Rheinische Post: Die Abrechnung
der SPD-Basis
Kommentar von Jan Drebes
(ots) - Die bisher unbekannte Abgeordnete aus Schwaben und der
frühere NRW-Finanzminister müssen eine Herkulesaufgabe bewältigen: Die Partei
zusammenführen, sie mit der Fraktion versöhnen und der SPD deutlich bessere
Umfrage- und Wahlergebnisse bescheren. Zugleich ist die Entscheidung der
Mitglieder eine Abrechnung. Sie ist ein klares Misstrauensvotum gegen die
Regierung, gegen Vizekanzler Olaf Scholz, auch gegen die Parteiführung der
vergangenen Jahre. Das Ergebnis ist eine Zäsur in vielerlei Hinsicht. Die
SPD-Basis will mehrheitlich radikale Erneuerung, den vollständigen Wechsel an
der Spitze. Sie will einer unerfahrenen Abgeordneten und einem früheren
Landesminister die Geschicke der Partei überlassen - und nicht dem
Spitzengenossen Scholz, den sie für den Niedergang der Partei mitverantwortlich
macht. Diese Entscheidung löst in Berlin ein Beben aus. Esken und Walter-Borjans
waren zwar direkt nach der Ergebnisverkündung bemüht, Zeichen der Einigkeit in
die Partei zu senden. Doch es ist kaum vorstellbar, wie ein Finanzminister noch
lange im Amt bleiben soll, der in Teilen fundamental andere Ansichten als seine
Parteivorsitzenden vertritt. Die beiden sind in einer schwierigen Situation, auf
sie schaut die gesamte Republik. Ihr Sieg ist ein Sieg der Parteilinken. Doch
wird ihnen die Gefolgschaft verweigert, oder brechen Kämpfe zwischen den
Parteiflügeln aus, werden sie Vorsitzende ohne Rückhalt sein. Hinzu kommt: Die
Wahlbeteiligung war mit etwas über 50 Prozent besser als befürchtet, berauschend
gut fiel sie aber nicht aus. Eine Mehrheit der Mitglieder hat sich entschlossen,
die SPD als Partei wieder nach vorne zu stellen - nicht ihre staatspolitische
Verantwortung. Es ist ein starkes Signal für die Basisdemokratie. Doch die große
Koalition ist gefährdeter denn je.
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Datum: 01.12.2019 - 20:24 Uhr
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