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Mittelbayerische Zeitung: Ehrfurcht vor der Macht der Worte. Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Aber sie bedeutet nicht, dass man einfach sagen darf, was man möchte. Es muss auch wahr sein. Von Christine Straßer

ID: 1762643


(ots) - Der Prolog des Johannesevangeliums ist eine der
bekanntesten Passagen aus der Bibel. Am ersten Weihnachtsfeiertag
wird dieser Text im Gottesdienst vorgelesen. "Im Anfang war das Wort,
und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Im Anfang war es
bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden und ohne das Wort wurde
nichts, was geworden ist", lauten die ersten Sätze. Unabhängig davon,
ob er an Gott glaubt oder nicht, machen diese Sätze demjenigen, der
sie hört oder liest, klar, dass Worte den Unterschied ausmachen.
Ihnen wohnt Macht inne. Von ihnen geht alles aus. Aber derzeit ist
wenig Achtsamkeit im Umgang mit Worten zu spüren - und noch weniger
Ehrfurcht vor der Wirkmacht von Gesagtem. Noch ist die Adventszeit
einige Wochen entfernt, aber endlos weit entrückt scheinen wir der
Besinnlichkeit, zu der wir dann finden sollen. Es sind hysterische
Zeiten, die von Besinnungslosigkeit geprägt sind. Die öffentliche
Debatte ist vielfach zu einem wüsten Geschrei geraten. Das
Gesprächsklima ist vergiftet. Und: Einander wird nicht mehr wirklich
zugehört. Die Bereitschaft, es auszuhalten, wenn den eigenen
Auffassungen widersprechende Standpunkte entgegengehalten werden, ist
gering. Beleidigungen und Beschimpfungen werden ausgesprochen, als
seien es Meinungen. Aber sie sind es nicht. Sie sind Unrecht. Nicht
manchmal oder vielleicht, sondern immer. Was noch vor wenigen Jahren
unsagbar war, wird nun geradezu hinausgeplärrt in die Welt. Oft
berufen sich die Redner dann auf ihre Meinungsfreiheit. Welch ein
Hohn! Denn in Wahrheit wird die Meinungsfreiheit von ihnen miss- und
geradezu verachtet. Es wäre ja fast schon beruhigend, wenn man es auf
Gedankenlosigkeit schieben könnte, was Parlamentarier, hohe
Amtsträger, ja selbst ein US-Präsident von sich geben. Aber
Gedankenlosigkeit hieße ja, dass sie sich nicht dessen bewusst sind,




was sie da sagen. Das Gegenteil ist der Fall. Bewusst wird die Macht
des Wortes genutzt, um aufzuhetzen und um Tatsachen zu verdrehen. Oft
zählt nicht mehr das, was wahr ist, sondern das, was gefühlt wird.
Emotionen treten an die Stelle von Argumenten. Das erstickt jede
gedankliche Auseinandersetzung mit einem Gegenüber im Keim. Der
sachliche Streit wird unmöglich. Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut.
Wem dieses Recht verwehrt wird, der verdient es, dass man ihm zur
Seite springt und für sein Recht kämpft. Aber Meinungsfreiheit
bedeutet nicht, dass man alles sagen darf, was man will. Es muss die
Wahrheit sein. Das Wort, mündlich wie schriftlich, kann Großes
bewirken, Gutes wie Schlechtes. Wer etwas ausspricht, der muss die
Verantwortung für seine Worte tragen. Das fällt leichter, wenn die
Wortwahl behutsam ist. Zu einem inhaltlich ergiebigen Wortwechsel
gehört die Geduld, sich Argumente anzuhören. Sie hin- und her zu
wenden. Verantwortung? Behutsamkeit? Geduld? Das klingt altmodisch.
Aber es sind Begriffe von hoher Aktualität. An die eigene
Verantwortung denken allerdings die Wenigsten, die ihre eigene
Befindlichkeit über alles andere stellen und mit ihren Worten
schmähen, verunglimpfen und aufhetzen. In diesen ohrenbetäubenden
Zeiten findet gerade die Frankfurter Buchmesse, eine besondere Feier
des geschriebenen Wortes, statt. Das Wort hat nichts von seiner
Faszination und erst recht nichts von seinem Gewicht verloren. Das
wird auf der Messe, auf der Verlage beeindruckende Zeugnisse des
Umgangs mit Worten vorstellen, demonstriert. Lesen ist wichtig. Wer
das Glück hat, sich gedanklich in ein Buch zu versenken, dem wird
kunstvoll Erfahrung und Wegweisung vermittelt. Der in die Lektüre
vertiefte Leser wird zum Nachdenken angeregt. Und Denken ist
überhaupt das Wichtigste, um sich nicht von hohlen Worten und
falscher Rede täuschen zu lassen.



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Telefon: +49 941 / 207 6023
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Datum: 16.10.2019 - 20:27 Uhr
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