allein 25 Prozent aller britischen Mitarbeiter deutscher Unternehmen. Größte und umsatzstärkste Arbeitgeber sind die DAX-Unternehmen, die für mehr als 70% der deutschen Umsätze (120 Mrd. EUR) in UK verantwortlich sind und mit 200.000 Mitarbeitern rund 50 Prozent der Angestellten deutscher Großunternehmen in Großbritannien beschäftigen.
Schwaches Pfund belastet das Geschäft, aber auch relativer Bedeutungsverlust Großbritanniens
"Nicht nur die unklare Brexit-Situation ab 2021 betrifft deutsche Firmen in Großbritannien", sagt Börsch: "Die aktuellen Währungseffekte haben unmittelbare Folgen für deutsche Firmen: Sinkende Umsätze und Exporte - gekoppelt mit stabiler Beschäftigung in UK - legen nahe, dass vor allem der gefallene Pfundkurs - seit 2015 immerhin 15 Prozent Wertverlust - für einen großen Teil des Rückgangs beim UK-Geschäfts verantwortlich sein dürfte. Ein Hinweis, dass die deutschen Unternehmen sich eher auf andere Märkte fokussieren, findet sich bei den sinkenden relativen Anteilen des britischen Geschäftes an der gesamten Beschäftigung und an den Umsätzen der Unternehmen. Die festgestellte Zunahme der Dienstleistungsexporte indes ist eine Folge des generellen Trends im Welthandel, der sich in Richtung digitale Dienstleistungen bewegt."
Inhaltlich verantwortlich ist Dr. Alexander Börsch, Chefökonom bei Deloitte.
Die vollständige Studie finden Sie auf unserer Website: http://ots.de/GqM6sN
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Datum: 13.10.2020 - 08:00 Uhr
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