Jahresbilanz 2019 der chemisch-pharmazeutischen Industrie / Schwache Chemiekonjunktur in schwierigem Umfeld
(ots) -
- Produktion -7,5 Prozent, Umsatz -5,0 Prozent gegenüber Vorjahr
- Beschäftigung gestiegen auf 464.800 Mitarbeiter (+0,5 Prozent)
- Prognose 2020: Produktion +0,5 Prozent, Umsatz +0,5 Prozent
- Branche will Zukunft durch Innovation, Digitalisierung und
Nachhaltigkeit sichern
- Politische Weichenstellungen können Investitionen entfesseln
2019 war ein schwieriges Jahr für die chemisch-pharmazeutische Industrie. Der
Umsatz in Deutschlands drittgrößter Branche verringerte sich um 5 Prozent auf
193 Milliarden Euro, berichtet der Verband der Chemischen Industrie (VCI).
Unter dem weltweiten Abschwung der Konjunktur und den Handelsstreitigkeiten
zwischen China und den USA litt das Auslandsgeschäft der Branche in Übersee und
Europa. Gleichzeitig sank im Inland die Nachfrage nach chemischen Erzeugnissen
von den Industriekunden. Dadurch ging die Produktion insgesamt um 7,5 Prozent
zurück. Dieser Wert ist stark von einem statistischen Sondereffekt in der
Pharmasparte (-16,5 Prozent) geprägt. Chemie ohne Pharma verbuchte ein
Produktionsminus von 2,5 Prozent. Bis auf konsumnahe Produkte wie Wasch- und
Körperpflegemittel (+1,0 Prozent) sowie anorganische Grundchemikalien (+1,0
Prozent) weisen alle übrigen Sparten 2019 einen Mengenrückgang aus.
Trotz der schwachen Chemiekonjunktur erhöhte sich die Zahl der Mitarbeiter noch
leicht (+0,5 Prozent) auf 464.800 Personen. Das ist der höchste
Beschäftigungsstand seit 2001, so der VCI. Exakt 50.000 Arbeitsplätze sind in
der Branche in den letzten 9 Jahren zusätzlich entstanden.
Prognose 2020: "Zurzeit erwarten unsere Unternehmen auch für die kommenden
Monate keine Verbesserung ihrer Geschäfte. Die geringe wirtschaftliche Dynamik
wird sich noch weit ins kommende Jahr ziehen. Auch von den Auslandsmärkten
dürften keine starken Impulse für eine Trendwende der Chemiekonjunktur kommen",
sagte VCI-Präsident Hans Van Bylen. Für 2020 geht der VCI daher in der
chemisch-pharmazeutischen Industrie nur von einer leichten Zunahme der
Produktion von 0,5 Prozent aus, die vom erwarteten Wachstum in der Pharmasparte
(+2,0 Prozent) getragen wird. Bei stagnierenden Preisen sollte der Gesamtumsatz
der Branche um 0,5 Prozent auf rund 194 Milliarden Euro steigen.
Zukunftsfähigkeit sichern: was die Branche dafür unternimmt
Um sich gegen konjunkturelle Schwankungen oder widrige politische
Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel Handelskonflikte, zu wappnen und ihre
Zukunft am Standort Deutschland zu sichern, will die Branche ihre Anstrengungen
bei Innovationsfähigkeit, Digitalisierung und Nachhaltigkeit verstärken, betonte
VCI-Präsident Van Bylen. Mit derzeit 12 Milliarden Euro im Jahr zählt die
Branche bei den Forschungsaufwendungen bereits zum nationalen wie globalen
Spitzenfeld. Und die Ausgaben sollen weiter steigen: Der VCI geht davon aus,
dass die reale Zunahme für Investitionen in FuE im langfristigen Durchschnitt
bei 2,5 Prozent pro Jahr liegen wird. Die Branche wird sich zudem in Zukunft
noch intensiver mit den Anforderungen der Kunden auseinandersetzen und die
Zusammenarbeit vertiefen müssen, um für sie individuelle Lösungen für
nachhaltigere Produkte zu entwickeln.
Dafür setzt die Branche auch auf die Digitalisierung. Van Bylen: "Die
Digitalisierung bietet großes Potenzial für unsere Industrie." Die Auswertung
von Big Data und der Einsatz von künstlicher Intelligenz erhöhen die Chancen für
das Auffinden von Stoffen mit neuen oder besseren Eigenschaften um ein
Vielfaches. Um dieses Potenzial der Digitalisierung erschließen zu können,
braucht es qualifizierte Mitarbeiter für die Forschung und die Produktion. Ein
wichtiger Teil der digitalen Qualifizierung findet in den Unternehmen statt. Als
eine der ersten Branchen in Deutschland hat die Chemie im letzten Jahr eine
Wahlqualifikation "Digitalisierung und vernetzte Produktion" für den
Ausbildungsberuf Chemikant/in eingeführt.
"Unsere Branche treibt zur Sicherung ihrer Zukunftsfähigkeit die Nachhaltigkeit
von Produktion und Produkten konsequent voran. Wir bekennen uns ausdrücklich zum
Klimaschutz und handeln entsprechend", betonte der VCI-Präsident. Seit 1990 hat
die Chemie ihre Treibhausgasemissionen nahezu halbiert. Sie stellt sich jetzt
der Herausforderung, Treibhausgasneutralität bis 2050 zu erreichen. Eine
aktuelle Studie belegt, dass es für die deutsche Chemie technologisch möglich
ist, bis 2050 treibhausgasneutral zu produzieren. 45 Milliarden Euro müssen die
Unternehmen dafür in eine neue Generation von Anlagen investieren. Zudem
benötigen die Unternehmen enorme Mengen Strom aus erneuerbaren Energien zu einem
deutlich günstigeren Preis als heute, damit die Transformation der Verfahren
gelingt.
Für das Ziel Treibhausgasneutralität sind auch große Fortschritte bei der
Umstellung der Rohstoffbasis und zirkulärem Wirtschaften nötig, betont der VCI.
Die Nutzung von CO2, ein steigender Anteil Biomasse und die Wiederverwertung von
Kunststoffabfällen - zum Beispiel durch chemisches Recycling - sollen die
fossile Basis für die Produktion von Grundchemikalien bis 2050 nahezu ersetzen.
Aktuell verwendet die Branche zu über 90 Prozent fossile Rohstoffe. Bis 2050
könnte dieser Anteil auf lediglich 6 Prozent sinken.
Investitionen fördern: was der Staat leisten kann
Kürzere Genehmigungsverfahren, geringere Unternehmensteuern und niedrigere
Bürokratiekosten sind aus Sicht des VCI wichtige politische Weichenstellungen,
um Investitionen zu fördern. Bei allen drei Standortkriterien gibt es
Handlungsbedarf, stellt der Chemieverband fest:
Die Dauer von Genehmigungsverfahren für Industrieanlagen hat durch einen
wachsenden Umfang der Unterlagen, die von den Unternehmen eingefordert werden,
kontinuierlich zugenommen. Die Bearbeitung von Genehmigungsverfahren nach dem
Immissionsschutzrecht zum Beispiel beansprucht in den Behörden derzeit selten 6
und häufig bis zu 24 oder 36 Monate. Eine Umfrage des BDI in der deutschen
Industrie hat ergeben, dass sich die Dauer in den letzten 10 Jahren um bis zu
100 Prozent verlängert hat. "Dieser Trend muss gestoppt und umgekehrt werden, um
die Attraktivität von Deutschland als Industriestandort im internationalen
Wettbewerb zu stärken", betonte der Präsident des VCI.
Eng mit diesem Problem verknüpft ist der Abbau bürokratischer Hürden. Den
Unternehmen machen steigende Bürokratiekosten zu schaffen, obwohl die drei
Bürokratieentlastungsgesetze hier für das Gegenteil sorgen sollten. Tatsache
ist: Der Normenkontrollrat hat vor Kurzem in seinem Bericht festgestellt, dass
seit 2011 der laufende Aufwand zur Erfüllung der Pflichten aus Gesetzen und
Verordnungen für die deutsche Wirtschaft um rund 5 Milliarden Euro gestiegen
ist. Der einmalige Erfüllungsaufwand hat sogar um mehr als 12 Milliarden Euro
zugelegt, wobei die Hälfte des Erfüllungsaufwands durch Regelungen aus Brüssel
entsteht. Van Bylen: "Wir unterstützen daher den Vorstoß der Präsidentin der
EU-Kommission, auch hier die Belastung der Unternehmen durch Bürokratie zu
senken."
Seit der Steuerreform 2008 hat sich Deutschland durch schleichende
Steuererhöhungen und vor allem durch Steuersenkungen in vielen Ländern inner-
und außerhalb Europas zum Hochsteuerland für Unternehmen entwickelt. Die mit 31
Prozent der Bemessungsgrundlage im globalen Vergleich hohe Steuerbelastung für
deutsche Unternehmen bewirke das Gegenteil von dem, was finanzpolitisch
gewünscht sei. "Reformen für ein international wettbewerbsfähiges Steuerniveau
dürfen nicht mehr auf die lange Bank geschoben werden. Weniger Steuerlast der
Unternehmen bringt am Ende mehr für alle. Mehr Investitionen, mehr Innovationen,
mehr Beschäftigung und damit ein insgesamt höheres Steueraufkommen", betonte der
VCI-Präsident.
Der VCI vertritt die wirtschaftspolitischen Interessen von rund 1.700 deutschen
Chemieunternehmen und deutschen Tochterunternehmen ausländischer Konzerne
gegenüber Politik, Behörden, anderen Bereichen der Wirtschaft, der Wissenschaft
und den Medien. Der VCI steht für mehr als 90 Prozent der deutschen Chemie. 2018
setzte die Branche 203 Milliarden Euro um und beschäftigte rund 462.500
Mitarbeiter.
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Datum: 03.12.2019 - 12:09 Uhr
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