Benedikt wird zur tragischen Figur / Progressive und konservative Kräfte schrecken nicht davor zurück, den emeritierten Papst für ihre Zwecke zu missbrauchen. Leitartikel von Christian Eckl
(ots) - Es ist, als würde der Fall Georg Gänswein der Katholischen
Kirche den Spiegel vorhalten: Nicht erst seit Martin Luther kritisiert man den
Klerus in Rom als eitel und selbstverliebt. Es geht um Machtspiele und Einfluss,
um Hofschranzentum und Heuchelei. Georg Gänswein hat in seiner Eitelkeit nicht
nur Papst Franziskus zum Handeln gezwungen. Er hat vor allem auch dem Mann
geschadet, dem er am meisten verdankt: Dem Papa emeritus, Benedikt XVI.. Es ist
nicht die Personalie Gänswein, der als Präfekt des Päpstlichen Hauses abberufen
wurde und fortan nicht mehr Diener zweier Päpste sein wird, die das Kirchendrama
beschreibt. Es ist das Drama von Papst Benedikt, der zu Lebzeiten zu einem
Spielball der Kräfte im Vatikan wurde. Und das hat der Pontifex aus Bayern
wirklich nicht verdient. Der Fall Gänswein dreht sich um einen Beitrag, den
Papst Benedikt zusammen mit dem erzkonservativen Kardinal Robert Sarah
veröffentlichte. Dabei wurde der Eindruck erweckt, Benedikt sei Mitautor des
Buchs, das unter dem Titel "Aus den Tiefen unserer Herzen" erschien. Das
Verschulden lag beim Verlag, der Benedikts Konterfei auf das Buchcover druckte.
Wer den Beitrag Benedikts liest, merkt schnell: Er ist in keiner Zeile ein
Angriff auf Papst Franziskus. In dem Buchbeitrag beschäftigt sich der
emeritierte Papst, den man in Kirchenkreisen und darüber hinaus als Mozart der
Theologie bezeichnet, mit der Frage, warum das Priestertum in der Katholischen
Kirche allein Männern vorbehalten ist, und warum Priester in der
Kirchentradition zölibatär leben sollen. Dass Priester ehelos leben müssen, ist
erst seit knapp 1000 Jahren so geregelt. In der Bibel schreibt Paulus vielmehr
davon, ein Bischof soll wenn, dann nur eine Frau haben und seine Kinder gut
behandeln (1 Tim 3,2). Diese Bibelstelle wird in katholischen Kreisen gerne
ignoriert. Der Text Benedikts über Zölibat und Priestertum ist hochkomplex, aber
an keiner Stelle eine Abweichung von der Kirchenlehre. Ganz im Gegenteil. Doch
im Schatten der Amazonas-Synode, in der es darum ging, wie man in dünn
besiedelten Gebieten mit Priestern umgeht, geriet der Beitrag Benedikts zum
Politikum. Papst Franziskus bestätigte nach dem Buch-Skandal übrigens die
Haltung zum Zölibat. Doch das war nur noch eine Randnotiz. Zum Skandal wurde die
Causa aus einem ganz anderen Grund. Denn dass Benedikt überhaupt einen Beitrag
im Buch von Kardinal Sarah veröffentlichte, diente den Gegnern Gänsweins und
auch Papst Benedikts als willkommener Vorwand, Fakten zu schaffen. Die
Progressiven im Klerus nutzten die Gelegenheit, um mit Gänswein einen der
prominentesten Vertreter des konservativen Flügels zu entfernen. Der Schlag
gelang. Gänswein wurde vom wichtigen Posten des Präfekten entbunden. Sarah
stammt aus Afrika, traditionell sind Bischöfe und Kardinäle von diesem Kontinent
konservativer als etwa die deutschen, denen man unterstellt, ohnehin
protestantisch zu denken. Benedikt wurde also zum Spielball eines Flügelkampfes,
der in der Katholischen Kirche auch unter Franziskus tobt wie kaum je zuvor. Was
bleibt, ist ein Scherbenhaufen. Man geht gnadenlos um mit einem Mann, der
Geschichte geschrieben hat. Die Deutschen hatten seit der Wahl Benedikts 2005
stets ein gespaltenes Verhältnis zu ihm. Statt stolz darauf zu sein, dass einer
von uns zum Oberhaupt von 1,2 Milliarden Katholiken gewählt wurde, hören die
Angriffe auf Benedikt nicht auf. Benedikt, der schwer sprechen und kaum mehr
gehen kann, muss miterleben, wie sein Pontifikat in den Schmutz gezogen wird.
Benedikts Verdienst seines historischen Rücktritts zum Schutz der Kirche wird
von jenen, die ihn jetzt benutzen, zerstört. Und das ist auch Georg Gänsweins
Schuld.
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