Drogenhandel:Kokain-Sicherstellungen in Deutschland auf Rekord-Hoch
(ots) - Im Jahr 2019 sind in Deutschland erstmals mehr als zehn Tonnen
Kokain durch Ermittler sichergestellt worden. Das Bundeskriminalamt (BKA)
bestätigte eine entsprechende Recherche des Norddeutschen Rundfunks. Das Jahr
entwickle sich zu einem "absoluten Rekordjahr, was Kokain-Sicherstellungen
angeht", sagte Christian Hoppe, Kriminaldirektor beim BKA, im NDR-Interview. Er
gehe davon aus, dass die Gesamtmenge am Jahresende "noch deutlich darüber
liegt".
Die sichergestellten Mengen der Droge sind in den vergangenen Jahren massiv
angestiegen: 2014 waren es noch rund 1,5 Tonnen, die Zahl hat sich damit
innerhalb von fünf Jahren nahezu versiebenfacht. Die Dunkelziffer des
geschmuggelten Kokains dürfte um ein Vielfaches höher sein.
Fahnder gehen davon aus, dass der Grund für die Steigerung eine hohe
Verfügbarkeit in Südamerika ist. In den vergangenen Jahren konnten
südamerikanische Kokain-Anbauer die Produktion deutlich steigern, sie drängen
mit ihrer Droge förmlich auf den europäischen Markt.
Laut BKA sei "auf dem wachsenden Kokainmarkt (...) eine wachsende
Gewaltbereitschaft erkennbar, die sich auch in Tötungsdelikten und
Mordanschlägen" niederschlage. In Norddeutschland, wo die großen Übersee-Häfen
liegen, befürchten Drogenfahnder, dass mit dem zunehmenden Kokain-Schmuggel
gewalttätige Bandenkriminalität und Revierkämpfe unter Drogendealern einher
gehen könnten, auch wenn dies aktuell noch nicht erkennbar sei. "Ein
zusätzliches Angebot schafft auch eine Nachfrage. Die Kriminalität wird zunehmen
und wir werden einen deutlich aggressiveren Markt erleben", sagte
Kriminaldirektor Hoppe.
Nach Informationen des NDR arbeitet das BKA derzeit an einer verbesserten
Strategie, um den internationalen Kokainhandel effektiver zu bekämpfen. Die
Initiative geht offenbar auf die Bitte mehrerer norddeutscher
Landeskriminalämter zurück, die sich mit den Kokain-Schmugglern zunehmend
konfrontiert sehen. Vom BKA hieß es, man stimme sich derzeit mit dem
Zollkriminalamt und den Landeskriminalämtern "zum weiteren Vorgehen" ab.
Ein großer Anteil der aktuellen Sicherstellungen geht auf die Containerhäfen in
Hamburg und Bremerhaven zurück. Allein in Hamburg konnten in diesem Jahr zwei
Großlieferungen abgefangen werden, die zusammen zwei Drittel der gesamten
beschlagnahmten Menge ausmachten. Der Chef der Hamburger Zollfahndung, René
Matschke, sagte dem NDR, er habe sowohl in Hamburg als auch in Bremerhaven
inzwischen "mehr Personal zur Bekämpfung des Kokainhandels eingesetzt". Im Falle
des über Bremerhaven geschmuggelten Kokains habe die Zollfahndung Erkenntnisse,
dass dieses auch über dort ansässige Clans verteilt werde, sagte Matschke.
Mitarbeiter deutscher Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass die veränderte
Strategie im Kampf gegen die Droge auch zu einem verstärkten Kampf gegen die
Kokaingeldwäsche führen wird. NDR-Recherchen zufolge beobachten Ermittler dabei
einen weiteren Trend: spezialisierte Geldwäscher-Banden, die sich im Auftrag
südamerikanischer Kartelle ausschließlich darum kümmern, die Drogengelder zu
waschen und zurück nach Südamerika zu transferieren. Es gelte insbesondere "die
Glieder der Handelsketten zu zerschlagen", sagte Hoppe.
Aus Ermittlerkreisen heißt es, dass insbesondere libanesische Netzwerke in der
Kokaingeldwäsche auffallen. Die amerikanische Drogenpolizei Drug Enforcement
Administration (DEA) teilte dem NDR mit, man gehe davon aus, dass libanesische
Banden bis zu 50 Prozent des in Europa anfallenden Kokaingeldes waschen.
In einem ersten Schritt kaufen die zumeist aus dem Libanon gesteuerten Gruppen
unter anderem Luxusuhren, Schmuck und Autos und verkaufen diese wiederum im
Ausland. Die anschließenden Gewinne werden dann oftmals über libanesische
Wechselstuben an die Kartelle in Südamerika zurücktransferiert.
Recherchen des NDR belegen, dass im Falle einer europaweit agierenden Bande auch
ein Geschäftsführer des Flughafens in Beirut sowie ein leitender Mitarbeiter der
Flughafensicherheit in die Geldwäsche eingebunden waren. Beide sind offenbar bis
heute im Amt. Das libanesische Innenministerium wollte sich auf Nachfrage nicht
zu dem Fall äußern. Zahlreiche Indizien sprechen dafür, dass auch die
schiitische Hisbollah von den Geldwäschegeschäften profitiert. So sollen
Mittelsmänner der Geldwäscher einen Teil des Gewinns an die Partei gegeben
haben. Die Hisbollah lehnte eine Stellungnahme ab.
Die Ergebnisse der einjährigen Recherche zu libanesischen Geldwäschenetzwerken
sind ab sofort im ARD-Radiofeature "Die Libanon-Connection" zu hören, abrufbar
in der ARD-Audiothek. Außerdem berichtet am Sonntag der ARD-Weltspiegel über
dieses Thema, zu sehen im Ersten ab 19.20 Uhr.
20.November 2019 /LL
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Datum: 20.11.2019 - 06:00 Uhr
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