"Der digitale Wahnsinn muss ein Ende haben. Stoppen Sie die Telematik-Einführung!"
Das Deutsche Psychotherapeuten Netzwerk (DPNW) fordert: Aussetzung der Telematik, Abschaffung von Zwangsabzügen bei TI-Verweigerern und kein Zulassungsentzug bei Nichtanschluss an die TI.
(IINews) - Das Jahr 2020 stellt unbestritten viele in der Medizin vor ungeahnte Herausforderungen. Das Gesundheitsministerium mit Jens Spahn an der Spitze will nun mit aller Macht die Digitalisierung des Gesundheitswesens erzwingen. Der DPNW-Vorsitzende Dieter Adler appelliert eindringlich: "Lieber Herr Spahn, dieser digitale Wahnsinn muss ein Ende haben. Hier hilft keine Therapie. Stoppen Sie die Telematik-Einführung!"
Bedrohungen für die Existenz von niedergelassenen Psychotherapeuten
Niedergelassene ärztliche Psychotherapeuten müssen ab dem 01. Januar an die Telematik-Infrastruktur (TI) angeschlossen sein, andernfalls drohen ihnen harte Konsequenzen - bis zum Entzug der Praxislizenz. Denn Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sind ab 2021 digital an die Krankenkassen zu übermitteln. Erfolgt dies nicht in der vorgegebenen Weise, stellt dies eine vertragsärztliche Pflichtverletzung dar. Dies kann ein Disziplinarverfahren oder sogar ein Zulassungsentziehungsverfahren zur Folge haben.
Exorbitante IT-Kosten ohne Mehrwert
Die Telematik ist Ende Mai ausgefallen und hat viele tausend bereits an die TI angeschlossene Arztpraxen lahmgelegt. Dieter Adler sagt dazu: "Das Gesundheitsministerium bürdet dem kleinsten Rad im System die größten persönlichen und finanziellen Risiken auf. Sowohl im Datenschutz wie bei den Finanzen stehen wir quasi mit einem Bein im Knast. Tolle Aussichten."
Datenpannen sind vorprogrammiert
Die technischen Pannen, die die Telematik für längere Zeit lahmgelegt haben, werfen ihre Schatten auf künftige Risiken voraus. Abgesehen von den Umständen, die sich aus den technischen Schwierigkeiten ergeben, kündigen sich zwangsläufig Datenpannen an. Der DPNW erwartet, dass im schlimmsten Fall Millionen von Patientenakten gehackt werden, mit denen dann erpresserisch online gehandelt wird. Dieser Befund erwächst aus den Erfahrungen, die in anderen Industrien gemacht wurden (Telekom-Kundendaten, Kreditkartendaten, Kontodaten). Im Medizinbereich sind solche Datenpannen bereits in Großbritannien, den USA und Norwegen massenhaft passiert. Zudem befürchtet der DPNW: "Werden die zentral gespeicherten Daten für weitere Anwendungsbereiche, wie der Forschung geöffnet, sind wir auf dem Weg zum gläsernen Patienten."
"Ja" zur Digitalisierung, aber nur dezentral
Dieter Adler betont: "Wir sind nicht gegen die Digitalisierung oder gegen die elektronische Patientenakte - im Gegenteil. Aber wir sind gegen eine zentrale Datenspeicherung. Persönlichkeitsrechte gehen hier eindeutig vor technischer Entwicklung. Die eigenen Patientendaten in einer Datei zu speichern, ist zeitgemäß und sinnvoll. Aber nicht auf einem zentralen Server, das ist nur gefährlich. Bitte nur dezentral!"
Dezentral heißt im Sinne des Psychotherapeutenverbandes: Speicherung auf einem eigenen Datenspeicher, auf den nur der Versicherte Zugriff hat. Dies könnte beispielsweise ein hardwareverschlüsselter Chip auf der Versichertenkarte oder ein USB-Stick sein. So kann der Patient selbst entscheiden, wer diese Daten sehen darf und wer nicht.
Dieter Adler ermahnt alle TI-Beteiligten: "Die besonders sensiblen Daten aus einer Psychotherapie haben auf einem Server nichts zu suchen! Knapp 90 Prozent der Versicherten wollen auf keinen Fall, dass ihre Daten in einer elektronischen Patientenakte gespeichert werden. Es ist wichtig, dass alles, was in der psychotherapeutischen Praxis gesagt wird, auch dort bleibt."
Besonderes Vertrauensverhältnis Patient-Psychotherapeut muss geschützt werden
Der DPNW vertritt die Überzeugung, dass das Patienten-Psychotherapeuten-Verhältnis ein besonderes Vertrauensverhältnis ist, das durch eine zentrale Datenspeicherung zerstört wird.
DPNW-Vorstandsmitglied Robert Warzecha erläutert: "Die Psychotherapie ist ein besonders schützenswerter und sensibler Veränderungsprozess, der unter keinen Umständen seine Vertrauensbasis verlieren darf. Eine zentrale und fremdbestimmte Speicherung der Patientendaten würde diese verletzen. Behandler und ihre Patienten geraten unter enormen Druck. Im schlimmsten Falle werden sie emotional voneinander entkoppelt, da nicht sicher sein kann, was mit den privaten Patientendaten passiert. Die Angst vor Datenmissbrauch und den Folgen würde bei unseren Patienten emotionale Wahrnehmungs- und Bearbeitungsprozesse massiv hemmen oder völlig blockieren, was den Einsatz psychotherapeutischer Techniken immens erschweren würde."
Warzecha plädiert: "Hilfs- und behandlungsbedürftige Menschen in persönlichen Lebenskrisen dürfen nicht zum Renditeobjekt der Industrie, der Forschung oder zum Crashdummy politischer Digitalisierungsbeschleunigungstests werden. Wer die Leidtragenden sind, steht doch außer Frage."
Neun von zehn Patienten lehnen die zentrale Speicherung ab
Knapp 86 Prozent der Versicherten legen nach der neuesten Umfrage des DPNW die zentrale Datenspeicherung ab. Im Frühjahr 2020 waren es noch etwa 80 Prozent. Diese Ablehnungs-Tendenz steigt trotz Corona-App-Bereitschaft. Auch Datenschutzexperten warnen bei der Speicherung der Corona-App-Daten vor einer zentralen Speicherung. Einem Chip oder USB-Stick auf der Gesundheitskarte würden hingegen 61 Prozent der Versicherten ihre Daten anvertrauen. Nicht zu vernachlässigen sind zudem 40 Prozent der Patienten, die beim aktuellen Zustand bleiben möchten.
Über den Verband
Das "Deutsche Psychotherapeuten Netzwerk - Kollegennetzwerk Psychotherapie" (DPNW) wurde am 02.05.2019 in Bonn gegründet. Es hat rund 1.400 Mitglieder und 12.000 Abonnenten seines Freitags-Newsletters. Damit ist der DPNW drittgrößter Berufsverband im Bereich Psychotherapie. Der Vorstand besteht aus: 1. Vorsitzender: Dipl.-Psych. Dieter Adler, 2. Vorsitzende: Dipl.-Psych. Claudia Reimer, Kassenwart: Dipl.-Psych. Robert Warzecha. Mehr unter: www.dpnw.info
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Datum: 23.07.2020 - 11:00 Uhr
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