Mittelbayerische Zeitung: In Treue fest zur Nato. Für Polen und andere ostmitteleuropäische Staaten gibt es absolut keine Alternative zur westlichen Militärallianz. Von Ulrich Krökel
(ots) - Mateusz Morawiecki hätte eigentlich anderes zu tun. Morgen
hält der wiedergewählte Premier seine Regierungserklärung, die zu Beginn einer
Legislatur in Polen den Stellenwert einer Rede an die Nation hat. Dennoch fand
Morawiecki Zeit, in einem weltweit beachteten Interview den französischen
Präsidenten Emmanuel Macron in die Schranken zu weisen, der den "Hirntod der
Nato" diagnostiziert hatte. Für den polnischen Regierungschef ist das blanker
Unsinn: "Die Nato ist und bleibt das wichtigste Bündnis der Welt, das der
Bewahrung von Freiheit und Frieden dient." Morawiecki offenbart, dass es in
Polen wie in den meisten östlichen EU-Ländern ein grundlegend anderes
Verständnis von der Nato gibt als in Paris oder Berlin. Kanzlerin Merkel hat
schon 2017 eine ähnliche Sicht auf die Rolle von Donald Trump in der westlichen
Allianz geäußert wie nun Macron. Beide sehen im US-Präsidenten "keinen völlig
verlässlichen Partner" und fordern die EU auf, in der Verteidigungspolitik auf
eigene Stärken zu setzen. Morawiecki kann mit dem Ansatz nichts anfangen. Die
Probleme der Nato seien keineswegs von Trump verursacht, sondern vom mangelnden
Engagement vieler europäischer Partner. Einmal mehr legt der Premier den Finger
in jene Wunde, die vor allem in Deutschland weit klafft: "Viele Nato-Staaten
halten ihre Selbstverpflichtung nicht ein, zwei Prozent des
Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung auszugeben." Polen dagegen tut dies
schon heute und strebt bis 2030 einen Wert von 2,5 Prozent an. Und die Zweifel
an Macron gehen noch deutlich weiter. Man könne sich angesichts der
Hirntod-Einlassungen schon die Frage stellen, ob Frankreich "den Erhalt der Nato
noch für wichtig hält". Für ihn ist klar: "Die USA haben Europa immer
unterstützt. Und wenn es diese US-Hilfe nicht gegeben hätte, hätte sich Europa
nicht von der Nazi-Herrschaft befreien können." Heute wiederum habe man es mit
einem "enorm aggressiven Russland" zu tun. Das ist eine Perspektive, die in
Polen über alle parteipolitischen Gräben hinweg Konsens ist. In Anspielung auf
ein geflügeltes Wort der polnischen Politik ließe sich die strategische Sicht in
Warschau knapp so zusammenfassen: "Die Nato oder der Tod." Viele polnische
Politiker würden demnach lieber ihr Leben geben, als die Nato aufzulösen. Das
Verteidigungsbündnis gilt als Lebensversicherung für die Nation. Neu ist das
nicht. Die Einbindung in die westliche Verteidigungsgemeinschaft hat seit dem
Ende des Kalten Krieges höchste Priorität in der polnischen Staatsräson, und
zwar unabhängig von der politischen Ausrichtung der wechselnden Regierungen. Es
war deshalb auch kein Zufall, dass das Land der Nato schon 1999 beitrat und
damit fünf Jahre vor der EU-Osterweiterung. Offene Gegner der Militärallianz
gibt es in Polen kaum. Rund 70 Prozent der Menschen vertreten die Ansicht, dass
die Nato den Frieden in Europa sichere. Und das meint vor allen anderen: die
USA. Deutlich anders gestaltet sich das Verhältnis zu den Bündnispartnern in
Europa. Gerade drei Jahre ist es her, dass Polen eine Bestellung von 50
Airbus-Militärhubschraubern kurzerhand storniert und damit einen handfesten
Eklat ausgelöst hat. Airbus-Chef Tom Enders fühlte sich "an der Nase
herumgeführt". Die polnische Regierung aber blieb bei ihrer Prioritätensetzung
und bestellte jenseits des Atlantiks. Und als Bundeskanzlerin Angela Merkel 2018
für die Schaffung einer "echten europäischen Armee" plädierte, ging Morawiecki
schnell auf Distanz. Erst einmal müssten die EU-Staaten ihren Nato-Beitrag
stärken.
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