Abgasskandal: Gerichte müssen Vortrag von Verbrauchern anhören, Klage auch ohne KBA-Rückruf möglich
(ots) - Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in einem Verfahren gegen
die Daimler AG erstmals mit der Frage auseinandergesetzt, welchen tatsächlichen
Vortrag ein Verbraucher im Hinblick auf die Verwendung eines Thermofensters
erbringen muss. Es sind keine hohen Anforderungen.
Der Kläger hatte behauptet, in seinem Fahrzeug sei eine unzulässige
Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters verbaut. Zum Beweis hierfür bot
er die gerichtliche Einholung eines Sachverständigengutachtens an. Diesem
Beweisangebot gingen weder das erstinstanzliche Gericht noch das
Berufungsgericht nach. Sie erklärten, der Kläger würde ohne jede weitere Angabe
Behauptungen ins Blaue hinein aufstellen und wolle durch die Einholung eines
Sachverständigengutachtens lediglich weitere Einzelheiten in Erfahrung bringen.
Ein derartiger Ausforschungsbeweis sei unzulässig.
Diese Bewertung kassierte nun der Bundesgerichtshof. "Die Angabe näherer
Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von
Bedeutung sind", führen die Karlsruher Richter aus. Das Gericht müsse lediglich
in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei
zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend
gemachten Rechts vorliegen. Die Vorinstanzen hätten zu strenge Maßstäbe
angelegt, kritisieren die Karlsruher Richter. Der Bundesgerichtshof legte zudem
fest, dass ein Rückruf des Kraftfahrt Bundesamtes nicht notwendig sei, um von
einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Fahrzeug auszugehen.
Der Berliner Rechtsanwalt und Verbraucherschützer der Kanzlei VON RUEDEN,
Johannes von Rüden, sieht die Entscheidung als "Trendwende in der
Rechtsprechung. Die Gerichte haben bisher oft dargestellt, dass der von uns
Verbraucherschützern dargestellte Sachverhalt zu knapp sei", erklärte von Rüden.
"Da Verbrauchern regelmäßig der Einblick in die Motorsteuerung fehlt, müssen sie
sich auf das stützen dürfen, was öffentlich bekannt ist. Es läge an Daimler, die
Vorwürfe zu entkräften, was bisher noch nicht geschehen ist", so von Rüden.
Zugleich lobt er den Bundesgerichtshof, der im Abgasskandal eine eindeutig
verbraucherschützende Rolle eingenommen hat. "Rechtsschutzversicherungen werden
sich nun auch nicht mehr darauf berufen können, dass für das Vorliegen illegaler
Abschalteinrichtungen zu wenige Anhaltspunkte vorliegen. Auf Daimler dürfte eine
Klagewelle zurollen", sagte er abschließend.
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Datum: 27.02.2020 - 17:16 Uhr
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