Diesel-Abgasskandal: Vergleich rückt in der Musterfeststellungsklage in greifbare Nähe / OLG Braunschweig lässt Tendenzen eines möglichen Urteils durchblicken
(ots) - Gute Nachrichten für die 445.945 Teilnehmer der
Musterfeststellungsklage gegen VW. Das Oberlandesgericht Braunschweig hat am
Montag, 18. November, in der zweiten mündlichen Verhandlung erneut auf einen
Vergleich zwischen den streitenden Parteien gedrängt. Und zudem angedeutet, in
welche Richtung ein mögliches Urteil gehen könnte. Eine Verurteilung des
Autobauers wegen sittenwidriger Schädigung ist im Bereich des Möglichen. Die
Vertreter des Volkswagen-Konzerns signalisierten darauf hin, über einen
Vergleich nachdenken zu wollen. Bis Ende des Jahres haben nun die Anwälte von VW
und die Vertreter des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) Zeit für das
Nachdenken oder bereits die Aufnahme von Gesprächen. Die Vertreter des vzbv sind
zu solchen Diskussionen bereit.
"Das ist schon eine positive Überraschung", äußerte sich Ralph Sauer nach dem
Ende der zweiten mündlichen Verhandlung in der Musterfeststellungsklage gegen
die Volkswagen AG. "Dass sich Volkswagen so schnell bewegt und der Richter, sich
so dezidiert äußert, damit hätten wir nicht gerechnet", sagte Sauer weiter. "Die
Ankündigung, in einem dritten Verhandlungstermin die Frage der deliktischen
Haftung breiten Raum zu geben, ist ein deutliches Signal zu Gunsten der
Verbraucher", ergänzte Marco Rogert. Beide sind Rechtsanwälte und Mitinhaber der
RUSS Litigation Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, die die Klage im
Diesel-Abgasskandal für den vzbv führt.
Der Tag am Oberlandesgericht Braunschweig hatte für die Verbraucher schon gut
begonnen. Der Vorsitzende Richter, Michael Neef, machte zu Beginn klar, dass er
derzeit keine Gründe für ein Teilurteil sehe. Er attestierte dem Verfahren
hingegen eine baldige Entscheidungsreife. Auch eine Beweisaufnahme sah er nicht
als notwendig an. Das zügige Vorgehen hatte das Gericht bereits in der ersten
Verhandlung am 30. September 2019 im Sinne der Verbraucher angedeutet. Zwar
wurden bis zur Mittagspause vertragliche Fragen ausgiebig diskutiert, doch die
stellen für das Verfahren nur einen Nebenkriegsschauplatz dar. Sehr intensiv
erläuterte Michael Neef die neusten Entwicklungen in der Rechtsprechung im
Diesel-Abgasskandal. Und da gab es in jüngster Zeit klare Verurteilungen von VW
wegen sittenwidriger Schädigung. Neef könne sich eine Nutzungsentschädigung für
VW vorstellen und sprach sich gegen Zinsen für die Verbraucher aus. Und
spätestens hier war klar, in welche Richtung das Gericht tendieren könnte.
13 der 24 Oberlandesgerichte haben Volkswagen bisher wegen vorsätzlicher
sittenwidriger Schädigung von Verbrauchern verurteilt und den Konzern zu
Schadensersatz verurteilt. Dabei hat auch ein Umdenken in der Rechtsprechung der
Gerichte stattgefunden. Einige Oberlandesgerichte haben sich noch nicht
festgelegt, ob Sittenwidriges bei VW vorlag. Auch Landgerichte entscheiden immer
häufiger für den geschädigten Verbraucher und gegen Volkswagen. Derzeit
verurteilen laut dem Projekt "Dieselskandal" der Universität Regensburg 97 von
115 Landgerichten VW wegen des manipulierten Motors EA 189 zu Schadensersatz.
Das Oberlandesgericht Braunschweig wird sich diese für die Verbraucher positive
Entwicklung an den Gerichten nicht entziehen können.
Der Bundesgerichtshof hat der verbraucherfreundlichen Rechtsprechung Auftrieb
gegeben. In seinem Hinweisbeschluss vom 8. Januar 2019 (VIII ZR 225/17) ist die
Manipulation der VW-Motors EA 189 als Sachmangel eingestuft worden. Daraufhin
wurde VW vor Landgerichten zur Rücknahme und Neulieferung von Fahrzeugen
verurteilt, ohne dass eine Nutzungsentschädigung an den Konzern stattfand.
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Datum: 18.11.2019 - 15:39 Uhr
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