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Kardinal Marx spricht auf dem St. Michael-Jahresempfang in Berlin

ID: 1762750


(ots) - Vor einer Aufspaltung der Welt in Einzelinteressen
und dem Zerfall ganzheitlicher Systeme in der Ökologie und Ökonomie
hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal
Reinhard Marx, gewarnt. "Wir gehören als globale Welt zusammen und
werden nicht zuletzt durch die derzeit im Vatikan tagende
Amazonassynode daran erinnert, neu zu lernen, was vernetztes Denken
für die ganze Menschheitsfamilie bedeutet. Wir brauchen deshalb, so
wie es auch Papst Franziskus in seiner Enzyklika Laudato si'' fordert,
eine neue Idee des Fortschritts, deren Maßstab sich an den
Lebensbedingungen aller Menschen orientiert, besonders der Armen", so
Kardinal Marx gestern Abend (16. Oktober 2019) beim St.
Michael-Jahresempfang des Katholischen Büros in Berlin. Die
Amazonassynode in Rom verdeutliche die zentrale Frage, wie es
weitergehe mit der Welt. "Deshalb müssen wir den jungen Menschen
dankbar sein, die auf die Straße gehen und uns in aller Klarheit
diese Fragen derzeit stellen", so Kardinal Marx. Die neue, von Papst
Franziskus in Laudato si'' angemahnte Fortschrittsidee dürfe niemanden
unberührt lassen. "Das gemeinsame Haus der Welt ist uns allen
anvertraut. Deshalb ist es gut, wenn in Rom derzeit gefragt wird, wie
eine verantwortungsvolle Klimapolitik aussehen kann."

Kardinal Marx erinnerte in seiner Ansprache vor mehr als 800
Vertretern aus Kirche, Politik und Gesellschaft an die Verantwortung
eines jeden einzelnen, die Folgen von Handlungen anzuschauen. "Wir
erleben derzeit eine Gefahr des Wiedererstarkens von Nationalismen,
von Rückwärtsbewegungen, von Einzelinteressen und Populismen aller
Art. Wir haben eine Verantwortung für die Würde eines jeden Menschen.
Wir brauchen eine Welt, die Individualismen überwindet, die ein
Freund-Feind-Denken, ein Lagerdenken hinter sich lässt", so Kardinal
Marx. Persönlich sei er zutiefst erschüttert gewesen, dass in Halle




ein solcher "krass vulgärer antisemitischer Angriff möglich gewesen
ist. Das darf nie wieder passieren! Wir stehen unverbrüchlich an der
Seite unserer jüdischen Schwestern und Brüder! Wir werden auch
weiterhin mit ihnen solidarisch sein. Deutlich unterstreiche ich: Nie
wieder werden wir uns trennen. Christen und Juden werden immer
zusammen durch die Geschichte gehen bis der Herr wiederkommt".

Vieles - auch im Populismus - beginne mit der Sprache. "Passen wir
gemeinsam bei der Sprache auf! Wir dürfen die Sitten nicht verwildern
lassen, nicht im Parlament, nicht auf der Straße, nicht im
Freundeskreis. Wir lassen nicht zu, dass wir eine Sprache verwenden,
die andere ausgrenzt, verunglimpft oder die rassistisch ist. Das
werden wir nicht hinnehmen!" In diesem Moment der Geschichte gehe es
auch um die Zukunft der Demokratie, so Kardinal Marx. "Freiheit und
Demokratie sind nicht fertig, sind keine Selbstläufer, sondern
Aufgabe und Anspruch - jeden Tag neu. Hier sage ich deutlich: Die
Kirche steht auf der Seite der Freiheit. Wo Populisten - auch im
religiösen Kontext - bereit sind, ihre Ziele durch eine Minderung der
Demokratie und der Freiheit in Kauf zu nehmen, werden wir dagegen
aufstehen!"

Ausdrücklich warnte Kardinal Marx vor einer weiteren militärischen
Eskalation im Nahen Osten. Der Einmarsch der Türkei in Syrien sei ein
klarer Fall von Völkerrechtsbruch. "Wieder sind es die Menschen, die
die Opfer sind aufgrund eines politischen Kalküls. Die NATO ist eine
Wertegemeinschaft, das sollte gerade jetzt im Blick behalten werden
in einer Situation in Syrien, die erschreckend ist." Wo die Kirche
könne, wolle sie einen Beitrag zur Einheit der Menschheitsfamilie
leisten. "Die Kirche ist Instrument der Einheit, sie ist nicht
politische Partei, sie will zum Nachdenken anregen, um Ziele für die
Menschheitsfamilie zu finden und Orientierung zu geben. Das verstehen
wir auch weiterhin als unseren Auftrag von Morgen", so Kardinal Marx.



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