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Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Thüringen

ID: 1790771


(ots) - CDU und FDP lassen sich in Thüringen von der AfD vorführen,
und die Schockwellen erschüttern die gesamte Republik. Es ist ein beispielloser
Akt politischer Verantwortungslosigkeit, der sich gestern im Erfurter Landtag
zugetragen hat. Übrig bleibt ein einziger Scherbenhaufen, von dem keiner weiß,
ob und wie er wieder zu beseitigen sein könnte.

SPD, Grüne und Linke sprechen zu Recht von einem Dammbruch. Denn das Debakel
kam mit Anlauf: Susanne Hennig-Wellsow, die Landesvorsitzende der Linken, hatte
schon vor dem dritten Wahlgang vor einer "Finte" der AfD-Fraktion gewarnt. Die
Nominierung eines dritten Kandidaten sei deshalb auch "katastrophal". Dass sie
dem neuen Ministerpräsidenten den für Bodo Ramelow gedachten Blumenstrauß vor
die Füße warf, ist zwar ebenfalls kein guter politischer Stil, menschlich aber
verständlich.

Überraschungssieger Thomas Kemmerich wird an seinem Amt kaum Freude haben.
Zwar muss niemand an der Rechtmäßigkeit dieser Wahl zweifeln und auch nicht an
der demokratischen Gesinnung des 54-jährigen FDP-Politikers. Doch der Makel, der
fortan an Kemmerich haftet, ist durch nichts aus der Welt zu
schaffen. Umso unverständlicher, dass er die Wahl annahm.

Eine besonders schlechte Figur machte auch die CDU - und zwar in Erfurt wie in
Berlin. Gewiss gab es gute Gründe für den thüringischen Spitzenmann Mike
Mohring, sowohl eine Koalition mit der Linken als auch eine förmliche
Tolerierung einer Minderheitsregierung auszuschließen. Damit aber haben die
Christdemokraten die Tür erst geöffnet für den Taschenspielertrick, für den sich
die AfD nun feiert. Denn es ist ja ein Treppenwitz der Geschichte, dass
Kemmerich gewählt worden ist wie Mohring keinesfalls gewählt werden wollte. Im
Konrad-Adenauer-Haus dürfte das Entsetzen entsprechend groß sein. Parteichefin




Annegret Kramp-Karrenbauer wird schäumen.

Die Art und Weise, wie die Alternative für Deutschland ihren Coup genießt, zeigt
indes unmissverständlich, wie es um die Gesinnung von Björn Höcke und Co.
bestellt ist. Doch erstens ist diese Erkenntnis nicht neu, und zweitens ist
der AfD vieles vorzuwerfen, gewiss aber nicht die grenzenlose Naivität von
CDU und FDP.

Und was, wenn es am Ende gar keine Naivität war? Man kann natürlich nichts
beweisen und würde jeden Hauch eines Verdachts liebend gern ausschließen.
Aber kann man es auch? Doch so oder so: Die politische Kultur unseres Landes hat
einen brutalen Tiefschlag erlitten, der lange nachwirken wird.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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Eine unerträgliche Wahl / Leitartikel zum Tabubruch in Thüringen von Christine Richter
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Datum: 05.02.2020 - 21:30 Uhr
Sprache: Deutsch
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