Rheinische Post: Kommentar /
Die Interessen an einer Türkei als Partner
= Von Gregor Mayntz
(ots) - Mit nüchterner Analyse eigener
sicherheitspolitischer Interessen hat sich die politische Debatte im
Nachkriegsdeutschland schon immer schwer getan. Die Forderung nach
einem Überdenken der Nato-Mitgliedschaft der Türkei ist ein Rückfall
in solche alten Reflexe. Natürlich ist es schwer zu ertragen, mit
Ankara an einem Tisch zu sitzen, wenn dessen Militär in ein
Nachbarland einrückt und sich mit dem Vorwurf von Kriegsverbrechen
konfrontiert sieht.
Doch zum einen sollte jeder, der einen Rauswurf der Türkei zur
Sprache bringt, erst einmal klären, ob das überhaupt möglich ist. Das
sieht der Nato-Vertrag jedenfalls nicht vor. Zum anderen muss
dringend die sicherheitspolitische Analyse eingefordert werden. Kaum
eine Region war perspektivisch für das westliche Verteidigungsbündnis
wichtiger als seine Südostflanke. Dort geht es um die Frage, wie weit
Russland seine Einflusszone ausweiten kann, dort geht es um die
Brücke zur arabischen Welt. Dort entscheidet sich, ob die Welt die
Hauptursache für die Massenmigration aus Syrien endlich in den Griff
bekommt. Es wäre deshalb gegen die elementarsten deutschen
Interessen, die Türkei als Partner zu verlieren.
Die aktuellen Probleme der internationalen Sicherheitspolitik
liegen nicht in einer Nato-Mitgliedschaft der Türkei begründet. Sie
hängen damit zusammen, dass die Nato insgesamt kein Konzept hat, wie
ihre Mitglieder Konfliktherde verhindern und eindämmen können. Vor
allem auf dem afrikanischen Kontinent entwickeln sich terroristische
Strukturen, die bald schon wieder die Sicherheit der Nato-Länder
berühren werden. Wo die Nato - auch wegen des Ausfalls ihres
wichtigsten Mitgliedes USA als weltpolitischer Ordnungsfaktor - zum
Zuschauer wird, muss die EU an ihrer Verantwortung als Akteur
arbeiten.
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Datum: 25.10.2019 - 20:23 Uhr
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