12. Europäischer Antibiotikatag / Resistenzproblematik entschärfen:
Pflanzliche Arzneimittel im Fokus
(ots) - Die Verordnung von Antibiotika bei unkomplizierten Erkrankungen
ist nach wie vor auf einem zu hohem Niveau, erklärte Prof. Dr. Andreas
Michalsen, Berlin, bei einem Fachkongress anlässlich des 12. Europäischen
Antibiotikatags im November 2019 in Berlin. Ein zurückhaltender Einsatz
chemisch-synthetischer Antibiotika sei essenziel, um diese wichtige
Arzneistoffgruppe für ernste und bedrohliche Erkrankungen zu bewahren. Im Kampf
gegen die zunehmenden Bakterienresistenzen rücken daher wirksame pflanzliche
Therapieansätze verstärkt in den Fokus von Forschung und Praxis. Langfristig
wird nur ein vielfältiger Mix aus verschiedenen Strategien wie gezielter Einsatz
von Antibiotika, alternative Therapieansätze und eine gelungene
Arzt-Patienten-Kommunikation zum Erfolg führen. So können zum Beispiel bei
akuten unkomplizierten Infektionen wie Blasenentzündungen und
Erkältungskrankheiten aufgrund ihrer antibakteriellen, entzündungshemmenden und
antiviralen Eigenschaften Arzneipflanzen mit Senfölen eingesetzt werden,
erläuterte Dr. Rainer Stange, Berlin.
"Obwohl die Ausbreitung resistenter Keime eine große Gefahr birgt, können neue
Wirkstoffe nicht mehr schnell genug entwickelt werden - die Zahl der jährlich
neu auf den Markt kommenden Antibiotika sinkt ständig", so Michalsen. 2050
könnten Antibiotikaresistenzen laut WHO die häufigste Todesursache weltweit
sein. Zur Entschärfung der Resistenzproblematik ist es wichtig, dass Antibiotika
nur dann eingesetzt werden, wenn sie wirklich medizinisch erforderlich sind. Für
banale Infektionen hat die Natur wirkungsvolle Alternativen zu bieten. So können
zum Beispiel bei Blasenentzündungen und Erkältungskrankheiten pflanzliche
Senföle zum Einsatz kommen. Vor dem Hintergrund der bedrohlichen
Resistenzentwicklung ist besonders interessant, dass durch die vielfältigen
Wirkansätze der Pflanzenstoffe bei den Bakterien die Entwicklung von
Resistenzmechanismen gegen die Senföle deutlich erschwert wird.
"Sie stellen aufgrund ihrer antibakteriellen, entzündungshemmenden und
antiviralen Eigenschaften zur Therapie von Atemwegsinfektionen eine
vielversprechende natürliche Substanzgruppe dar", erklärte Dr. Rainer Stange,
Berlin. Für Patienten mit ständig wiederkehrenden Atemwegsinfektionen böten sich
außerdem prophylaktische Strategien an, für die sich mehrere naturheilkundliche
Methoden kombinieren lassen. Speziell für die Phytotherapie kämen neben den
Senfölen z.B. klassische abwehrverbessernde Pflanzen wie Echinacea purpurea
infrage oder auch pflanzliche Stoffgruppen wie Myrtole (Mischung verschiedener
ätherischer Öle).
"Wir müssen neue Wege einer rationalen Medizin gehen, die eine Unterscheidung
erlaubt, wann tatsächlich eine Probe ins Labor geschickt wird und an welchen
Punkten wir eine Antibiotika-Therapie gar nicht mehr als erste Therapieoption in
Erwägung ziehen", forderte die Gynäkologin Dr. Dorothee Struck, Kiel. Die
unkomplizierte Harnwegsinfektion der Frau gehöre für sie dazu, es gebe gute und
hinsichtlich ihrer Wirksamkeit umfangreich belegte Alternativen aus dem Bereich
der Phytotherapie. "Es wird höchste Zeit, das Therapieregime grundlegend zu
überdenken und zu ändern", ergänzte der Urologe Dr. Wolfgang Bühmann, Sylt OT
Morsum. Die neue S3-Leitlinie zur Behandlung von Harnwegsinfektionen
(Therapieempfehlung für Ärzte) unterstütze diesen Ansatz endlich auch
"offiziell" und ermutige, auf Antibiotika als "Erstlinienbehandlung" zunehmend
zu verzichten. Antibakterielle Aktivität, antientzündliche Wirkung, fehlende
Resistenzentwicklung und geringe Nebenwirkungsrate sind laut Bühmann gute Gründe
für den Einsatz von pflanzlichen Arzneimitteln wie z.B. den Senfölen in der
Therapie von akuten unkomplizierten Harnwegsinfektionen. Der Einsatz der
pflanzlichen Wirkstoffe wird in der entsprechenden S3-Leitlinie als
Behandlungsoption bei häufig wiederkehrenden Blasenentzündungen empfohlen.
"Es ist sehr wichtig, den Patienten in die Entscheidungsfindung für oder gegen
ein Antibiotikum miteinzubeziehen", führte Prof. Dr. Attila Altiner, Rostock,
aus. Zu einer gelungenen Arzt-Patienten-Kommunikation gehöre das genaue Erkunden
der tatsächlichen Erwartungen des Patienten. Das fördere die Therapietreue
(Adhärenz) und gehe entgegen einiger Vorurteile nicht mit einem höheren
Zeitaufwand einher.
"Viele Apothekenkunden sind der Meinung, dass Antibiotika schneller und stärker
wirken als pflanzliche Alternativen", berichtete die Apothekerin Juliane von
Meding, Gräfelfing. Hier gelte es Kunden von der Effektivität pflanzlicher
Behandlungsmaßnahmen zu überzeugen. "Wir empfehlen bei unkomplizierten
Harnwegsinfektionen bevorzugt pflanzliche Arzneimittel mit breiter
antibakterieller Wirkung. Denn bei einer reinen Behandlung der Beschwerden mit
z.B. schmerzlindernden Medikamenten oder durchspülenden Arzneipflanzen ohne
antibakterielle Wirkung besteht das Risiko, eine Nierenbeckenentzündung zu
entwickeln, weil die krankheitsaus- lösenden Erreger nicht beseitigt werden und
aufsteigen können", so von Meding. Zudem sei es häufig erforderlich,
Apothekenkunden den Unterschied zu den oft wenig wirksamen, niedriger dosierten
Nahrungsergänzungsmitteln aus dem Supermarkt oder der Drogerie deutlich zu
machen.
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Datum: 25.11.2019 - 09:00 Uhr
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