Rheinische Post: Kommentar: Gefragt ist die Kunst des Kompromisses // von Matthias Beermann
(ots) - Wie weit darf sich eine politische Partei verbiegen, um an
die Macht zu gelangen? Wo hört der Kompromiss auf, wo beginnt der Ausverkauf?
Was ist noch pragmatisch, was nur noch peinlich? Um diese Fragen wird es in den
kommenden Wochen in Wien gehen, wo die Konservativen von der Österreichischen
Volkspartei mit den Grünen über die Bildung einer Koalition verhandeln wollen.
Es ist aus derzeitiger Sicht die arithmetisch einzig mögliche Konstellation für
eine wenn auch knappe Mehrheit im Parlament. Es sei denn, der für seine extreme
politische Flexibilität bekannte ÖVP-Chef Sebastian Kurz bandelt doch wieder mit
den Schmuddelkindern von der FPÖ an, mit denen er immerhin gut anderthalb Jahre
lang regiert hatte. Diese Möglichkeit hat Kurz prompt angedeutet, aber das gilt
eher als taktisches Manöver, um die grünen Unterhändler unter Druck zu setzen.
Beide Seiten wissen, dass diese Gespräche nicht leicht werden. Inhaltlich liegen
die beiden Parteien auf vielen wichtigen Politikfeldern meilenweit auseinander:
Bei Migration, Umwelt und Wirtschaft müssen bisher als unversöhnlich geltende
Standpunkte auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden, ohne dass die
jeweilige Parteibasis revoltiert.
Erinnert das nicht irgendwie verdächtig an die Debatte in Deutschland, klingt
das nicht nach Groko-Gezänk und Thüringen-Gezerre? Stimmt, aber in Österreich
ist immerhin die Grundstimmung erfrischend positiv. Sollte die Öko-Partei sich
ihre Zustimmung zur Fortsetzung der strikten Einwanderungspolitik, die unter
Kurz zum unverzichtbaren Markenkern der ÖVP geworden ist, gegen mehr
Integrationsanstrengungen und mehr Klimaschutz abhandeln lassen, könnte das
durchaus die Grundlage für ein Bündnis sein. Und vielleicht sogar ein Vorbild
für Deutschland.
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Datum: 11.11.2019 - 20:57 Uhr
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