Daimler-Abgasskandal: Befangenheitsantrag gegen Richter Reuschle in Stuttgart / Kanzlei Dr. Stoll& Sauer: Daimler AG behindert Wahrheitsfindung
(ots) - "Wieder einmal versucht die Autolobby einen unliebsamen Richter,
der seine Arbeit ordentlich erledigen möchte, loszuwerden.", sagte Dr. Ralf
Stoll von der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH aus Lahr.
In Verfahren vor dem Stuttgarter Landgericht versuchen die Anwälte der Daimler
AG, den Richter Dr. Fabian Richter Reuschle mit einem Befangenheitsantrag aus
dem Prozess zu drängen. Reuschle gilt als Schrecken der Automobilindustrie.
In einem Sammeltermin vor dem Landgericht Stuttgart hat Richter Reuschle
angekündigt, dem EuGH zahlreiche Fragen vorzulegen. Die Daimler AG wurde hier
von der Kanzlei Gleiss Lutz in der mündlichen Verhandlung vertreten. Zunächst
hat die Kanzlei für die Daimler AG verhandelt und entsprechende Anträge
gestellt. Offensichtlich hat die Daimler AG nach der mündlichen Verhandlung
kalte Füße bekommen und hat dann einen Befangenheitsantrag gestellt. Nach dem
Stellen der Anträge dürfte ein solcher Befangenheitsantrag bereits unzulässig
sein, wenn er Tatsachen betrifft, die bereits vor der mündlichen Verhandlung
bekannt waren. Offensichtlich möchte die Daimler AG hier auf Zeit spielen und
einen unliebsamen Richter loswerden. Pikant an der Sache ist, dass nach
telefonischer Auskunft des Vorsitzenden Richters Patschke die
Befangenheitsanträge bereits in der Kalenderwoche 48 bei Gericht eingegangen
seien. Warum das Gericht, diese noch nicht weitergeleitet hat, ist nicht
erklärlich. Der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer liegen diese bis heute nicht vor, es
war ein reiner Zufall, dass die Kanzlei von den Befangenheitsanträgen erfahren
hat. Pikant ist weiterhin, dass die Kammer am Landgericht auch mit einem
Richter besetzt ist, der zuvor bei der Kanzlei Gleiss Lutz beschäftigt war. Es
handelt sich dabei um Herrn Dr. Sonn, der mindestens bis 2015 noch bei Gleiss
Lutz als Rechtsanwalt in Stuttgart gearbeitet hat.
Den Vertretern der Volkswagen AG ist es bereits vor dem Stuttgarter Landgericht
gelungen, Reuschle für befangen erklären zu lassen. "Reuschle versucht, Licht
ins Dunkle des Diesel-Skandals bei Daimler zu bringen. Das Landgericht Stuttgart
darf vor Daimler nicht in die Knie gehen und den Befangenheitsantrag
durchwinken", forderte Dr. Ralf Stoll. "Hier geht es um die Integrität deutscher
Gerichte." Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer gehört zu den führenden
Verbraucher-Sozietäten im Diesel-Abgasskandal, vertritt in einer
Spezialgesellschaft über 450.000 Verbraucher in der Musterfeststellungsklage
gegen die Volkswagen AG und ist mit einem eigenen Verfahren in den aktuellen
Fall vor dem Landgericht Stuttgart betroffen.
Kanzlei Dr. Stoll & Sauer unterstützt Vorlage an EuGH
Richter Reuschle hat 21 Einzelverfahren gegen die Daimler AG gebündelt und will
dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg wichtige Fragen im Abgasskandal
zur Vorabentscheidung vorlegen. Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer aus Lahr ist
selbst mit einer Klage in den Fall involviert (Az. 22 O 105/19) und unterstützt
die Sammelvorlage des Richters an den EuGH. "Der Gang an den Europäischen
Gerichtshof ist richtig und längst überfällig", betonte Dr. Ralf Stoll.
Schließlich gehe es im Skandal um die Einhaltung von europäischen Normen. Zudem
behindern Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) und das Bundesverkehrsministerium eher die
Aufklärung im Diesel-Abgasskandal, anstatt sie zu beschleunigen, kritisierte
Stoll die Behörden. Das KBA weigere sich beispielsweise, Prüfungsunterlagen zu
Rückrufe an Gerichte zu übergeben. Vor diesem Hintergrund sei der Gang zum EuGH
besonders sinnvoll. Der Richter, der durch Anlegerverfahren im VW-Abgasskandal
in die Schlagzeilen geriet, hat am Landgericht Stuttgart jetzt 21 Verfahren
gegen die Daimler AG zusammengeführt und will höchstrichterliche Entscheidungen
auf europäischer Ebene herbeiführen. Bis 6. Dezember hatten Daimler und die
Klägeranwälte Zeit, sich zum Sachverhalt zu äußern. Die Daimler-Anwälte haben
mit einem Befangenheitsantrag reagiert, über den jetzt das Landgericht Stuttgart
entscheiden muss.
Im Kern geht es Richter Reuschle um drei Fragen:
1. Ist das in den Fahrzeugen der Daimler AG verbaute sogenannte
"Thermofenster" eine illegale Abschaltvorrichtung?
2. Sind die Grenzwerte der Euro-Normen nur auf den Prüfständen
einzuhalten und ist es damit praktisch egal, was im Realbetrieb
aus dem Auspuff herauskommt? So zumindest argumentiert die
Automobilindustrie.
3. Sollen die Verbraucher bei der Rückgabe ihres Diesel-Fahrzeugs den
vollen Kaufpreis erstattet bekommen?
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Datum: 09.12.2019 - 14:51 Uhr
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