Experten fordern: Bei Krebs sollenÄrzte und Fachkräfte bedarfsadaptierte Bewegungsprogramme empfehlen (FOTO)
(ots) -
Ein internationales Expertenteam hat aktuell Richtlinien zum Thema
Bewegung bei Krebs veröffentlicht. Die Bewegungs- und Krebsexperten
empfehlen, dass Ärzte und Onkologen ihren Patient*innen zur
Krebsprävention und -therapie systematisch Bewegungsmaßnahmen
empfehlen und sie zu gezielter Bewegung anleiten. Sport- und
Bewegungsfachkräfte sollen die individuell auf die Patient*innen
abgestimmten und bedarfsadaptierten Bewegungsprogramme umsetzen.
Dabei sollen die persönlichen Bedürfnisse, Vorlieben und Fähigkeiten
von Krebsbetroffenen berücksichtigt und deren Lebensqualität
verbessert werden. Der Deutsche Verband für Gesundheitssport und
Sporttherapie e. V. (DVGS) hat die Arbeit des Gremiums finanziell und
inhaltlich unterstützt.
Das Amerikanische College für Sportmedizin (ACSM) hatte die
Expertenrunde mit 17 Partnerorganisationen, darunter die American
Cancer Society, das National Cancer Institute sowie der DVGS,
initiiert. Ziel war, den aktuellen Forschungsstand zum Nutzen von
Bewegung in der Prävention von Krebs sowie während der Therapie und
in der Nachsorge von Krebspatient*innen zu sichten und
evidenzbasierte Empfehlungen abzugeben.
"Bei weltweit mehr als 43 Millionen Krebspatient*innen, die die
Erkrankung überlebt haben, müssen wir uns der spezifischen
Gesundheitsprobleme dieser Patientengruppe annehmen. Es gilt besser
zu verstehen, wie Bewegung bei der Prävention, Behandlung und
Nachsorge von Krebs helfen kann", sagt Dr. Kathryn Schmitz von der
ACSM und eine der Vorsitzenden des Expertenpanels. "Die
multidisziplinäre Gruppe hochangesehener Bewegungs- und Krebsexperten
hat sich zum Ziel gesetzt, die aktuelle wissenschaftliche Evidenz
aufzuarbeiten und daraus Handlungsempfehlungen für behandelnde Ärzte
und Fachkräfte sowie die Öffentlichkeit abzuleiten." Privatdozent Dr.
Joachim Wiskemann, der die AG Onkologische Sport- und
Bewegungstherapie am renommierten Nationalen Centrum für
Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg leitet, hat - unterstützt vom
DVGS, mit der er und das NCT eng kooperieren - an dem Expertenpanel
teilgenommen und u.a. maßgeblich an den Richtlinien für Menschen mit
Krebserkrankung mitgewirkt.
"Unsere Auswertung der Studienlage hat gezeigt, dass Überlebende
einer Krebserkrankung von körperlichem Training profitieren und
dieses vor allen Dingen auch sicher für die Patient*innen ist.
Wichtigste Botschaft ist: Betroffene sollten auf jeden Fall
körperliche Inaktivität vermeiden. Wir haben ausreichend Belege dafür
gefunden, dass regelmäßiges Ausdauer- und Krafttraining, besonders in
Kombination, einen positiven Einfluss auf die krebsbedingten
gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Patient*innen wie
Angstzustände, Depressionen, Fatigue, körperliche Einschränkungen und
die allgemeine Lebensqualität haben", fasst Wiskemann Teilergebnisse
der Expertenrunde zusammen. "Selbst wenn Ärzte und Fachkräfte
Bewegungsmaßnahmen empfehlen, ist es für die Betroffenen nicht immer
leicht, den "inneren Schweinehund" zu überwinden und diesen
Programmen ausdauernd zu folgen. Am NCT Heidelberg und Dresden haben
deshalb Sportwissenschaftler, Psychologen und Physiotherapeuten
aktuell ein spezielles Motivationsprogramm entwickelt, das sich als
zentraler Baustein in existierende Sport- und Bewegungsangebote,
besonders gut in Rehabilitationssportgruppen, integrieren lässt. Das
Programm "MotivA - Meine Motivation für einen aktiven Alltag" leitet
Betroffene dazu an, einen Bewegungsplan zu erstellen, Hindernisse für
regelmäßige körperliche Aktivität zu identifizieren und
Gegenstrategien zu entwickeln", ergänzt Joachim Wiskemann.
Kernaussagen der neuen Richtlinien
Die neuen evidenzbasierten Richtlinien beinhalten insgesamt
folgende Kernaussagen und Empfehlungen:
- Für Erwachsene spielt Bewegung bei der Krebsprävention eine
wichtige Rolle und vermindert insbesondere das Risiko für sieben
weit verbreitete Krebsarten: Kolon-, Brust-, Endometrium-,
Nieren-, Blasen-, Ösophagus- und Magenkrebs
- Für Überlebende von Brust-, Kolon- und Prostatakarzinomen ist
wissenschaftlich belegt, dass körperliche Aktivität mit einer
verbesserten Überlebenswahrscheinlichkeit assoziiert ist.
- Bewegung während und nach einer Krebsbehandlung verbessert
Fatigue, Angstzustände, Depressionen, Körperfunktion und
Lebensqualität. Es verschlimmert keine Lymphödeme der oberen
Extremität (beispielsweise nach Brust-Operation mit
Lymphknotenentfernung).
- Die Forschung zum Thema muss intensiviert werden, um die
Integration von Bewegung in die Standardtherapie von Krebs
voranzubringen.
- Die wachsende Evidenz für den gesundheitlichen Nutzen von
Bewegung für Krebspatienten muss verstärkt in die Praxis
übersetzt werden.
Die umfassenden Reviews und Empfehlungen der Expertengruppe sind
in drei wissenschaftliche Artikel eingeflossen[1-3], die in zwei
namhaften Fachzeitschriften erschienen sind.
Systematische Verschreibung von Bewegung durch Ärzte
Mediziner, Sport- und Bewegungstherapeuten sowie Fitness-Trainer
sollten die neuen Empfehlungen bei der Umsetzung von
Bewegungsprogrammen für Krebspatient*innen und Krebsüberlebende
berücksichtigen. Damit die aktuellen Empfehlungen des Fachgremiums in
die Praxis gelangen, hat das ACSM mit seiner Initiative "Exercise is
Medicine" eine neues Programm ins Leben gerufen: Moving Through
Cancer. Dieses für den klinischen Alltag entwickelte Programm soll
sicherstellen, dass alle Krebspatient*innen standardmäßig untersucht,
beraten und an angemessene Bewegungs- und Rehabilitationsprogramme
überwiesen werden. Ein globales Register für Bewegungsprogramme ist
unter www.exerciseismedicine.org/movingthroughcancer zu finden.
In Deutschland: Das Netzwerk OnkoAktiv
Joachim Wiskemann ergänzt einen Hinweis auf ein aktuelles Projekt
in Deutschland: "Damit an Krebs erkrankte Menschen und onkologisch
beratende Ärzte/Fachkräfte ein geeignetes wohnortnahes
Bewegungsprogramm finden können, wird gerade das Netzwerk OnkoAktiv
systematisch aufgebaut, an dessen Planung auch der DVGS beteiligt
ist. Interessierte können über die Such- und Kartenfunktion
(www.netzwerk-onkoaktiv.de) des Netzwerkes Bewegungs- oder
Beratungsangebote in ihrem Umfeld finden oder im direkt mit den
lokalen OnkoAktiv Zentrum in Kontakt treten
(www.nct-heidelberg.de/onkoaktiv). Anschließend kann entweder eine
Therapie- und Trainingsinstitution direkt kontaktiert werden oder ein
qualitätsgesicherter Beratungs-, Untersuchungs- und
Vermittlungsprozess angestoßen werden. Interessierte
Bewegungsanbieter können dem Netzwerk aktiv beitreten.
Die Ausbildungsangebote des DVGS und die Onkologische Trainings-
und Bewegungstherapie (OTT)
Um die Bewegungsprogramme für Krebspatient*innen qualifiziert
anbieten zu können, müssen Sport- und Bewegungstherapeut*innen
entsprechend ausgebildet werden. In Deutschland übernimmt diese
Aufgabe der DVGS. "Wir bieten qualitätsgesicherte Fortbildungen für
Sport- und Bewegungstherapeut*innen im Rahmen der modernen
Krebsmedizin und der Gesundheitsförderung an", erläutert Angelika
Baldus, Geschäftsführerin des DVGS. "Unsere Lizenz- und
Zertifikatskurse zum Thema Bewegung bei Krebs sowie die
Fortbildungskurse "Onkologische Trainings- und Bewegungstherapie
(OTT)" versetzen die Sport- und Bewegungstherapeut*innen in die Lage,
individuelle, zielorientierte Therapieplanungen zu entwickeln sowie
eine effektive Bewegungstherapie auf Basis neuester
wissenschaftlicher Erkenntnisse bei Krebspatienten umzusetzen. Dabei
hat das Thema Motivation einen hohen Stellenwert. Wir danken dem
Expertenpanel und Joachim Wiskemann, mit dem uns eine vertrauensvolle
Zusammenarbeit verbindet, ausdrücklich, dass sie die
wissenschaftliche Evidenz aktuell zusammengefasst und entsprechende
Empfehlungen für die Umsetzung ausgesprochen haben", ergänzt Baldus
abschließend.
Originalbeiträge
1. Campbell KL, Winters-Stone KM, Wiskemann J: Exercise Guidelines
for Cancer Survivors: Consensus Statement from International
Multidisciplinary Roundtable. Medicine & Science in Sports & Exercise
2019; DOI 10.1249/MSS.0000000000002116
2. Patel AV, Friedenreich CM, Moore SC: American College of Sports
Medicine Roundtable Report on Physical Activity, Sedentary Behavior,
and Cancer Prevention and Control. Medicine & Science in Sports &
Exercise 2019; DOI 10.1249/MSS.0000000000002117
3. Schmitz KH, Campbell AM, Stuiver MM: Exercise Is Medicine in
Oncology: Engaging Clinicians to Help Patients Move Through Cancer CA
Cancer Journal for Clinicians, 2019; 0: 1 -17
Partnerorganisationen
ACSM, American Cancer Society, the National Cancer Institute des
National Institutes of Health, American Academy of Physical Medicine
and Rehabilitation, American College of Lifestyle Medicine, American
Physical Therapy Association, American Society of Clinical Oncology,
Canadian Society of Exercise Physiology, Centers for Disease Control
and Prevention, Commission on Accreditation for Rehabilitation
Facilities, German Union for Health Exercise (Deutscher Verband für
Gesundheitssport und Sporttherapie e.V. - DVGS), Exercise and Sport
Science Australia, Macmillan Cancer Support, National Comprehensive
Cancer Network, Royal Dutch Society for Physical Therapy, Society of
Surgical Oncology and Sunflower Wellness
Deutscher Verband für Gesundheitssport und Sporttherapie e.V.
(DVGS)
Der Deutsche Verband für Gesundheitssport und Sporttherapie e.V.
(DVGS) steht für die Förderung der öffentlichen Gesundheit durch
Bewegung. Als Fach- und Berufsverband qualifiziert er
Bewegungsfachkräfte und vertritt deren Interessen engagiert in
Öffentlichkeit und Gesundheitspolitik. Er fördert Wissenschaft und
Forschung und sorgt für die konsequente Umsetzung der Ergebnisse in
der Praxis. Dazu konzipiert er qualitätsgesicherte Programme für die
Gesundheitsförderung, Prävention und Rehabilitation und stellt sie
Bildungsstätten, Leistungsträgern, Leistungserbringern oder
politische Entscheidungsträgern zur Verfügung.
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Datum: 16.10.2019 - 13:00 Uhr
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