"PINKELPROTOKOLLE" an Schulen in NRW unzulässig
(ots) - Keine Überwachung der Toilettenbenutzung am Wittener
Albert-Martmöller-Gymnasium! Das stellt jetzt die Landesdatenschutzbeauftragte
in einer für ganz NRW wegweisenden Stellungnahme[1] klar, nachdem sie von der
Piratenpartei um die Überprüfung der Maßnahme gebeten wurde. Auch die
Videokameras an der Schule dürfen nicht den Eindruck erwecken, dass sie der
Überwachung dienten. Hier muss die Schule nachbessern und deutlich darüber
informieren, dass die Aufnahmen nicht gespeichert werden.[2]
Bereits im Sommer 2018 wurde das Vorhaben der Schule öffentlich, in Zukunft die
Toilettengänge von Schülerinnen und Schülern durch ein digitales Schließsystem
zu protokollieren. Das Ziel - saubere Toiletten und weniger Vandalismus - kann
man befürworten. Die Idee, dies durch Überwachung zu erreichen, ist allerdings
nach Meinung der Piratenpartei eine schlechte. Dies bestätigt nun auch die
Landesdatenschutzbeauftragte - und fordert die Schule dazu auf, die
Datenspeicherung wieder einzustellen. Dem ist die Schule nach eigener Aussage
seit dem 21. Februar nachgekommen.
Zu der Überprüfung der Maßnahme durch die Landesbeauftragte für Datenschutz und
Informationsfreiheit (LDI) ist es gekommen, nachdem sich Eltern der Schule wegen
dieser Überwachungsmaßnahme hilfesuchend an die Piratenpartei gewandt hatten.[3]
Diese hatte noch vor dem Start dieses Systems ein Gespräch mit dem Schulleiter
geführt und Maßnahmen vorgeschlagen, wie man die Sauberkeit der Toiletten ohne
Überwachung verbessern könnte.
"Wir hatten damals die Hoffnung, die Schule noch vor Anschaffung des mehrere
tausend Euro teuren Systems von dem Vorhaben abzubringen, indem wir sie auf die
geltenden Datenschutzgesetze und alternative Ideen für sauberere Schultoiletten
hinwiesen. Leider war die Anlage bereits beschafft und die Schule war nicht mehr
von der Idee abzubringen. Dass die Eltern ihr Anliegen nicht selbst vortragen
wollten, sondern uns um Hilfe baten, deutete bereits deutlich darauf hin, dass
von einer zulässigen freiwilligen Datenspeicherung nicht die Rede sein konnte.
Sie hatten Angst, als Querulanten zu gelten, wenn sie ihr Einverständnis nicht
geben.", erinnert sich Stefan Borggraefe, Wittener Ratsmitglied der
Piratenpartei.
Im nächsten Schritt wandten sich die Piraten schließlich an die
Landesdatenschutzbeauftragte, um eine Klärung zu erreichen.
Da das Gymnasium auch als erste Schule NRWs mit Videoüberwachung bekannt
wurde[4], hat die Piratenpartei die LDI in dem Zuge ebenfalls gebeten, auch
diese Maßnahme zu prüfen. Im Ergebnis stellt die LDI klar, dass auch hier eine
Datenspeicherung unzulässig wäre. Die Kameras dürfen lediglich als verlängertes
Auge des Schulsekretariats genutzt werden, um als eine Art besserer Türspion zu
dienen. Das hat die Schule bereits genauso gemacht. Es wurde allerdings durch
Hinweisschilder "Dieser Bereich wird videoüberwacht" ein anderer Eindruck
erweckt. Daher wird das AMG durch die LDI dazu aufgefordert, bei ihrer
Informationspflicht nachzubessern und deutliche Hinweise anzubringen, dass die
Kameras keinerlei Daten speichern. Es darf an der Schule also weder bei den
Videokameras noch bei dem elektronischen Schließsystem der Eindruck erweckt
werden, dass es sich um Überwachung handelt. Das LDI behält sich eine
Überprüfung der Schule zu gegebenem Zeitpunkt vor.
"Die Stellungnahmen der LDI machen deutlich, dass Überwachung an Schulen nichts
verloren hat! Ein gewünschtes Verhalten der Kinder darf nicht durch Kameras und
Überwachung erzielt werden, an die sie sich dann von klein auf gewöhnen. Dieses
Prinzip herrscht beispielsweise auch in China mit seiner Totalüberwachung. Dort
sind die öffentlichen Toiletten und Straßen vielleicht sauberer als in
Deutschland, aber mit einer für uns vorbildlichen Demokratie hat diese
Überwachungsdiktatur nichts zu tun.", meint Stefan Borggraefe.
Die Landesdatenschutzbeauftragte bestätigt in ihrer Stellungnahme Kritikpunkte,
die die Piratenpartei bereits 2018 geäußert hatte. Die Speicherung
personenbezogener Daten über die gesetzlichen Erfordernisse hinaus durch die
Schule ist nur zulässig, wenn dazu eine Einverständniserklärung der betroffenen
Personen vorliegt. Die Schule hatte dazu zwar ein entsprechendes Schriftstück
aufgesetzt, an der für die Wirksamkeit einer Einwilligung erforderlichen
Freiwilligkeit bestehen aber für die LDI erhebliche Zweifel. So sei in einem
schulischen Umfeld mit seinen ungleichen Machtverhältnissen,
Sanktionsmöglichkeiten und Gruppenzwang nicht gewährleistet, dass faktisch frei
von sozialem Druck oder Zwang entschieden werden könne.
"Die Bewertung der Landesdatenschutzbeauftragten ist wegweisend für alle Schulen
in NRW. Auch alle anderen Schulen mit vergleichbaren Anlagen müssen nun die
Datenspeicherung einstellen und die Schülerinnen und Schüler darüber
informieren, dass sie nicht mehr überwacht werden! Kinder und Jugendliche durch
Videoüberwachung und Einlasskontrollen zu erwünschtem Verhalten zwingen zu
wollen, ist eine Maßnahme, die an unseren Schulen keinen Platz haben darf!", so
Frank Herrmann, Vorsitzender der Piratenpartei NRW.
Quellen/Fußnoten:
[1] Stellungnahme_LDI_NRW_Pinkelprotokolle http://ots.de/oZ0JKZ
[2] Stellungnahme_LDI_NRW_Videoüberwachung http://ots.de/SLX2cN
[3] http://ots.de/YicXZD
[4] "Gymnasium in Witten plant als erstes in NRW Videoüberwachung":
http://ots.de/JmcsH1
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Datum: 01.03.2020 - 10:20 Uhr
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