Leitartikel zu Trump/Impeachment: Trump steht nichtüber dem Gesetz von Thomas Spang
(ots) - Eigentlich wollte Mitch McConnell einen kurzen Prozess
machen. Der Senatsführer presste dafür die Vorträge der Ankläger aus dem
Repräsentantenhaus und Verteidiger des Präsidenten in ein zeitliches Korsett,
das ihm den Spitznamen "Mitternachts-Mitch" eintrug. Der Plan der
republikanischen Mehrheit sah vor, den Präsidenten nach mehreren
Marathon-Sitzungen möglicherweise schon an diesem Freitag freisprechen zu
lassen. Ohne weitere Zeugen anzuhören oder Beweismaterial anzufordern, die das
Weiße Haus dem Kongress bisher vorenthalten hat. McConnell inszenierte das
Verfahren wie einen langweiligen Film, dessen Ausgang jeder schon kennt.
Demonstrativ verließen republikanische Senatoren das Plenum oder gähnten in die
Kameras, um ihre Geringschätzung für das Impeachment Donald Trumps zu
demonstrieren. Reporter werden auf Armlänge gehalten und durch Schikanen bei
ihrer Berichterstattung behindert. Der für die offizielle (und einzige) Kamera
ausgewählte schwarze Hintergrund im Senat, sorgt für eine deprimierende
Bildsprache. Sie lässt an eine Trauerfeier denken, in der Grabreden auf die
amerikanische Demokratie gehalten werden. Den Anklägern aus dem
Repräsentantenhaus fiel dabei die Rolle zu, die beklemmende Details des
Machtmissbrauchs des Präsidenten und der Behinderung des Kongresses
präsentieren. Während die Verteidiger Trumps argumentieren, der Präsident
genieße in seiner Amtszeit Immunität und brauche über sein Tun keine
Rechenschaft abzulegen. Oder anderes gesagt: Der Präsident steht wie ein
Autokrat über dem Gesetz. Dass Trump so denkt, steht außer Frage, seit er
behauptete, er könne über die Fifth Avenue laufen und jemanden erschießen ohne
dafür zur Verantwortung gezogen zu werden. Seine Anwälte im Weißen Haus, die ihn
nun im Senat verteidigen, haben dafür den Begriff der "temporären Immunität"
geprägt. Ein Argument, das unter Staatsrechtlern nur auf Kopfschütteln stößt.
Mit dieser Begründung verweigerte der Präsident seinen Ministern, hohen
Mitarbeitern und Beratern die Erlaubnis, in dem "Impeachment"-Verfahren vor dem
Repräsentantenhaus auszusagen. Der stellvertretende Justiziar des Weißen Hauses,
Michael Purpura, führte die Öffentlichkeit mit seiner zynischen Behauptung grob
in die Irre, es habe kein einziger Zeuge ausgesagt, dass Trump persönlich die
Freigabe von Militärhilfe für die Ukraine von der Lieferung an Wahlkampfmunition
gegen die Demokraten abhängig gemacht habe. Die Wahrheit ist, das Trump solche
Zeugenaussagen bisher blockiert hat. Während sein Stabschef Mick Mulvaney,
Außenminister Mike Pompeo oder Justizminister William Barr bei der Vertuschung
mithelfen, hat der ehemalige Nationale Sicherheitsberater John Bolton keine
Motivation dazu. Er schied im Streit aus dem Weißen Haus und hat mit dem
Präsidenten eine Rechnung offen. Die will er nun begleichen. Bolton ist bereit,
im Impeachment -Prozess den "rauchenden Colt" zu präsentieren, den er als Beweis
des Machtmissbrauchs in der Hand hält. Der Nationale Sicherheitsberater will im
Detail darüber sprechen, wie Trump versuchte, eine ausländische Regierung zu
erpressen, ihm bei seiner Wiederwahl im November zu helfen. Das Weiße Haus hat
zurecht Sorge, dass die Aussage Boltons zu einem Dammbruch führen könnte, der
die Forderung nach weiteren Zeugen nach sich zöge. Dies änderte am Ende nichts
am erwartetem Ausgang des Impeachments, legte aber das ganze Ausmaß an
politischer Korruption in Washington offen. Das gäbe den Amerikanern die Chance,
im November nachzuholen, was sich die republikanischen Senatoren nicht trauen.
Als Plan B könnten die Ankläger aus dem Repräsentantenhaus McConnell und die
republikanische Mehrheit umgehen und bei Chefrichter John Roberts, der das
"Impeachment"-Verfahren leitet, direkt einen Antrag auf Vernehmung Boltons
stellen. Roberts gilt als Institutionalist, der versteht, dass eine Demokratie
ohne Demokraten nicht überleben kann. Insofern besteht berechtigte Hoffnung,
dass aus dem kurzen Prozess ein halbwegs faires Verfahren werden könnte.
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