Westfalen-Blatt: Kommentar zur Wahl der SPD-Spitze
(ots) - Dieses Ergebnis muss CDU und CSU ebenso viele
Sorgen bereiten wie der SPD selbst. Der Vorsprung von Olaf Scholz und
seiner Mitstreiterin Klara Geywitz auf Norbert Walter-Borjans und
Saskia Esken ist so knapp, dass der Bundesfinanzminister und
Vizekanzler nicht als Favorit in die Stichwahl um die SPD-Spitze
geht.
Denn die Stimmen für die anderen Gespanne, die bis auf
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius und Sachsens
Integrationsministerin Petra Köpping linksorientiert und entsprechend
Groko-kritisch waren, dürften mehrheitlich kaum bei Scholz landen.
Obendrein ist Walter-Borjans offizieller Kandidat des
mitgliederstarken SPD-Landesverbandes NRW und informeller Kandidat
des Juso-Chefs Kevin Kühnert. Und so könnte diese Stichwahl zu einer
Vorentscheidung über den Verbleib in der Großen Koalition werden,
weil Scholz persönlich als Stütze der Bundesregierung gilt. Das
letzte Wort hat vom 6. bis 8. Dezember der SPD-Bundesparteitag in
Berlin. Die Delegierten bestimmen die neuen SPD-Vorsitzenden und
votieren auch für oder gegen den Verbleib in der ungeliebten Großen
Koalition. Viel spricht dafür, dass die erste Entscheidung die zweite
bedingt.
Aber der SPD wäre in ihrer Zerrissenheit und Unzufriedenheit
zuzutrauen, Scholz zum Vorsitzenden zu machen und gleichzeitig aus
der Regierung auszusteigen - oder Walter-Borjans zu wählen und in der
Bundesregierung zu bleiben.
In der Hauptstadt heißt es, dass Scholz jetzt einen schnellen
Erfolg für die Parteilinke brauche, um während des Stichwahlgangs bis
Ende November deren Stimmen wenigstens teilweise einzusammeln. Eine
Trophäe wäre die umstrittene Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung.
Eine Forderung, die dem Koalitionsvertrag widerspricht und die in der
Union mehrheitlich abgelehnt wird. Außerdem hat die SPD noch nicht so
recht erklärt, warum sie die Bedürftigkeitsprüfung streichen will.
Als Sozialprojekt - Achtung, Klischee! - für die in der Praxis ihres
Mannes teilzeitbeschäftigte Zahnarztfrau kann die Grundrente ja kaum
gemeint sein.
CDU und CSU machen seit Bestand dieser Regierung mehr als
deutlich, dass sie für deren Erhalt zu fast jedem Zugeständnis an die
SPD bereit sind. Im November werden sich Angela Merkel, Annegret
Kramp-Karrenbauer, Ralph Brinkhaus, Alexander Dobrindt und Markus
Söder etwas einfallen lassen müssen, um die Sozialdemokraten in der
Großen Koalition zu halten. Das Minimum wäre eine abgeschwächte Form
der Bedürftigkeitsprüfung.
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Datum: 27.10.2019 - 21:00 Uhr
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