Kommentar / Merkels neue Milde mit Viktor Orbán = Von Martin Kessler
(ots) - Der Besuch des umstrittenen ungarischen Ministerpräsidenten
Viktor Orbán bei Kanzlerin Merkel läuft erstaunlich routiniert ab. Vergessen ist
dessen vielfache Behinderung einer freien Presse und einer unabhängigen
Wissenschaft. Korruption und Fremdenfeindlichkeit in seinem Land spielen keine
Rolle. Es geht um die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen und die Zukunft der
EU-Finanzen. Da kann Ungarn einiges vorweisen und kompetent mitreden.
Man mag es der Kanzlerin fast nachsehen, dass sie im Augenblick andere Probleme
hat, als sich mit Orbán anzulegen. Aber das schleichende Gift, das Autokraten
wie er und sein polnischer Gesinnungsbruder Jaroslaw Kaczynski wohl dosiert
versprühen, wird am Ende die EU spalten. Das kann Merkel auch in der
Schlussphase ihrer Kanzlerschaft nicht kalt lassen.
Schon versucht die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, das
strenge Regime Brüssels gegen die Regelverletzungen der beiden Länder
aufzuweichen. Nach dem Austritt Großbritanniens will man offenbar die EU
zusammenhalten, egal ob manche Länder wie Ungarn oder Polen hinter demokratische
Mindeststandards zurückfallen. Und es scheint, dass bei anderen EU-Politikern
zunehmend die Kraft fehlt, diese Standards auch langfristig durchzusetzen.
Natürlich muss eine deutsche Regierungschefin mit schwierigen Partnern innerhalb
und außerhalb der EU richtig umgehen. Dazu gehören Konsultationen und der
Dialog. Was Demokratie, freie Presse und Rechtsstaatlichkeit betrifft, müssen
die regelkonformen Regierungen aber auch den gleichen langen Atem bewahren wie
jene, die solche Regeln in ihrem Land außer Kraft setzen. Ein paar kritischere
Anmerkungen Merkels zu Orbáns Politikstil hätte man sich dafür schon gewünscht.
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Datum: 10.02.2020 - 20:52 Uhr
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