Extremismus im Netz: Studie untersucht erstmals umfassend rechtsextreme Akteure auf alternativen Plattformen
(ots) -
- Die von der Robert Bosch Stiftung geförderte Studie zeigt: Das
rechtsextreme Ökosystem auf alternativen Plattformen kann zur
Radikalisierung von Nutzern beitragen.
- Die Sperrung von Accounts rechtsextremer Gruppen auf großen
Plattformen wie Facebook und YouTube schränkt die Verbreitung
ihrer Inhalte erheblich ein.
- Die Studie empfiehlt: Zur Bekämpfung rechtsextremer Inhalte auf
alternativen Plattformen müssen Maßnahmen auf deren Architektur
und spezifische Dynamiken zugeschnitten sein.
Die rechtsextremen Attentäter in Halle, Christchurch und Poway nutzten
alternative Plattformen dazu, ihre Anschläge per Livestream ins Internet zu
übertragen. Welche Bedeutung diese Plattformen für die Verbreitung von
Rechtsextremismus haben und welche Gegenmaßnahmen wirksam sein könnten, zeigt
jetzt erstmals eine von der Robert Bosch Stiftung GmbH geförderte Studie des
Institute for Strategic Dialogue (ISD), die morgen in Berlin vorgestellt wird.
Darin fordern die Forscher Politik, Zivilgesellschaft, Forschung und Tech-Firmen
dazu auf, mehr gegen die Radikalisierung einzelner Nutzer und die Normalisierung
rechtsextremer Ideologie zu unternehmen. Die Maßnahmen sollten dabei die
technischen Kapazitäten und die Eigendynamik der Plattformen berücksichtigen und
auf dem Schutz der Grundrechte beruhen. "Es ist wichtig zu verstehen, wie die
alternativen Plattformen aufgebaut sind, wer sie betreibt und welche Dynamik sie
haben, um Ansatzpunkte für einen geeigneten Umgang mit Rechtsextremismus im
Internet zu finden", sagt Sandra Breka, Geschäftsführerin der Robert Bosch
Stiftung.
Zehntausende Nutzer instrumentalisieren Plattformen für ihre Zwecke
Für die Studie "Das Online-Ökosystem rechtsextremer Akteure" hat das
Forscherteam deutsche Communities auf zehn Plattformen systematisch untersucht,
darunter die sozialen Netzwerke VK und Gab, die Gaming-App Discord, das
Internetforum 4chan und den Messenger-Dienst Telegram. Die Forscher fanden dort
rund 375 rechtsextreme und rechtspopulistische Kanäle und Communities. Die
Gesamtzahl der Nutzer in diesen Gruppen schätzen die Forscher auf 15.000 bis
50.000. Die Studie zeigt, dass die Plattformen in der Regel nicht von
Extremisten gegründet werden, sondern von Nutzern für ihre Zwecke
instrumentalisiert werden. Über ein Viertel der Gruppen (27 Prozent) war durch
die Gegnerschaft zu Muslimen, Einwanderung und Flüchtlinge gekennzeichnet, ein
Viertel (24 Prozent) sprach sich offen für den Nationalsozialismus aus. Auf
4chan enthielten 56 Prozent aller Posts über Juden und das Judentum
antisemitische Äußerungen.
Auch wenn der Großteil der analysierten Inhalte nicht zu Gewalt aufruft, sehen
die Forscher darin eine gefährliche Inspiration: "Die Posts konzentrieren sich
überproportional häufig auf die negativen Folgen der Immigration. Wie wir aus
den Manifesten rechtsextremer Attentäter gelernt haben, können rechtsextreme
Ideen wie die Verschwörungstheorie des "Großen Austauschs" extremistische Gewalt
und Terrorismus inspirieren, ohne aktiv zur Gewalt aufzurufen", sagt die
Extremismusforscherin Julia Ebner vom ISD, einem unabhängigen Forschungsinstitut
mit Sitz in London.
NetzDG auf alternative Plattformen nicht übertragbar - Forscher empfehlen
passende Maßnahmen für Plattformbetreiber
Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) beschränkt sich auf die Entfernung
illegaler Inhalte und ist daher nicht geeignet, auf die häufig legalen, aber
extremistischen Aktivitäten auf alternativen Plattformen zu reagieren.
Da den Betreibern alternativer Plattformen häufig die Ressourcen fehlen, Inhalte
umfassend zu moderieren, empfiehlt die Studie die Zusammenarbeit mit
Mainstream-Plattformen, um von deren technischen Möglichkeiten zu profitieren -
zum Beispiel eine Datenbank mit digitalen Fingerabdrücken terroristischer
Inhalte, mit der ein erneutes Hochladen automatisch verhindert werden kann. Die
Studie zeigt zudem, dass die Sperrung von Accounts rechtsextremer Gruppen und
Influencer wirksam ist, um deren Reichweite erheblich einzuschränken. Dabei
fordern die Forscher allerdings jeweils eine nachvollziehbare Begründung für die
Sperrung.
Die Studie spricht sich zudem für die Entwicklung von Frühwarnsystemen aus, etwa
in Form von Algorithmen zur Spracherkennung, um konkrete Bedrohungen zu
erfassen. Weiterhin sollten Bildungsmaßnahmen wie die Schulung von
Jugendarbeitern, zivilgesellschaftlichen Akteuren, Eltern und Lehrern
ausgeweitet werden, damit diese über die Radikalisierungsgefahren in
rechtsextremen Communities aufklären können.
Die Studie (auf Englisch) sowie die deutsche Zusammenfassung finden Sie unter
www.bosch-stiftung.de/extremismus-im-netz
Über die Robert Bosch Stiftung
Die Robert Bosch Stiftung GmbH gehört zu den großen, unternehmensverbundenen
Stiftungen in Europa. In ihrer gemeinnützigen Arbeit greift sie
gesellschaftliche Themen frühzeitig auf und erarbeitet exemplarische Lösungen.
Dazu entwickelt sie eigene Projekte und führt sie durch. Außerdem fördert sie
Initiativen Dritter, die zu ihren Zielen passen.
Die Robert Bosch Stiftung ist auf den Gebieten Gesundheit, Wissenschaft,
Bildung, Bürgergesellschaft, Internationale Verständigung und Kooperation tätig.
Die Robert Bosch Stiftung bekennt sich zu den Werten und dem Vorbild ihres
Stifters, Robert Bosch, und setzt dessen philanthropisches Wirken fort. Mit mehr
als 50 Jahren Erfahrung verfügt sie in ihren Fördergebieten über ein breites
Wissen, die Qualifikation zur Entwicklung von Lösungen und ein umfangreiches
Netzwerk von Partnern, Experten und Praktikern.
Die Robert Bosch Stiftung ist alleinige Trägerin des Robert-Bosch-Krankenhauses
und der zugehörigen Forschungsinstitute in Stuttgart, Institut für Geschichte
der Medizin (IGM) und Dr. Margarete Fischer-Bosch-Institut für Klinische
Pharmakologie (IKP), sowie des International Alumni Center (iac) in Berlin. Sie
ist Gesellschafterin des UWC Robert Bosch Colleges in Freiburg und der Deutschen
Schulakademie in Berlin. Die Robert Bosch Stiftung hält rund 92 Prozent der
Geschäftsanteile an der Robert Bosch GmbH und finanziert sich aus den
Dividenden, die sie aus dieser Beteiligung erhält. Seit ihrer Gründung 1964 hat
die Robert Bosch Stiftung rund 1,8 Milliarden Euro für ihre gemeinnützige Arbeit
ausgegeben. www.bosch-stiftung.de
Über das Institute for Strategic Dialogue
ISD Global hat es sich zum Ziel gesetzt, die verschiedenen Formen von
Polarisierung, Hass und Extremismus zu verstehen und wirksam zu bekämpfen. ISD
Global verbindet ethnographische Forschung, Expertise in Ideologien und
Religionen mit innovativen digitalen Analysen von Extremismus, Hass und
Desinformationskampagnen. Aufbauend auf den Erkenntnissen entwickelt ISD Global
Projekte, mit denen politisch Verantwortlichen, jungen Menschen und lokalen
Influencern geholfen wird, die Demokratie, ihre Kommunen oder sich selbst vor
diesen Bedrohungen zu schützen. Sie beraten weltweit Regierungen, Regionen,
Städte und Technologiekonzerne bei der Entwicklung adäquater Strategien und
bieten praktische Trainingsmodule zur nachhaltigen Bekämpfung extremistischer
Ideologien und ihrer Auswirkungen.
Pressekontakt:
Robert Bosch Stiftung
Cornelia Varwig
cornelia.varwig(at)bosch-stiftung.de
0711 / 46084 291
Institute for Strategic Dialogue
Hanna Martin
hm(at)isdglobal.org
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OTS: Robert Bosch Stiftung GmbH
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Datum: 10.02.2020 - 12:15 Uhr
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