Mittelbayerische Zeitung: Eine kleine Katastrophe
Die rechtsnationale PiS fährt einen haushohen Wahlsieg ein. Dennoch gibt es Hoffnung für jene, die sich ein freiheitliches Polen wünschen. Von Ulrich Krökel
(ots) - Der historische Wahltriumph der
rechtsnationalen PiS in Polen war ein ehrliches Ergebnis, an dem es
nichts herumzudeuteln gibt. Die Abstimmung war frei und weitgehend
fair. Man mag den Einfluss der Regierung in den Staatsmedien
kritisieren. Es kann aber keinen ernsthaften Zweifel daran geben,
dass eine Mehrheit der Polen derzeit die PiS an der Macht sehen will
und niemanden sonst. Das ist mehr als nur bitter. Es ist eine kleine
Katastrophe, denn die PiS und ihr autoritärer Chef Jaroslaw Kaczynski
haben ihre illiberale, nationalistische und bestenfalls
halbdemokratische Gesinnung in der Vergangenheit zur Genüge unter
Beweis gestellt. Sie haben die Gewaltenteilung ausgehöhlt und den
Rechtsstaat geschleift. Andererseits kann von einer PiS-Diktatur
bislang keine Rede sein, und es greift auch viel zu kurz, der
Regierungspartei einen Stimmenkauf durch soziale Wohltaten zu
unterstellen, wie dies in oppositionsnahen polnischen, aber auch in
westeuropäischen Kommentaren immer wieder zu lesen ist. Tatsache ist,
dass Kaczynski und seine Partei ihre Versprechen von 2015
größtenteils gehalten und sich den weniger begüterten Menschen im
Land zugewandt haben. Die liberalen und linken Vorgängerregierungen
in Warschau hingegen haben genau diese Bevölkerungsschichten über
viele Jahre hinweg bestenfalls ignoriert oder sie sogar mit
marktradikalen Reformen heillos überfordert. Davon profitierten auf
der anderen Seite die erfolgreichen Bevölkerungsschichten in den
boomenden Metropolen doppelt und dreifach. Wenn linke Politiker vor
der Sejmwahl am Sonntag darüber klagten, dass die PiS ihnen ihr
Programm geklaut habe, dann ließen sie meist die Frage offen, wie es
soweit kommen konnte in einem Land, in dem Solidarnosc (Solidarität)
fast schon ein heiliger Wert ist. Die Antwort liegt nah: Weil die
gleichen linken Politiker ihre eigene Agenda und ihre eigenen Werte
nicht ernst genommen haben. Genau das aber macht die PiS anders, und
diese Glaubwürdigkeit ist ihr Erfolgsgeheimnis. Das Üble daran ist,
dass zu den Werten der PiS, die sie ernst nimmt, nicht nur der
soziale Ausgleich zählt, den sie im Übrigen nur innerhalb der
"polnischen Volksgemeinschaft" verwirklicht wissen will, sondern auf
der anderen Seite auch die unbarmherzige Ausgrenzung von
Minderheiten. In der gelebten Wirklichkeit führt das, nur zum
Beispiel, zu Hass auf Ausländer und Hetze gegen Homosexuelle.
PiS-Chef Kaczynski betont immer wieder, dass eine polnische Familie
aus Mann, Frau und Kindern zu bestehen hat und der katholische Glaube
die einzig legitime Weltanschauung im Land sein sollte. Jenseits des
Christentums gebe es nur Nihilismus. Das sind intolerante, zutiefst
anti-aufklärerische Sichtweisen, die kein Mensch mehr braucht im 21.
Jahrhundert, weil sie das friedliche Zusammenleben stören oder sogar
unmöglich machen. Keine Frage: Die linken, liberalen und
gemäßigt-konservativen Parteien in Polen haben sich durch falsches
Regierungshandeln in der Vergangenheit selbst in die scheinbar
aussichtslose Lage manövriert, in der sie sich aktuell befinden. Ihre
oft wohlfeile Kritik an der PiS-Politik hat alles nur noch schlimmer
gemacht. Das gilt im Übrigen auch für große Teile der
oppositionsnahen Medien. Dennoch gibt es noch Hoffnung für all jene,
die sich im Herzen Europas ein freiheitliches, der Welt zugewandtes
und solidarisches Polen wünschen (der Autor dieser Zeilen gehört
dazu). Die Hoffnung speist sich aus der Kenntnis der Menschen im
Land, die in ihrer großen Mehrheit genau dies sind: freiheitsliebend,
offenherzig und gastfreundlich. Und natürlich solidarisch. Das
versteht sich in Polen von selbst.
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